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Die dunkle Macht im Euro-Tower

23.11.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Wer kontrolliert eigentlich die EZB? Oder: Wie die politische Unabhängigkeit der Euro-Zentralbank zu einem ernsten Problem geworden ist.

Mit ungedecktem Papiergeld hat die Menschheit schlechte Erfahrungen zuhauf gemacht. Denn der Staat, der es monopolisiert, missbraucht es, gemeinsam mit den Machtgruppen, die ihn für ihre Zwecke einspannen. Ende der 1970er Jahre waren die Preisinflation und die damit verbundenen Kosten in vielen Währungsräumen so hoch geworden, dass man gegensteuerte. Wie? Nun, man entließ die Zentralbankräte in die politische Unabhängigkeit.

Den Regierungen sollte auf diese Weise der Zugriff auf die Notenpresse entzogen werden, und so sollte die Inflation ihr Ende finden. Die Idee fand viele Anhänger. Zudem gab man den Zentralbanken auch noch ausdrücklich vor, für eine niedrige Inflation zu sorgen.

Weltweit begann mit Beginn der 1980er Jahre dann in der Tat die Inflation der Konsumgüterpreise abzunehmen. Doch beinahe gleichzeitig begannen Preise der Vermögensgüter - wie zum Beispiel Aktien, Häuser und Grundstücke - kräftig zu inflationieren.

Das Kredit- und Geldschaffen der Zentralbanken heizte nicht mehr so sehr die Teuerung für die Genussgüter an, sondern sie schürte Vermögenspreisinflation - die natürlich die Kaufkraft des Geldes genauso zerstört wie die Inflation der Konsumgüterpreise. Weil aber die offiziellen Statistiken nur die Inflation der Konsumgüter, nicht aber die der Vermögensgüter ausweisen, wurde der Öffentlichkeit vorgegaukelt, die Inflation sei tatsächlich auf dem Rückzug.

Die ach so politisch unabhängigen Zentralbanken sind natürlich weiterhin im Dienst der Staaten und Sonderinteressengruppen tätig: Sie senken die Marktzinsen immer weiter ab und versorgen die Staaten mit billigen Krediten. Aber auch Konsumenten und insbesondere Großunternehmen ("Big Business") werden in einen Verschuldungsrausch versetzt.

Vor allem werden die Banken- und Finanzindustrie sowie anhängende Branchen wie zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, Finanzjournalismus und Anwaltskanzleien begünstigt. Das kräftige Anschwellen der Kredit- und Geldmengen beschert ihnen allen üppige Gewinne aus Handels-, Transaktionssowie Bearbeitungs- und Verwaltungsgebührengeschäften.

Das Groh der Ökonomenzunft spendet der Idee, Zentralbanken müssten politisch unabhängig sein, Beifall. Viele von ihnen legen sich sogar richtig ins Zeug, um der Öffentlichkeit die Notwendigkeit für ein staatliches Geldmonopol einzureden. Die Versuchung für diese Tat ist groß: Schließlich profitieren auch viele professionelle Hauptstrom-Ökonomen vom Auswuchern des ungedeckten Geldsystems. Doch mittlerweile scheint sich der Wind zu drehen. Die Öffentlichkeit beginnt zu erahnen, dass vielleicht etwas faul sein könnte; dass sie womöglich vom Zentralbanksystem systematisch aufs Kreuz gelegt und ausgeplündert wird.

Sie spürt, dass die Zentralbanken nicht den Interessen der Bürger und Unternehmer, sondern in erster Linie den Interessen des "Establishments" - Regierung, Banken- und Finanzindustrie, Großkonzernen, der "Elite von Davos" - dient. Der Grund, warum sich der Protest dagegen noch nicht viel stärker entfaltet hat, ist vermutlich der, dass viele Menschen selbst zu Abhängigen des ungedeckten Geldsystems geworden sind: Sie halten ihre Konten bei Geschäftsbanken und fürchten berechtigterweise, deren Pleite werde ihre Ersparnisse auslöschen; oder sie sind beim Staat angestellt, der ohne das Fortführen der Kredit- und Geldmengeninflation sogleich zahlungsunfähig wird.

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Im Euroraum wird das Aufbegehren gegen das Zentralbanksystem in einer besonderen Weise erschwert. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist eine supra-nationale Institution. Damit ist sie dem Zugriff der nationalen Parlamente in den Euro-Ländern de facto entzogen. Die Euro-Baumeister sehen darin etwas sehr Gelungenes: Stolz verkünden sie, die EZB sei die unabhängigste aller Zentralbanken, und das sichere eine Geldpolitik der niedrigen Inflation! Doch wer kontrolliert eigentlich die EZB-Räte?

