Gold - Trotz kurzfristigen Erholungen ist die Korrektur noch nicht ausgestanden
30.09.2020 | Florian Grummes
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Schon im Frühjahr hatte die Europäische Zentralbank übrigens das "Pandemie-Notfall-Kaufprogramm" (PEPP) aufgesetzt, um die Folgen der Corona Krise abzufedern. Zuletzt sind aufgrund des auf ausgeweiteten 1,35 Bio. EUR Rahmens aber die altbekannten politischen Spaltungen innerhalb der EZB wieder deutlich und in aller Öffentlichkeit aufgebrochen. Da die EZB im Frühjahr italienische Anleihen stärker als die der anderen Länder aufgekauft hatte, steht der berechtigte Vorwurf einer Schuldenunion wieder im Raum. Schließlich sollte die Finanzierung des EU-Haushalts durch Schulden eine klar begrenzte Krisenmaßnahme bleiben und nicht die Tür für eine kontinuierliche Kreditaufnahme durch die EU öffnen. Nun wollten die Falken in der EZB auch das Tempo der PEPP-Käufe stillschweigend reduzieren.
© Holger Zschaepitz @Schuldensuehner, 27. September 2020
Unterdessen geht das größte Geldexperiment der Geschichte aber weltweit ungehindert und ungeniert weiter. Wann wird der Punkt erreicht, an dem das Vertrauen in die Zentralbanken zusammenbricht, weil einfach zu viel Währung aus dem Nichts erzeugt wurde? Aktuell führt die Schweizer Nationalbank mit einer Bilanzsumme in Höhe von 150% des Bruttoinlandsprodukts das Rennen knapp vor der japanischen Zentralbank (140%) an. Dagegen nehmen sich die EZB-Bilanz mit 54,5% und die Fed-Bilanz mit 36,4% noch verhältnismäßig überschaubar aus und lassen befürchten, dass in diesen beiden Währungszonen weitere gewaltige Bilanz-Ausweitungen erst noch bevorstehen!
Da also weltweit alle Notenbanken ständig eine übermäßig expansive Geldpolitik betreiben, während gleichzeitig alle Wirtschaftsräume von einer Rezession in der jeweiligen Realwirtschaft hart getroffen sind, schreitet der Vertrauensverlust in das jeweilige Zentralbankgeld täglich weiter voran. Das alles führt langsam, aber sicher zu steigenden und irgendwann dann auch unkontrollierten Inflationserwartungen.
Für den Goldpreis sind diese andauernden Geldmengenausweitungen natürlich der ideale Nährboden. Insofern kann schon jetzt mit extrem hoher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die laufende Korrektur nur eine Korrektur im übergeordneten Bullenmarkt sein wird. Kursprognosen von 1.000 USD und tiefer sind daher vollkommen unseriös und nur bei einem kompletten deflationären Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte überhaupt vorstellbar.
Gleichzeitig müssen wir uns aber ehrlich und nüchtern klar machen, dass der Goldpreis aktuell einen 915 USD Anstieg innerhalb von zwei Jahren sowohl über den Preis als auch über die Zeit verdauen und korrigieren muss.
Selbst wenn die Bären am Goldmarkt nur vorübergehend ein Drittel der verlorenen Strecke zurückgewinnen könnten, würde das bereits einen Preisrückgang in Richtung 1.770 USD bedeuten. Zeitlich betrachtet würde eine Minimal-Korrektur ungefähr fünf bis sieben Monate laufen. Wenn wir dies zu einem "best case" kombinieren, lassen sich bis in den Dezember hinein Kurse leicht unterhalb von 1.800 USD erwarten.
Das "worst case" Szenario sähe hingegen sogar mindestens "zwei Drittel Preisabschlag" vor, womit dann im Bereich um 1.465 USD das Corona-Tief (1.451 USD) nochmal gesehen werden würde. Zeitlich müssten wir uns in diesem Szenario wohl auf eher ein- bis anderthalb Jahre Korrektur einstellen.
Technisch betrachtet ist zumindest ein Rücklauf an die steigende 200-Tagelinie (1.726 USD) extrem wahrscheinlich. Je schneller es dazu kommen soll, umso tiefer müsste der Goldpreis aktuell fallen. Zieht sich die Korrektur jedoch aufgrund von Gegenbewegungen zeitlich in die Länge hin, dürfte der gleitende Durchschnitt zwischenzeitlich in höhere Gefilde gestiegen sein.
Sicher erscheint eigentlich nur, dass erst Kurse um und insbesondere unterhalb von 1.800 USD für Angst und Panik im Goldmarkt sorgen dürften. Sobald es dazu kommt, wäre das Sentiment wieder bereinigt und eine antizyklische Einstiegschance würde sich präsentieren.
Zusammengefasst ist auf Sicht der kommenden fünf Wochen und vermutlich auch bis in den Dezember hinein mit einem eher schwierigen Umfeld für die Edelmetalle zu rechnen. Nach der epischen Rally in diesem Sommer müssen erstmal alle schwachen Hände von Bord gespült werden. Gleichzeitig wartet aber viel ungeduldiges Geld an der Seitenlinie, welches zu tieferen Kursen in den Goldmarkt drängt und die vermutlich "letzte tiefe Kaufchance" nicht verpassen möchte.
Ab Mitte November könnten dann aber das „tax loss selling“ vorübergehend für zusätzlichen Druck im Sektor sorgen, denn trotz der gewaltigen Anstiege auf Jahressicht dürften sich hier so ziemlich alle in die Edelmetall-Aktien getätigten Käufe der letzten zweieinhalb Monate unter Wasser befinden. Wenn Gold noch eine oder zwei Etagen tiefer korrigieren sollte, werden die Kleinanleger diese Positionen im Verlust glattstellen.
Im ganz großen Bild geht der Crack-Up-Boom natürlich weiter und der Vertrauensverlust in die jeweilige Währung wird sich weltweit beschleunigen. Schon im nächsten Jahr sind daher neue Allzeithochs beim Gold und auch beim Silber denkbar und realistisch!
© Florian Grummes
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