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Uns steht ein volatiles Jahr bevor

05.09.2019  |  John Mauldin
Ich denke, die letzten Woche haben einen Wendepunkt im wirtschaftlichen Umfeld dargestellt. Und damit meine ich mehr als nur den Handelskrieg. Eine gewisse Verwundbarkeit ersetzt das vorherige Selbstvertrauen - und aus gutem Grund. Wir sind tatsächlich verwundbar und wir werden Glück brauchen, um die 2020er Jahre ohne größeren Schaden zu überstehen.

Doch wir sind zu vorschnell. Lassen Sie uns über die Risiken sprechen, die uns im nächsten Jahr erwarten und in welchem wirtschaftlichen Umfeld wir uns befinden werden, wenn es soweit ist. Ich denke, dass dieses Umfeld geprägt von möglichen Angebotsschocks, unterdurchschnittlichem Wachstum und zunehmender Volatilität sein wird... neben anderen Dingen.


Angebotsschocks voraus

Aus irgendeinem Grund wird der Professor und Volkswirtschafter Nouriel Roubini von der NYU oftmals als "Dr. Doom" bezeichnet. Wir sind seit mehreren Jahren Freunde. Er opfert immer gerne etwas von seiner Zeit und wir hatten einige nächtliche Gespräche, bei denen ich keinerlei Untergangsgefühl verspürte. Doch aktuell ist er tatsächlich bearisch gegenüber der Wirtschaft eingestellt.

In einem kürzlichen Artikel, The Anatomy of the Coming Recession, erklärte Nouriel seine Prognose. In einer Zeit, in der die Weltwirtschaft bereits aus zyklischen Gründen Anzeichen einer Abschwächung zeigt, sehen wir uns drei möglichen Schocks gegenüber; wobei jeder von ihnen eine Rezession auslösen könnte.

  • Der Handels- und Währungskrieg zwischen USA und China

  • Ein langsam entstehender Kalter Krieg der Technologie zwischen USA und China (was deutlich größere, langfristige Auswirkungen haben könnte)

  • Spannungen mit dem Iran könnten Ölexporte des Nahen Ostens gefährden

Der erste dieser drei Punkte scheint sich zu verschlimmern. Der zweite Punkt bessert sich nicht. Und den dritten halte ich für unwahrscheinlich, da weder die USA noch der Iran aus einem militärischen Konflikt Vorteile ziehen würden. Doch irgendjemand könnte falsche Einschätzungen anstellen.

In jedem Fall bedrohen diese Aspekte das Angebot verschiedener Güter, anders als 2008, als es primär zum Nachfrageschock kam. Diese Faktoren würden Output reduzieren und demnach den Preis für Rohmaterialien, Zwischengüter und/oder Verbraucherendprodukte erhöhen. Demnach glaubt Roubini, dass die Auswirkung stagflationär wäre, ähnlich der 1970er Jahre.

Da dies Angebots- und keine Nachfrageschocks sind, werden die fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen, die 2008 angewendet wurden - wenn Nouriel richtig liegt - diesmal weniger effektiv und möglicherweise schädlich sein. Zinssenkungen könnten die Preisinflation antreiben anstatt Wachstum anzukurbeln. Das würde wiederum die Verbrauchausgaben reduzieren, was aktuell das Einzige ist, das zwischen uns und einer Rezession steht.

Da wir gerade bei Verbraucherausgaben sind... Mehr als eine handvoll Analysten fühlt sich von deren Widerstandsfähigkeit in Sicherheit gewogen. Sie haben irgendwo Recht, doch ein Großteil dieser Ausgaben wird durch Schulden anstatt steigender Einkommen angetrieben. Auf makroökonomischer Ebene verstärkt die Lösung des einen Problems, das Fortbestehen des anderen Problems. Wenden wir uns nun dem Schuldenexperten Dr. Lacy Hunt zu, der - aus anderen Gründen - ebenso bearisch eingestellt ist wie Roubini.


