US-Ölpreis ist negativ - Eine Erklärung
21.04.2020 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Ölförderausweitung in Russland und Saudi Arabien hatte bereits zu Beginn des Jahres den Rohölpreis unter starken Abwärtsdruck gesetzt. Vor allem aber die Folgen des weltweiten "Lockdown“ - der politisch verordnete Wirtschaftsstillstand - treffen nun den Markt für Rohöl ganz besonders hart.
Die Förderkürzung, die die "OPEC+" Anfang April ausgehandelt hat (und zwar um 9,7 Millionen Fass pro Tag), reicht nicht aus, um das Überangebot im weltweiten Rohölmarkt abzubauen. Denn die Rohölnachfrage ist geradezu kollabiert (Autoverkehr ist stark verringert, Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafen, Flugzeuge fliegen nicht, Firmen haben die Produktion eingestellt).
Für den Monat April 2020 schätzt die IEA den Rohölnachfragerückgang auf 29 Millionen Fass pro Tag gegenüber dem Vorjahresmonat - was einem Rückfall auf das Nachfrageniveau des Jahres 1995 entspricht.
Ende Januar 2020 kostete die Sorte Brent (spot) noch knapp 58 US$ pro Fass, am 20. April 2020 lag ihr Preis bei nur noch 21,74 US$ pro Fass - ein Preisrutsch von etwa 63 Prozent.
Für besonderes Aufsehen sorgte, dass am 20. April 2020 der Preis für West Texas Intermediate (WTI) - die Benchmark für US-Rohöl - negativ wurde: Er fiel auf sage und schreibe minus 37,63 US$ pro Fass.
Der Grund: Der Mai-Futurekontrakt für WTI wird heute (21. April 2020) fällig. Händler haben gestern Kontrakte verkauft, um die physischen Lieferung zu vermeiden: weil befürchtet wurde, dass Käufer für das Rohöl ausbleiben und daher Kosten für die Lagerung (und hier gibt es bereits Engpässe) entstehen. Daher erschien es Future-Long-Händlern wirtschaftlich(er), die Abnehmer des Rohöls zu bezahlen.
Der Preis des Juni-Futurekontrakts für WTI fiel zwar ebenfalls im Tageshandel stark, blieb aber oberhalb von 20 US$ pro Fass - ein Indiz, dass die Märkte (zumindest derzeit) den Preisverfall als eine vorübergehende Erscheinung einstufen. (Allerdings ist der Terminmarkt, das sollte hier erwähnt werden, nur zu häufig kein verlässlicher Zukunftsschätzer!)
An dieser Stelle ist übrigens zwischen "waterborne“ und "landlocked“ Rohölsorten zu unterscheiden. Erstere werden nahe Wasserwegen gefördert und abgesetzt wie das Nordseeöl Brent, zweitere haben längere Lieferwege zu Wasserwegen wie WTI. Für "landlocked“-Rohöl (aus den USA, Kanada und Russland) werden mittlerweile die Speicherkapazitäten knapp, während "waterborne“-Rohöl immer noch auf Tanker verbracht und gelagert werden kann. Das hat dazu geführt, dass jüngst der Preis für WTI deutlich stärker gefallen ist als der Preis für Brent.
Neben diesen eher "technischen Erklärungen“ des Rohölpreisverfalls drängt sich die Frage auf: Signalisiert der Rohölpreisverfall nicht doch vielleicht ein düsteres Szenario für die Weltwirtschaft, ein Rezessions-Depressions-Szenario?
Das könnte man vielleicht auch im Preisverhältnis zwischen Gold und Rohöl ablesen wollen: Spätestens seit Anfang 2019 entwickeln sich Gold- und Ölpreis auffällig stark auseinander - und haben damit mit einem Jahrzehnte währenden Trend gebrochen.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH
Die Förderkürzung, die die "OPEC+" Anfang April ausgehandelt hat (und zwar um 9,7 Millionen Fass pro Tag), reicht nicht aus, um das Überangebot im weltweiten Rohölmarkt abzubauen. Denn die Rohölnachfrage ist geradezu kollabiert (Autoverkehr ist stark verringert, Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafen, Flugzeuge fliegen nicht, Firmen haben die Produktion eingestellt).
Für den Monat April 2020 schätzt die IEA den Rohölnachfragerückgang auf 29 Millionen Fass pro Tag gegenüber dem Vorjahresmonat - was einem Rückfall auf das Nachfrageniveau des Jahres 1995 entspricht.
Ende Januar 2020 kostete die Sorte Brent (spot) noch knapp 58 US$ pro Fass, am 20. April 2020 lag ihr Preis bei nur noch 21,74 US$ pro Fass - ein Preisrutsch von etwa 63 Prozent.
Für besonderes Aufsehen sorgte, dass am 20. April 2020 der Preis für West Texas Intermediate (WTI) - die Benchmark für US-Rohöl - negativ wurde: Er fiel auf sage und schreibe minus 37,63 US$ pro Fass.
Der Grund: Der Mai-Futurekontrakt für WTI wird heute (21. April 2020) fällig. Händler haben gestern Kontrakte verkauft, um die physischen Lieferung zu vermeiden: weil befürchtet wurde, dass Käufer für das Rohöl ausbleiben und daher Kosten für die Lagerung (und hier gibt es bereits Engpässe) entstehen. Daher erschien es Future-Long-Händlern wirtschaftlich(er), die Abnehmer des Rohöls zu bezahlen.
Der Preis des Juni-Futurekontrakts für WTI fiel zwar ebenfalls im Tageshandel stark, blieb aber oberhalb von 20 US$ pro Fass - ein Indiz, dass die Märkte (zumindest derzeit) den Preisverfall als eine vorübergehende Erscheinung einstufen. (Allerdings ist der Terminmarkt, das sollte hier erwähnt werden, nur zu häufig kein verlässlicher Zukunftsschätzer!)
An dieser Stelle ist übrigens zwischen "waterborne“ und "landlocked“ Rohölsorten zu unterscheiden. Erstere werden nahe Wasserwegen gefördert und abgesetzt wie das Nordseeöl Brent, zweitere haben längere Lieferwege zu Wasserwegen wie WTI. Für "landlocked“-Rohöl (aus den USA, Kanada und Russland) werden mittlerweile die Speicherkapazitäten knapp, während "waterborne“-Rohöl immer noch auf Tanker verbracht und gelagert werden kann. Das hat dazu geführt, dass jüngst der Preis für WTI deutlich stärker gefallen ist als der Preis für Brent.
Neben diesen eher "technischen Erklärungen“ des Rohölpreisverfalls drängt sich die Frage auf: Signalisiert der Rohölpreisverfall nicht doch vielleicht ein düsteres Szenario für die Weltwirtschaft, ein Rezessions-Depressions-Szenario?
Das könnte man vielleicht auch im Preisverhältnis zwischen Gold und Rohöl ablesen wollen: Spätestens seit Anfang 2019 entwickeln sich Gold- und Ölpreis auffällig stark auseinander - und haben damit mit einem Jahrzehnte währenden Trend gebrochen.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH