Die Idee der "Corona-Bonds" überzeugt nicht
25.04.2020 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
“Corona-Bonds“ sind keine überzeugende Idee. Dass über ihre Einführung heftig debattiert wird, zeigt, wie gewaltig die wirtschaftlichen und finanziellen Spannungen im Euroraum heute schon sind.
Die Uneinigkeit zwischen den Euro-Teilnehmerländern steigt. Mit Ausbruch der Coronavirus-Krise ist der Ruf nach der Einführung von "Corona-Bonds" laut geworden: Fortan soll nicht mehr jeder Staat seine eigenen Anleihen ausgeben, sondern die Euro-Staatengemeinschaft soll sich auch durch die Ausgabe einer gemeinsamen Anleihe auf dem Kreditweg Geld beschaffen können. Zuletzt sprachen sich neun der 19 Euro-Länder für Corona-Bonds aus - unter ihnen Italien und Spanien.
Die Befürworter der Corona-Bonds hoffen, auf diese Weise an zusätzliche Kredite mit niedrigen ziehen Zinsen zu kommen und dabei gleichzeitig auch politisch unliebsamen Reformen ausweichen zu können. Diese Länder wollen daher auch keine Kredite vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), weil diese Darlehen an harte Bedingungen gebunden sind (so ist es zumindest auf dem Papier vorgesehen).
Gemeinschaftsanleihen haben für schlechte Schuldner, die zur Emittentengruppe zählen, natürlich den Vorteil, dass ihre Zinskosten gesenkt werden. Zum Nachteil der besseren Schuldner, die nun höhere Zinsen zu zahlen haben im Vergleich zu Ausgabe eigener Anleihen. Verständlich also, dass gute Schuldner sich nur schwer von der Idee der Gemeinschaftsanleihen begeistern lassen.
Die Befürworter der Corona-Bonds favorisieren zudem eine gesamtschuldnerische Haftung. Das heißt, ein Gläubiger kann sich im Fall der Fälle an einen der Schuldner wenden, und der muss für die Gesamtschuld einstehen (und muss nachfolgend zusehen, wie er sich das Geld von den anderen Mitschuldnern im Innenverhältnis wiederbeschaffen kann). Für bessere Schuldner ist es daher nicht attraktiv, eine gesamtschuldnerische Haftung mit schlechten Schuldnern einzugehen.
In der aktuellen "Sondersituation", für die die Coronavirus-Krise sorgt, ist nach Ansicht einiger Corona-Bonds-Befürworter zumindest die vorübergehende Ausgabe dieses Kreditinstruments gerechtfertigt. Doch auch damit sind Probleme verbunden. Denn bei einer einmaligen Ausgabe bleibt es nicht. Vielmehr werden Begehrlichkeiten geweckt - in der Politik, aber auch in den Finanzmärkten -, die Corona-Bonds als dauerhafte Einrichtung zu etablieren wünschen. Es wäre geradezu naiv zu glauben, dass man diesen Geist, wenn er erst einmal aus der Flasche ist, wieder hineinbefördern könnte.
Es ist nicht zu übersehen, dass es für beispielsweise Italien zusehends unerträglich wird, im Euroraum zu verbleiben. Um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und wachstumsfördernde Investitionen anzulocken, müssten die Italiener sich einer Deflation von Preisen und Löhnen unterwerfen. Das aber würde ihre reale Schuldenlast in die Höhe steigen lassen und sehr wahrscheinlich einen Schuldenschnitt erforderlich machen. Politisch ist das ein höchst schmerzlicher Vorgang. Die Alternative dazu ist, dass das Land zu einem chronischen Transfergeldempfänger wird - ein Vorgang, den die Steuerzahler aus den Geberländern vermutlich nicht lange mitmachen werden.
Ein Austritt Italiens aus dem Euroraum ist eine Alternative, die vielleicht vielerorts politisch nicht gewünscht ist, die sich aber wirtschaftlich gesehen nicht mehr lange unter der Decke halten lassen wird. Denn im Grunde findet ja bereits seit Jahr und Tag ein gigantischer Ressourcentransfer innerhalb des Euroraums statt - und zwar über die berühmt-berüchtigten "Target-2-Salden" und vor allem durch die Anleiheaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). Das hat zwar bisher Zahlungsausfälle von Staaten und Banken im Euroraum abgewendet. Aber es hat gleichzeitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Beteiligten erlahmen lassen.
Knappe Ressourcen werden nämlich umgelenkt: aus wirtschaftlich besser gestellten Ländern heraus in die weniger erfolgreichen Länder. Die EZB-Geldpolitik richtet sich an den Bedürfnissen der wirtschaftlich schwachen Länder aus und zementiert dadurch deren Strukturschwächen. In den Ländern, in denen es wirtschaftlich besser geht, entwertet die Null- und Negativzinspolitik der EZB die Ersparnisse und schürt Kapitalfehlallokatio-nen. Das ist ein Weg, durch den der künftige Wohlstand herabgesetzt wird.
