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"Grüne Geldpolitik": Die Globalisten erobern die EZB

09.12.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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(a) Wie stark sollen die Kreditkosten für klimaschädliche Industrien verteuert werden? Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, muss man wissen, wie die Kreditkosten die Produktionsergebnisse der Unternehmen beeinflussen; und man muss auch wissen, wie preisreagibel die Nachfrage nach den kohlenstoffintensiven Produkten ist. Man darf jedoch bezweifeln, dass es belastbare Antworten auf diese Fragen gibt. Die EZB, die eine "grüne Geldpolitik" betreibt, würde gewissermaßen im Nebel herumstochern.

(b) Wie will man den Erfolg oder Misserfolg einer "grünen Geldpolitik" messen? Wenn die Ursache- und Wirkungsbeziehung zwischen Kreditkosten und kohlenstoffintensiver Produktion unbekannt ist (wie in Punkt (a) gesagt), dann lässt sich auch die Frage, ob die Klimaziele erreicht wurden oder nicht, überhaupt nicht beantworten. Eine aussagekräftige Kosten-Nutzen-Analyse, der der geldpolitische Klimaschutz sinnvollerweise zu unterwerfen wäre, ist hier unmöglich. Der geldpolitische Klimaschutz endet im Unüberprüfbaren.

(c) Die (relative) Verteuerung der Kreditkosten wird Ausweicheffekte auslösen. Wenn die EZB im Alleingang voranschreitet, wenn also andere Währungsräume den geldpolitischen Klimaschutz nicht mitmachen, dann werden Unternehmen sich der Kredit- und Kapitalkostenverteuerung im Euroraum entziehen, indem sie ihre Produktion in andere Regionen der Welt verlagern. Der Euroraum erleidet Einkommens- und Vermögenseinbußen, und der weltweite Schadstoffausstoß nimmt nicht ab.

Denkbar ist zudem auch, dass kohlenstoffintensive Unternehmen auf Fremdwährungskredite ausweichen. Sie emittieren zum Beispiel Anleihen in US-Dollar und tauschen die US-Dollar sodann in Euro. So entkommen sie der Kreditkostenverteuerung, den die EZB ihnen auferlegen will. Das wird allerdings nur großen Unternehmen möglich sein. Kleine und mittlere Unternehmen wird das vermutlich nicht gelingen. Sie und ihre Beschäftigten erleiden Wettbewerbsnachteile, scheiden aus dem Markt aus, während die Großen überleben und größer werden.

(d) Die Erhöhung der Kreditkosten für als umweltschädlich angesehene Industrien erfordert Willkürentscheidungen. Und wie immer bei solchen Entscheidungen werden auch hier Lobbygruppen versuchen, Vorteile für sich zu ergattern.

Zum Beispiel werden einzelne Industrien und Länder "Ausnahmeregelungen" für sich heraushandeln wollen - die natürlich nur zu Lasten Dritter gehen können. Ob sich durch das politische Gefeilsche, das sich einstellen würde, die gesetzten Ziele prinzipiell überhaupt noch erreichen ließen, ist äußerst fraglich.

(e) Eine dirigistische Kreditvergabe der EZB erfordert zeit- und kostenaufwendige Prüfungen und Kontrollen der Kreditnehmer sowie deren Sanktionierung bei Vertragsverstößen. Um das zu gewährleisten, müssen zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden, die produktiven Verwendungen entzogen werden. Beispielsweise müssen die Firmen mehr Personal für administrative Zwecke einstellen. Das erhöht die Produktionskosten der Firmen, senkt deren Gewinn und verringert dadurch letztlich die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft (im Vergleich zu einer Situation, in der diese Kosten nicht anfallen).

(f) Wie geht man mit Zielkonflikten um, die sich einstellen werden, wenn die Zentralbank mehre Ziele gleichzeitig verfolgt? Sollte die EZB, wenn die Inflation zu hoch wird, auf Inflationsbekämpfung umschalten, selbst wenn das eine Rezession verursacht und einen "überzogenen" Rückgang in der Emission von Treibhausgasen nach sich zieht? Mit anderen Worten: Es können Zielkonflikte entstehen, die sich nicht mehr einvernehmlich lösen lassen – und die dann eigentlich vermeidbare politische Konflikte nach sich ziehen.

(g) Wenn das Klimaschutzziel Eingang in die EZB-Geldpolitik findet, dann provoziert das Begehrlichkeiten. Warum sollen nicht auch andere Ziele aufgenommen werden, die als wichtig erachtet werden - wie "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" oder "Bildung für alle" oder "Jeder hat Recht auf bezahlbaren Wohnraum"?

Man erkennt sogleich: Wird der geldpolitische Klimaschutz der EZB als Ziel vorgegeben, wird eine Büchse der Pandora geöffnet. Die EZB verkommt dadurch letztlich zum Selbstbedienungsladen, zur beliebigen Ausgabestelle von neuem Geld. Der Euro würde wahrscheinlich recht bald seine Kaufkraft verlieren.


Der Weg in die Lenkungswirtschaft

Es soll hier nicht die Frage aufgeworfen werden, ob die bislang vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Ursachen des Klimawandels verlässlich sind, ob sie Zweifel am anthropogenen Klimawandel zulassen oder nicht. Es geht hier allein um die Frage: Wie kann man angesichts der voranstehend skizzierten Problemfelder auf die Idee kommen, die EZB könne und solle geldpolitischen Klimaschutz betreiben?

Diese Frage ist umso berechtigter, weil es ja seit 2005 in Europa einen Emissionsrechtehandel als umweltpolitisches Instrument gibt. Die Regierungen geben Obergrenzen ("Caps") für Treibhausgas-Emissionen vor, und die Emissionsrechte lassen sich zwischen den Produzenten handeln, haben also einen Marktpreis. Damit ist auch eine prinzipiell hohe ökologische Treffsicherheit gewährleistet - die prinzipiell höher ausfällt als bei der Vorgabe eines Emissionspreises beziehungsweise, wie von der EZB angedacht, der Vorgabe bestimmter Kreditkosten, die die Treibhausgas-Emissionen auf indirektem Wege reduzieren sollen.

Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass sich hinter dem geldpolitischen Klimaschutz, den die EZB künftig verfolgen soll, ein anderes Ziel verbirgt: und zwar das Bestreben der Globalismus-Anhänger, die verbliebenen marktwirtschaftlichen Elemente der Volkswirtschaften durch zentrale Steuerung und Lenkung zu ersetzen. Was aber auch immer die Motive letztlich sein mögen, die Frau Lagarde und ihr EZB-Team antreiben: Der geldpolitische Klimaschutz läuft darauf hinaus, die Freiheitsgrade von Konsumenten und Produzenten einzuschränken, das Wirtschaften im Euroraum einer zentralen Steuerung durch den EZB-Rat zu unterwerfen.

Ein gefährlicher, unheilvoller Weg, den man nicht gehen darf - das wollte dieser Artikel verdeutlichen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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