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Meine 5 Cents zu den Covid-19 Zahlen

22.03.2020  |  Robert Rethfeld
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Die Zahlen als den USA bleiben besorgniserregend, weil der Anstieg der neuen Fälle an Dynamik gewinnt. Florida droht aufgrund der noch vorhandenen Unbekümmertheit der Jugend und der gleichzeitig hohen Zahl älterer Menschen zu einem Epizentrum zu werden. Auch hier helfen nur „Social Distancing“, das Sperren von Stränden und Ausgangssperren.

Covid-19 begann in China. China und einzelne asiatische Länder zeigten, dass es möglich ist, die Verbreitung der Seuche zu stoppen. Ausgangssperren oder Anordnungen mit ähnlicher Wirkung wurden in weiten Teilen Europas in Kraft gesetzt. Wir nehmen an, dass auch Europa die Kurve kriegen wird, und zwar in Kürze. Aber das Umdenken braucht jeweils Zeit. In Deutschland dauerte es etwa zwei Wochen, bis fast jeder kapiert hat, dass sein Verhalten die Gesundheit anderer Personen beeinflusst. Die USA sind noch nicht ganz so weit. Im Land der großen Freiheit trifft die temporäre Beschränkung der Persönlichkeitsrechte insbesondere unter den Anhängern der republikanischen Partei auf Widerstand.

Die Hoffnung einer Abkürzung in Form von Wirkstoffen und Medikamenten wird jeden Tag größer, aber es ist ein Wettlauf gegen exponentielles Viren-Wachstum. Zwischenlösungen bis zur großen Durchimpfung sind gefragt. Bis es so weit ist, verschafft lediglich die soziale Distanzierung Aussicht auf Besserung.


Das große Experiment

Im vergangenen Jahr erschienen viele Bücher, in denen einen Crash prognostiziert wurde. Soweit mir bekannt ist, bezog sich deren Vorhersage nicht auf eine Corona-Panik, sondern auf einen systembedingten Zusammenbruch des Finanzsystems. Das Finanz-system sei nicht in der Lage, eine nochmalige Rezession zu stemmen. Diese Ängste teilen mittlerweile viele. Eine Situation, in der eine Pandemie mit einem „Lockdown“ und dras-tischen Einschränkungen für die Bewegungsfreiheit der Bürger einhergeht, hatten wir im Jahr 1929 nicht, und auch nicht in der Finanzkrise 2008/09.

Anders als 2008/09 geht es darum, das vorhandene Geld rechtzeitig an die Betroffenen zu bringen. Eine große öffentliche Schuldendebatte gibt es nicht. Das mag noch kommen. Jetzt gilt es, die schwindende Liquidität auszugleichen und die Löcher zu stopfen, und zwar auf allen Ebenen (Zentralbanktransaktionen, Geldmarkt, Fiskalpolitik).

Die Fed darf - im Gegensatz zur EZB und anderen - keine Unternehmensanleihen kaufen. Das wird sich wahrscheinlich ändern, Yellen und Bernanke forderten dies gestern. Die Fed plant offenbar auch, frisch emittierte US-Staatsanleihen direkt zu kaufen, ohne den Umweg über den Markt. Die EZB stellt sich darauf ein, grundsätzlich alles an den Kapitalmärkten aufkaufen zu können, es gibt keine selbstauferlegten Beschränkungen mehr.

Es ist ein großes Experiment: Weil die Ökonomie stillsteht, zahlt der Staat die Rechnun-gen so lange, bis die Wirtschaft wieder anspringt. Dies lässt sich sogar rechtfertigen: Wer den Lockdown anordnet (der Staat), der soll die finanziellen Folgen tragen.

Die Frage der Kollateralschäden ist nicht unberechtigt. Es werden möglicherweise Unter-nehmen gerettet, die schon vorher krank waren. Inflation könnte entstehen. Andererseits sind die Alternativen nicht viel erbaulicher. Wenn die Staaten nicht eingreifen, zerreißen die Arbeitsplatz-Netze. Arbeitslosenquoten von 20 Prozent stehen für die USA im Raum. Der Staat würde auch hier tief in die Tasche greifen müssen. Besser ist doch, die Unter-nehmen zu stützen – in Deutschland u.a. durch Kurzarbeitergeld - und damit Kündigungen weitgehend zu vermeiden.

Die Frage der Staatsverschuldung ist in diesem Fall untergeordnet. Die Fed hat bisher nur 11% der US-Staatsanleihen in ihrem Portfolio, die EZB 22%, die Bank of Japan 50%. Ob man es mag oder nicht: In der aktuellen Situation können die Zentralbanken gar nicht anders handeln, als den Mechanismus der Schuldenübernahme durch Käufe von Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Hypotheken und anderer Wertpapiere auszu-weiten. Geld- und Fiskalpolitik müssen ineinandergreifen.

Es geht darum, eine große Depression nicht entstehen zu lassen.

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Ich wage die Aussage, dass unser - natürlich nicht perfektes - Finanzsystem ausreichend flexibel ist, um diese Phase zu überstehen. Man stelle sich vor, ein Vollgeldsystem wäre eingeführt, Banken könnten keine Kredite schöpfen, Geldmengen könnten nicht ausge-weitet werden. Das wäre jetzt eine Katastrophe.

Ich bin mir sicher, dass die öffentliche Diskussion in der Aufarbeitung der Pandemie auf alle diese Themen kritisch eingehen wird. Aber jetzt brennt es, und jetzt muss etwas getan werden, auch wenn es später Kollateralschäden hervorruft. In einer Phase wie jetzt kann es nur heißen, möglichst flexibel agieren u können.

Selbst Keynes würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, wie sehr die Gren-zen der Volkswirtschaftslehre gesprengt werden. Die Lehrbücher müssen nach der Krise neu geschrieben werden.


© Robert Rethfeld
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