Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Wie inflationäres Geld Sie ärmer macht

19.10.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Täuschung

Es ist bereits deutlich geworden, dass Inflation - verstanden als Geldmengenvermehrung - Umverteilungswirkungen hat. Allerdings auch nur dann, wenn die Inflation überraschend kommt, wenn es eine sogenannte Überraschungsinflation gibt. Was ist damit gemeint?

Wenn die Menschen mit Inflation rechnen, stellen sie sich darauf ein. Erwarten sie zum Beispiel, dass die Güterpreise in den kommenden Jahren um, sagen wird 2 Prozent steigen, berücksichtigen sie das in ihren Verträgen (zum Beispiel in ihren Lohn-, Kredit- und Mietverträgen). Wenn die Inflation sich tatsächlich in der Weise entwickelt, wie es die Menschen bei Vertragsabschluss erwartet hatten, stellen sich keine Umverteilungswirkungen ein. (Von den grundsätzlichen Effekten der Geldmengenausweitung sei hier abgesehen.)

Wenn aber die erwartete Inflation von der Inflation, die sich tatsächlich einstellt, abweicht, dann kommt es zu Umverteilungswirkungen. Fällt beispielsweise die tatsächliche Inflation höher aus als sie ursprünglich erwartet wurde, erleidet der Kreditgeber Verluste, und die Kreditnehmer gewinnen: Das Geld, das der Kreditnehmer zurückzahlt, hat eine geringere Kaufkraft als das Geld, das er sich geliehen hat. Der Gläubiger hat das Nachsehen.

Eine Zentralbank, die mit ihrer Inflationspolitik eine Umverteilungswirkung herbeiführen möchte - die zum Beispiel Schuldner auf Kosten der Gläubiger besserstellen will -, muss folglich zur Politik der Überraschungsinflation greifen. Das aber kann schnell äußerst problematisch werden - nach dem Motto: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er doch die Wahrheit spricht." Dazu ein einfaches Beispiel.

Die Zentralbank verspricht, die Inflation bei 2 Prozent zu halten. Nachdem die Marktakteure diese Inflation "gutgläubig" in ihren Verträgen berücksichtigt haben, sorgt die Zentralbank für eine Inflation von, sagen wir, 3 Prozent; sie bricht also ihr Versprechen. Es kommt zu Umverteilungswirkungen (Gläubiger verlieren, Kreditnehmer gewinnen). Die Geprellten lernen nun aber dazu: Auch wenn die Zentralbank verspricht, die Inflation künftig bei 2 Prozent zu halten, glauben die Menschen ihr das nicht mehr und rechnen mit einer höheren Inflation von, sagen wir, 3 Prozent.

Will die Zentralbank wieder Überraschungsinflation herbeiführen, muss sie nunmehr für eine Inflation von mehr als 3 Prozent sorgen. Man erkennt, wohin das führt: Die Zentralbank wird für immer höhere Inflation sorgen müssen, wenn sie per Überraschungsinflation für Umverteilung sorgen will. Das aber ist ein Weg, der geradewegs in die Hyperinflationspolitik führt.


Umverteilung per Null- und Minuszins

Doch der Staat will natürlich nicht leichtfertig sein zentrales Machtinstrument, die Hoheit über das Geld, riskieren: Hyperinflation kann im Extremfall sein Geld und damit unter Umständen auch seine Macht zerstören. Daher wird der Staat nach anderen 'passablen' Umverteilungsmitteln suchen, die vor allem auch ihm selbst finanziell zugute kommen. Das Heil erblicken die Staaten mittlerweile in der Null- und Minuszinspolitik.

Mit Null- und Minuszinsen lässt sich nämlich die Staatsschuldenlast absenken. In der ersten Stufe werden die Refinanzierungskosten für die Staaten auf null gesetzt. Das reduziert die Zinskosten im Finanzhaushalt und schafft neue Ausgabenspielräume. In einer zweiten Stufe werden die Renditen der Staatsanleihen von der Zentralbank in den Negativbereich befördert. Auf diese Weise können sich die Staaten entschulden. Sie machen also in der irrwitzigen Welt des Negativzinses sogar noch einen Gewinn auf Kosten der Sparer, wenn sie sich verschulden!

Open in new window

Das ist zwar eine Geldpolitik, die in der Öffentlichkeit auf mitunter heftige Kritik stösst - vor allem von Seiten der Sparer. Aber die Null- und Minuszinspolitik lässt sich, wenn sie graduell, das heißt nach und nach und in kleinen Schritten vollzogen wird, vergleichsweise leichter verfolgen als eine offene Inflationspolitik, bei der die Inflation immer stärker zu steigen droht. Bei letzterer zeigen sich nämlich die Probleme sofort und unmittelbar: Jeder merkt, dass die Kaufkraft seines Geldes sinkt, und dass dabei einige immer reicher werden auf Kosten vieler anderer.

Die "dicke Rechnung" der Null- und Negativzinspolitik kommt hingegen erst mit einer Zeitverzögerung: Erst nach vielen Jahren zeigt sich, was der Verlust des Zinses angerichtet hat - in Form von Kapitalfehllenkungen, Wachstums- und Beschäftigungsverlusten und Lücken in der Altersvorsorge. Doch leider: Die Null- und Minuszinspolitik zwingt die Zentralbank früher oder später in eine Politik der großangelegten Geldmengenausweitung, also in eine verschärfte Inflationspolitik.

Der Grund: Die Null- und Minuszinspolitik sorgt dafür, dass eine Produktions- und Beschäftigungsstruktur entsteht, die nur bei anhaltend niedrigen Zinsen beziehungsweise Negativzinsen Bestand haben kann. Und um die Marktzinsen dauerhaft vor dem Anstieg zu bewahren, um einen Systemkollaps abzuwenden, ist irgendwann ein breit angelegtes Aufkaufen aller Schulden durch die Zentralbanken notwendig - und das läuft auf eine gewaltige Geldmengenvermehrung hinaus.

Es wäre also verfrüht zu sagen, die Inflation sei "besiegt". Vielmehr ist sie gewissermaßen in Vorbereitung - als Folge der ohnehin chronisch inflationären Geldpolitik, aber vor allem auch der Spätfolgen der Null- und Minuszinspolitik.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"