Sie können, sollte ihnen der Sinn danach stehen, die Geldmenge über Nacht per Knopfdruck vervielfältigen. So weit gespannt ist ihre Macht! Ein System, das an Absurdität schwerlich zu überbieten ist.

Das ist umso bedenklicher, weil der EZB-Rat in seinem Euro-Turm in Frankfurt die wahre Machtzentrale im Euroraum ist. Er betreibt odre du mufti eine beispielslose Umverteilungspolitik von Einkommen und Vermögen, die Gewinner und Verlierer schafft; und er befindet auch über das finanzielle Wohl und Wehe ganzer Staaten, der Banken und damit letztlich auch der gesamten Wirtschaftsstruktur in den Euro-Teilnehmerländern. Die EZB unter ihrer neuen Präsidentin Christine Lagarde wird bald wohl auch noch "grüne Klimageldpolitik" betreiben: Sie verteuert Kredite an umweltbelastende Branchen; die Arbeitnehmer am Wirtschaftsstandort Deutschland können sich auf etwas gefasst machen.

Das ist Lenkungs- und Planwirtschaft ohne Umschweife direkt über die Kapitalmärkte - der "Zentralbank-Marxismus" nimmt unerbittlich seinen Lauf. Wenn man ihn nicht aufhält, werden Freiheit und Wohlstand in einer Weise Schaden nehmen, die sich heute vermutlich die wenigsten vorstellen können und mögen.

Der Sozialismus wird sogar sehr wahrscheinlich den Sieg davontragen, wenn es nicht gelingt, das Zentralbankmonopol zu beenden. Kleiner Hoffnungsschimmer zum Schluß: Zumindest einige Staaten auf der Welt haben begonnen, dem "politischen Globalismus" zu entsagen und sich in wohlverstandenem Sinne wieder auf eigene Belange zu besinnen. Das schwächt letztlich auch die dunkle Macht im Euro-Turm - und eröffnet so vielleicht doch noch die Chance, einen erfolgreichen Befreiungsschlag führen zu können.


Jetzt stellen die Banken ihren Kunden den Minuszins in Rechnung

Im September 2019 hielten deutsche Privathaushalte und Unternehmen Einlagen bei inländischen Banken in Höhe von 3,8 Billionen Euro. Davon waren 2.308,5 Mrd. Euro Sichteinlagen, 941,1 Mrd. Euro Termineinlagen, 585,7 Mrd. Euro Spareinlagen und 38,4 Mrd. Euro Sparbriefe. Ein gewaltiges Sparvolumen!

Im jüngsten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom November 2019 ist nun zu lesen, dass 58% der meldepflichtigen Banken einen negativen volumengewichteten Durchschnittszinssatz auf Sichteinlagen von Unternehmen erheben; und dass 23 Prozent der Banken einen volumengewichteten Durchschnittszinssatz auf die Sichteinlagen der privaten Haushalte verlangen (was einem Anteil von 25% am Gesamtvolumen der Sichteinlagen privater Haushalte bei deutschen Banken entspricht). Angesichts ihrer angespannten Ertrags-und Gewinnlage ist durchaus denkbar, dass immer mehr Banken ihren Kunden einen Negativzins in Rechnung stellen wollen.

Ab dem 1. Oktober 2019 wird beispielsweise die Volksbank und Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck einen Negativzins erheben in Höhe von 0,5 Prozentpunkten ab dem ersten Euro, der eingezahlt wird. Bereits vorher angelegtes Tagesgeld ist davon nicht betroffen.

Die Banken könnten über kurz oder lang auch verstärkt die bei ihnen gehaltenen Termineinlagen mit einem Negativzins belegen. Bereits heute schon erleiden (volumenanteilig gerechnet) 19 Prozent der Termineinlagen von Unternehmen und rund 1 Prozent der Termineinlagen von privaten Haushalten einen Negativzins.

Doch es gibt auch noch etwas Hoffnung für die Bankkunden: Der EZB-Rat hat am 12. September 2019 beschlossen, ab dem 30. Oktober 2029 einen beträchtlichen Teil der Überschussguthaben, die die Banken bei ihr halten, vom Negativzins zu befreien. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Banken nicht vielleicht doch innehalten bei der Weitergabe des Negativzinses, oder ob sie den Negativzins auf Kundenguthaben tatsächlich noch ausweiten (um sich auf diese Weise eine "Ertragsquelle" zu erschließen).


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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