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Was sie über Mega-Crash-Prognosen wissen sollten

17.08.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Wann kommt die Krise?

Was ist eigentlich mit "Krise" oder "Mega-Krise" gemeint? Unterschiedliche Menschen deuten diese Worte vermutlich unterschiedlich. Für die einen ist Krise hohe Inflation oder Hyperinflation. Andere wiederum setzen sie mit Deflation gleich: fallende Preise, tiefe Rezession, Firmenpleiten, hohe Arbeitslosigkeit. Wieder andere meinen, eine Mega-Krise zeigt sich erst in Deflation, auf die dann Inflation folgt. Die Krise kann aber auch - und genau das scheint häufig übersehen zu werden - in einem ganz anderen Gewand daherkommen

Und zwar in diesem Gewand: Die Staaten und ihre Zentralbanken legen die letzten Reste des Systems der freien Märkte lahm und verhindern auf diese Weise, dass der Boom, für den das Fiat-Geldsystem sorgt, durch einen Bust beendet wird und seine Fehler korrigiert werden können. Dass die Politik in diese Richtung arbeitet, dass zeigen viele Indizien. So haben die Zentralbanken die Zinsen auf extreme niedrige Niveaus gedrückt, und sie setzen ihre ganze Macht ein, um zu verhindern, dass die "Blasenwirtschaft" platzt.

Die disruptive Krise kann unter diesen Bedingungen bis auf Weiteres ausbleiben. Doch etwas anderes, nicht weniger dramatisches geschieht: Indem Staat und Zentralbank ihre Eingriffe in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben immer weiter ausweiten (durch Ge- und Verbote, Gesetze, Regulierungen und Besteuerung), schmelzen die bürgerlichen und unternehmerischen Freiheiten dahin, und die Quelle des künftigen Wohlstands versiegt. Eine Lenkungs- und Befehlswirtschaft entsteht: Staat und Zentralbank bestimmen, wer was wann wo produziert und wer was wo und wann konsumiert.


Das Bankenproblem

Solch ein Szenario erscheint durchaus plausibel im Euroraum, wenn man sich vergegenwärtigt, wie mit dem Euro-Bankenproblem umgegangen wird. Zweifelsohne sind die Banken eine besonders kritische Variable im ungedeckten Papiergeldsystem. Sie produzieren den Großteil des ausstehenden Kredit- und Geldmengenvolumens. Und in ihren Bilanzen sind die Ersparnisse von Millionen von Menschen ausgewiesen - in Form von Eigenkapital, Depositen und Schuldpapieren. Es ist keineswegs übertrieben zu sagen, dass das Wohl und Wehe des Fiat-Geldsystems in entscheidendem Maße von den Banken abhängt.

Im Euroraum hat das Eigenkapital vieler Banken noch einen großen Abschreibungsbedarf zu verkraften. Das ist durchaus heikel, schließlich operieren die Kreditinstitute traditionell mit einer sehr geringen Eigenkapitaldecke, die durch Kreditausfälle rasch aufgezehrt werden kann. Zudem sehen sich die Geldhäuser wachsenden Ertrags- und Gewinnproblemen gegenüber. Die Frage, die man sich an dieser Stelle stellen muss, lautet: Wird es der Euro-Bankensektor sein, der in die Knie geht, und wird sein betriebswirtschaftliches Scheitern die nächste Euro-Krise (oder Schwereres) auslösen?

Wer diese Frage bejaht, der macht wohlmöglich die Rechnung ohne den Wirt. Denn was würden die Staaten und die Europäische Zentralbank (EZB) in solch einer "Notsituation" machen, in der Banken drohen Pleite zu gehen? Die EZB ist der Monopolist der Euro-Geldproduktion. Sie kann den Banken jede gewünschte Kredit- und Geldmenge verabreichen. Auf diese Weise schafft sie das Liquiditätsrisiko aus der Welt. Zudem kann sie auch noch dafür sorgen, dass die Euro-Banken bei Bedarf mit neuem Eigenkapital ausgestattet werden, wenn das Insolvenzrisiko schlagend wird.

Die EZB kann das Folgende machen: Die Euro-Staaten werden aufgefordert, neue Schuldpapiere auszugeben, die dann von der EZB gekauft werden. Die dadurch neu geschaffenen Euro zahlen die Staaten als Eigenkapital in die Banken ein. Die Euro-Banken werden - je nach Ausmaß der Rekapitalisierung - de facto verstaatlicht. Die Altaktionäre der Banken erleiden zwar hohe Verluste, aber die Banken bleiben über Wasser. Die Zahlungsfähigkeit des Euro-Fiat-Geldsystems bleibt erhalten. Zahlungsausfälle auf den Kreditmärkten sind abgewendet, das staatlich subventionierte Bankensystem bricht nicht plötzlich zusammen.

Die letzten Jahre der "Rettungspolitiken" im Euroraum haben deutlich gemacht, dass ein Systemkollaps durchaus lange Zeit verhindert werden kann. Und solange die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind, solange die Zentralbanken noch immer neue Kaninchen aus dem Zylinder zaubern können, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der "Mega-Crash" auf sich warten lässt. Die Anleger haben dann allerdings mit den Begleiterscheinungen zu kämpfen: Null- und Negativzinsen, Entwertung des Geldes durch Inflation, Einstellen der Zahlungsverpflichtungen von Staaten und Banken, steigende Besteuerung, Bargeldverbot.


Was zu lernen ist

Wann genau die Krise oder der Mega-Crash kommen, und welche Gestalt sie annehmen - das sind Fragen, auf die die Wirtschaftswissenschaft letztlich keine Antwort geben kann. Sie kann bestenfalls bedingte Prognosen machen - Prognosen, die das Vorliegen von (einigen, aber nicht allen) künftigen Bedingungen, unter denen gehandelt wird, bereits heute schon als bekannt voraussetzen. Doch ob damit eine Prognosegüte erreicht wird, die Gehaltvolles über das künftige menschliche Handeln sagen kann, darf ernstlich bezweifelt werden.

Die Unterstützung, die die Ökonomik zur Erhellung des Zukünftigen geben kann, ist also recht gering. Wenn es etwas gibt, was der Ökonomik als prognostische Fähig-keit ausgelegt werden kann, sind das "nur" ihre apriorischen Aussagen, die a priori Handlungskategorien und die daraus abgeleiteten Theorien und Theoreme. Doch sie sind nur insoweit für Prognosen nützlich, als dass man Kenntnis über die künftigen Bedingungen hat, unter denen das Handeln tatsächlich stattfindet - die aber ist in der Regel eben nicht vorhanden.

Das heißt nun nicht, dass es niemanden geben kann, der Ihnen, verehrte Leserin, geehrter Leser, die "richtige" Krisenprognose stellen könnte. Es ist durchaus möglich, dass es Personen gibt, die heute schon wissen, wann und wie sich die Krise des ungedeckten Papiergeldes entfaltet. Eines ist allerdings sicher: Zu diesen Personen gehören nicht die Hauptstrom-Ökonomen, die die Volkswirtschaftslehre als Erfahrungswissenschaft begreifen und mit aufwendigen Modellen, die auf Vergangenheitsdaten aufbauen und Verhaltenskonstanten aufzuspüren gedenken, die Zukunft prognostizieren.

Viele Menschen haben ein großes Bedürfnis, über Zeitpunkt und Form der Krise rechtzeitig informiert zu sein. Doch im Grunde ist es viel wichtiger, wie man als Privatinvestor oder Unternehmer in einer Weise investiert, dass der Investitionserfolg nicht davon abhängt, dass man den Zeitpunkt der Krise genau vorausgesehen hat (was, wie wir gesehen haben, für die meisten ohnehin unmöglich sein dürfte), sondern dass er möglichst unabhängig davon wird. Wie das geht, lässt sich bei nachweislich erfolgreichen Investoren nachschlagen.

Wer zum Beispiel studiert, wie Benjamin Graham, Phil Fisher, Warren F. Buffett, Charlie Munger, Joel Greenblatt und andere Investoren mit Unsicherheit umgehen, der wird nicht nur rasch merken, dass Krisenprognosen ihren Schrecken verlieren. Er wird auch erkennen, was wirklich wichtig, weniger wichtig und unwichtig ist beim Umgang mit Unsicherheit und Finanz- und Wirtschaftskrisen. Sich Gedanken machen über den Zeitpunkt des Crashs gehört jedenfalls bei diesen Investoren nicht dazu.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


(1) Hierzu Mises (1957), Theory and History. An Interpretation of Social and Economic Evolution, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Ala-bama, S. 1 - 4.

(2) Zu diesem Argument siehe Hoppe, H. H. (1983), Kritik der kausalwis-senschaftlichen Sozialforschung. Untersuchungen zur Grundlegung von Soziologie und Ökonomie, Studien zur Sozialwissenschaft, West-deutscher Verlag, Opladen, z. B. S. 44 - 49.



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