Was also soll vor diesem Hintergrund die Einführung von Corona-Bonds nützen? Diese Frage lässt sich ebenfalls stellen mit Blick auf die Akzeptanz, die Target-2-Salden immer weiter anschwellen und die EZB Staatsanleihen kaufen zu lassen. Diese Politik führt die Volkswirtschaf-ten des Euroraums nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Sie führen vielmehr in eine Sackgasse. Wenn die Politiker mit ihrer Euro-Rettung um jeden Preis weitermachen, endet das für die Bürger und Unternehmer im Euroraum ruinös. Es geht also um mehr, als nur um Corona-Bonds zu verhindern.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
Die Uneinigkeit zwischen den Euro-Teilnehmerländern steigt. Mit Ausbruch der Coronavirus-Krise ist der Ruf nach der Einführung von "Corona-Bonds" laut geworden: Fortan soll nicht mehr jeder Staat seine eigenen Anleihen ausgeben, sondern die Euro-Staatengemeinschaft soll sich auch durch die Ausgabe einer gemeinsamen Anleihe auf dem Kreditweg Geld beschaffen können. Zuletzt sprachen sich neun der 19 Euro-Länder für Corona-Bonds aus - unter ihnen Italien und Spanien.
Die Befürworter der Corona-Bonds hoffen, auf diese Weise an zusätzliche Kredite mit niedrigen ziehen Zinsen zu kommen und dabei gleichzeitig auch politisch unliebsamen Reformen ausweichen zu können. Diese Länder wollen daher auch keine Kredite vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), weil diese Darlehen an harte Bedingungen gebunden sind (so ist es zumindest auf dem Papier vorgesehen).
Gemeinschaftsanleihen haben für schlechte Schuldner, die zur Emittentengruppe zählen, natürlich den Vorteil, dass ihre Zinskosten gesenkt werden. Zum Nachteil der besseren Schuldner, die nun höhere Zinsen zu zahlen haben im Vergleich zu Ausgabe eigener Anleihen. Verständlich also, dass gute Schuldner sich nur schwer von der Idee der Gemeinschaftsanleihen begeistern lassen.
Die Befürworter der Corona-Bonds favorisieren zudem eine gesamtschuldnerische Haftung. Das heißt, ein Gläubiger kann sich im Fall der Fälle an einen der Schuldner wenden, und der muss für die Gesamtschuld einstehen (und muss nachfolgend zusehen, wie er sich das Geld von den anderen Mitschuldnern im Innenverhältnis wiederbeschaffen kann). Für bessere Schuldner ist es daher nicht attraktiv, eine gesamtschuldnerische Haftung mit schlechten Schuldnern einzugehen.
In der aktuellen "Sondersituation", für die die Coronavirus-Krise sorgt, ist nach Ansicht einiger Corona-Bonds-Befürworter zumindest die vorübergehende Ausgabe dieses Kreditinstruments gerechtfertigt. Doch auch damit sind Probleme verbunden. Denn bei einer einmaligen Ausgabe bleibt es nicht. Vielmehr werden Begehrlichkeiten geweckt - in der Politik, aber auch in den Finanzmärkten -, die Corona-Bonds als dauerhafte Einrichtung zu etablieren wünschen. Es wäre geradezu naiv zu glauben, dass man diesen Geist, wenn er erst einmal aus der Flasche ist, wieder hineinbefördern könnte.
Es ist nicht zu übersehen, dass es für beispielsweise Italien zusehends unerträglich wird, im Euroraum zu verbleiben. Um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und wachstumsfördernde Investitionen anzulocken, müssten die Italiener sich einer Deflation von Preisen und Löhnen unterwerfen. Das aber würde ihre reale Schuldenlast in die Höhe steigen lassen und sehr wahrscheinlich einen Schuldenschnitt erforderlich machen. Politisch ist das ein höchst schmerzlicher Vorgang. Die Alternative dazu ist, dass das Land zu einem chronischen Transfergeldempfänger wird - ein Vorgang, den die Steuerzahler aus den Geberländern vermutlich nicht lange mitmachen werden.
Ein Austritt Italiens aus dem Euroraum ist eine Alternative, die vielleicht vielerorts politisch nicht gewünscht ist, die sich aber wirtschaftlich gesehen nicht mehr lange unter der Decke halten lassen wird. Denn im Grunde findet ja bereits seit Jahr und Tag ein gigantischer Ressourcentransfer innerhalb des Euroraums statt - und zwar über die berühmt-berüchtigten "Target-2-Salden" und vor allem durch die Anleiheaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). Das hat zwar bisher Zahlungsausfälle von Staaten und Banken im Euroraum abgewendet. Aber es hat gleichzeitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Beteiligten erlahmen lassen.
Knappe Ressourcen werden nämlich umgelenkt: aus wirtschaftlich besser gestellten Ländern heraus in die weniger erfolgreichen Länder. Die EZB-Geldpolitik richtet sich an den Bedürfnissen der wirtschaftlich schwachen Länder aus und zementiert dadurch deren Strukturschwächen. In den Ländern, in denen es wirtschaftlich besser geht, entwertet die Null- und Negativzinspolitik der EZB die Ersparnisse und schürt Kapitalfehlallokatio-nen. Das ist ein Weg, durch den der künftige Wohlstand herabgesetzt wird.
Was also soll vor diesem Hintergrund die Einführung von Corona-Bonds nützen? Diese Frage lässt sich ebenfalls stellen mit Blick auf die Akzeptanz, die Target-2-Salden immer weiter anschwellen und die EZB Staatsanleihen kaufen zu lassen. Diese Politik führt die Volkswirtschaf-ten des Euroraums nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Sie führen vielmehr in eine Sackgasse. Wenn die Politiker mit ihrer Euro-Rettung um jeden Preis weitermachen, endet das für die Bürger und Unternehmer im Euroraum ruinös. Es geht also um mehr, als nur um Corona-Bonds zu verhindern.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH