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Kriminelle Intelligenz und Inflation

06.06.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Zentralbankräte ermöglichen einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem den Fortbestand, das bei offener Darlegung der Dinge vermutlich keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte.

Im Januar 1923, einige Monate bevor die deutsche Papiermark im Orkan der Hyperinflation unterging, schrieb der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973):

"Wir sahen, daß eine Regierung sich immer dann genötigt sieht, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzu schnell klar enthüllen.

So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmittel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht. Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht."


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Der Eindruck, jetzt ist es wieder soweit, drängt sich auf, blickt man auf die Geldpolitiken weltweit: Der Wirtschaftszusammenbruch, den der politisch diktierte "Lockdown" verursacht hat, wird mit dem Anwerfen der elektronischen Notenpresse "bekämpft". Denn das Geld, das die Regierungen den Arbeitslosen und strauchelnden Firmen und Banken auszahlen wollen, haben sie nicht, und sie können es sich durch Steuern oder Anleiheemissionen im Kapitalmarkt auch nicht beschaffen. Deshalb setzt man ungeniert die Inflationspolitik ein: Obwohl die Wirtschaftsleistung drastisch eingebrochen ist, wird die Menge des Geldes ausgeweitet.

In den Vereinigten Staaten von Amerika wächst die Geldmenge M1 bereits mit 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die Geldmenge M2 mit 23 Prozent. Im Euroraum zeigen sich ebenfalls die Anfänge der Geldmengenvermehrung: Die Euro-Geldmenge M1 steigt um knapp 12 Prozent, M3 um gut 8 Prozent.

Ein inflationärer Geldüberhang baut sich auf. Je größer die Lücke zwischen Geldmenge und Produktion ist, desto stärker ist der Aufwärtsdruck auf die Güterpreise. Derzeit dürfte der Geldüberhang in den USA bei ungefähr 40 Prozent liegen - und stellt damit einen Rückgang der Kaufkraft des Greenbacks um etwa 30 Prozent in Aussicht, der im Laufe der Zeit vermutlich in einer Kombination aus Konsumgüter- und Vermögenspreisinflation zutage treten wird.

Die Entwicklungen im Euroraum deuten ganz ähnliches an. Die bange Frage ist: Wie schlimm kann die Geldentwertung noch werden? US-Dollar, Euro und Co repräsentieren ungedecktes Geld, und das kann bekanntlich im Extremfall seine Kaufkraft völlig verlieren - wie die leidvolle Währungs-geschichte schon so häufig gezeigt hat.

Wenn die Menschen das Vertrauen in das Geld verlieren, wird es haarig. Das ist dann der Fall, wenn sich die Erwartung einstellt, die Geldmenge werde mit immer höheren Raten zunehmen, das werde kein Ende mehr finden. Bewahrheitet sich die Erwartung, kommt es zur Hyperinflation. Die "Flucht aus dem Geld" setzt ein. Niemand möchte mehr Geld halten, jeder ist bemüht, es gegen Sachgüter aller Art einzutauschen. Die Güterpreise steigen ins Unermessliche, die Kaufkraft des Geldes verfällt. Das aber ist ein Extremszenario.

Es gibt nämlich auch Beispiele, die zeigen, dass die Geldentwertung vom Staat und den von ihm begünstigten Interessengruppen dauerhaft als Bereicherungs- und Umverteilungspolitik betrieben werden konnte, ohne dass das zur Hyperinflation geführt hätte - etwa die "finanzielle Repression" in den USA von 1942 bis 1951 oder die weltweite "Große Inflation" von etwa 1965 bis Anfang der 1980er Jahre.

Eine Inflationspolitik bietet recht weit gespannte Möglichkeiten, bevor sie explosiv wird. Ganz entscheidend ist dabei, wie gewieft die Zentralbankräte ihre "kriminelle Intelligenz" einsetzen. Gelingt es ihnen, die Zweifel an der Werthaltigkeit des Geldes zu zerstreuen beziehungsweise im Zaume zu halten, können sie ungestraft die Geldmenge ausweiten und den Staat und seine Begünstigten finanziell über Wasser halten. Wenn beispielsweise die Öffentlichkeit glaubt, die starke Geldmengenvermehrung sei nur eine "einmalige Sache", dann lässt sich der Geldwert herabsetzen, ohne dass die Menschen vollends aus dem Geld fliehen.

Besonders ausgekochten Zentralbankräten kann es gelingen, einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem den Fortbestand zu ermöglichen, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte.

Zu meinen, dass sich das ungedeckte Papiergeld notwendigerweise durch die aktuelle Politik der Geldmengenvermehrung selbst entzaubert und untergeht, ist zwar nicht unbegründet, mutet aber optimistisch an. Denn die Beharrungskräfte des ungedeckten Geldsystems sind gewaltig, die Mehrheit hat sich an ihm festgeklammert, so dass das Szenario eines Schreckens ohne Ende doch immer noch wahrscheinlicher zu sein scheint als das Szenario eines Endes mit Schrecken.

Eines hingegen ist so gut wie sicher: Der Geldwert wird kräftig schwinden. Daher vertraut man besser nicht US-Dollar, Euro und Co, sondern legt seine Ersparnisse in Sachgütern an: die liquiden Mittel in Gold und Silber, die langfristigen Mittel Aktien und Immobilien. Denn leider ist es jetzt wieder einmal so weit: Regierende und auch viele Regierte glauben fest, dass es vorteilhafter sei, größeren Übeln durch das kleinere Übel der Inflation entgegenzutreten.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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