Unterdurchschnittliches Wachstum

Ein Großteil unserer Probleme hängt - auf die ein oder andere Weise - mit Schulden zusammen. Vielleicht gehören Sie der Minderheit derjenigen an, die schuldenfrei sind, doch kollektiv besitzen wir viel zu viel davon. Und selbst wenn Sie kein Schuldner sind, so sind Sie alleine bereits dadurch Kreditgeber, dass Sie ein Bankkonto besitzen. Und ein Bürger einer Stadt, einer Gemeinde, eines Staates oder eines Landes zu sein, geht mit einer ganz eigenen Zahl an Erwartungen und Obligationen einher, wenn es um Schulden geht. Jeder ist hiervon betroffen.

Schulden sind nicht schlecht und können sogar gut sein, wenn sie produktiv genutzt werden. Der Großteil davon wird jedoch nicht derartig genutzt. In der Theorie sollte eine Wirtschaft, die mit unproduktiven Schulden überladen ist, aufgrund des überschüssigen Risikos, das sie auf sich nimmt, steigende Zinsen verzeichnen. Dennoch befinden wir uns in einer Welt der niedrigen und rückläufigen Zinsen. Warum?

Lacy Hunt erklärte dies während der Strategic Investment Conference im letzten Mai recht gut. Er zeigte, wie die höheren Regierungsschulden die Unternehmenskonditionen belasten würden. Diese bringen das Wirtschaftswachstum zum Erschlaffen, also sinken die Zinsen. Die Daten zeigen, dass der Prozentsatz des BIPs, den jeder Dollar neue Schulden generiert, stetig fällt.

Das ist ein Problem, da die Zentralbanken noch immer denken, dass niedrigere Zinsen die Lösung unserer Probleme sind. Ähnlich wie Donald Trump. Sie alle liegen leider daneben, bleiben jedoch beharrlich bei ihrer Strategie, die Zinsen nahe der Null und dann unter diese zu drücken. Das wird nicht den gewünschten Effekt haben.

So erklärte Lacy dies in seinem letzten Brief:

In einem normalen, zyklischen Umfeld könnten wir annehmen, dass niedrigere Realrenditen das Wirtschaftswachstum ankurbeln, doch unter aktuellen Umständen könnten niedrigere Realrenditen tatsächlich nur widerspiegeln, dass die Kapitalerträge deutlich zurückgegangen sind. Wenn Realrenditen niedrig oder negativ sind, dann werden Investoren und Unternehmer keine Erträge verzeichnen, die proportional zum Risiko sind. Dementsprechend werden die Finanzmittel für physische Investitionen zurückgehen und Produktivitätszunahmen weiterhin erodieren, ebenso wie Wachstumsprognosen.

Durchschnittlich waren die Realrenditen der 10-Jahresstaatsanleihen innerhalb des Vereinigten Königreichs und Japan über die letzten 10 Jahre hinweg leicht negativ und innerhalb Deutschlands um 10 Basispunkte positiv. In den letzten fünf Jahren, als die nominalen Zinsen in Japan und Deutschland etwas negativ waren, waren die Realrenditen sogar noch negativer, da die mäßige Inflation anhielt. In jedem dieser Fälle waren die negativen Realrenditen kein Allheilmittel für die Wachstumsprobleme. Tatsächlich hat die Dauer der anhaltenden schlechten Wirtschaftsperformance zugenommen.

Nun sind Beweise dafür aufgetaucht, dass die US-amerikanischen Realzinsen, obgleich diese noch immer positiv sind, zurückgehen und dass Investoren dazu gezwungen werden, niedrigere Realrenditen zu akzeptieren, ähnlich wie Investoren an ausländischen Märkten. Die Folge: Rückläufige Kapitalerträge werden die Zeitspanne des schlechten Wirtschaftswachstums innerhalb der Vereinigten Staaten verlängern, wie es in Japan und Europa der Fall war. Wenn die Lösung für das Problem des unterdurchschnittlichen Wachstums eine noch schnellere Anhäufung von Schulden ist, dann wird sich dieser Zyklus weiterhin wiederholen.



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