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Die westliche Welt verliert ihr Fundament, dem sie ihren Erfolg zu verdanken hat

23.10.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Umsturz durch Inflation

Wird die Geldmengenausweitung verlangsamt, oder werden die Zinsen auf normale Niveaus zurückgeführt, tritt das ein, was die inflationäre Geldpolitik zu verhindern trachtete: den Kollaps des Finanz- und Wirtschaftssystems. Wenn jedoch an der inflationären Geldpolitik festgehalten wird, werden früher oder später auch die Preise der Lebenshaltung, die die breite Bevölkerung zu bezahlen hat, steigen und viele Menschen in wirtschaftliche Bedrängnis und Not bringen. Zu befürchten ist dann, dass, wie schon so häufig in der Vergangenheit, "antikapitalistische Kräfte" besonderen Auftrieb bekommen: Sie schieben die steigenden Güterpreise dem System der freien Märkte in die Schuhe.

Es wird lauthals gefordert, der Staat müsse dem Einhalt gebieten. Etwa durch Preiskontrollen und Subventionszahlungen (für Miete, Fahrtkosten etc.). Man ruft nach dem Staat, der Höchstpreise für Lebensmittel, Mieten und Energie festlegen soll. Liegen die Höchstpreise unter dem markträumenden Preisen, nimmt jedoch das Güterangebot ab, die Versorgungslage verschlechtert sich - und das wiederum eröffnet den Politikern und Sonderinteressengruppen neue Möglichkeiten, immer stärker in das Marktsystem einzugreifen. Nicht nur Geldwertschwund und Zwangsumverteilung sind also das Ergebnis der Preisinflation.

Sie zersetzt auch die freie Wirtschaft und Gesellschaft (beziehungsweise das, was von ihr noch übrig ist), treibt die Menschen einer Lenkungs- beziehungsweise Kommandowirtschaft entgegen.

Nicht zuletzt ist die fortgesetzte Geldmengenausweitung - insbesondere wenn sie die Preisinflation sichtbar und fühlbar in die Höhe treibt - ein Gefahr für die Demokratie (im Sinne der Selbstbestimmung der Bürger). Inflation ermöglicht es den Regierungen, die Wähler über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse hinwegzutäuschen. Dadurch werden Politiken möglich, die die Wähler bei klarer Darlegung der Dinge nicht akzeptieren würden.

Hinzu kommt, dass eine um sich greifende Inflation (in Form der Geldmengenausweitung, die zu Güterpreisanstieg führt) wenige Gewinner und viele Verlierer schafft und auf diese Weise zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen und politischen Miteinanders sorgt. Inflation ist so gesehen der Nährboden für Konflikte und radikale Politiken.

Gerade Befürworter radikaler gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche erblicken in der Inflationspolitik ein probates Mittel, um ihre Pläne zu realisieren. Die politische Unabhängigkeit der Zentralbankräte ist da nur ein unzureichender Schutzwall. Zentralbanken und ihr Personal werden vereinnahmt durch den politischen Zeitgeist. Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 haben sich die Ziele der Geldpolitik verschoben. An erster Stelle steht nicht mehr die niedrige Inflation, sondern die Finanzierung strauchelnder Staaten und Banken.

Vor die Wahl gestellt, den Geldwert zu erhalten oder Staaten und Banken vor dem Zahlungsausfall zu bewahren, werden die Zentralbanken sich für zweiteres, nicht für ersteres entscheiden.

Gelingt es nicht, das Vordringen marktfeindlicher Ideen zurückzudrängen, den Staat zu entmachten und zu verkleinern, kommen Freiheit und Wohlstand in der westlichen Welt immer stärker unter die Räder. Schwindet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, werden schwere gesellschaftliche Streitigkeiten heraufbeschworen. Wirtschaftswachstum sorgt nicht nur für steigenden materiellen Wohlstand, es senkt auch gesellschaftliche Konflikte: Wenn der Kuchen größer wird, werden alle besser gestellt, auch wenn ihr Anteil am Kuchen gleich bleibt - im Vergleich zur Situation, in der der Kuchen nicht wächst oder schrumpft, weil jeder sich dann nur noch besser stellen kann auf Kosten anderer.


Folgen für die Kapitalanlage

Der fortschreitende Abschied der westlichen Welt von ihrem Fundament, das ihr Wohlstand und Frieden gebracht hat, ist für den Kapitalmarktinvestor noch nicht wirklich spürbar geworden. Im Gegenteil: Dank der inflationären Geldpolitiken konnten sich die Anleger in Aktien, Anleihen und Häusern sogar auf der Gewinnerseite wähnen. Doch das wird sich ändern. Der Markt für Schuldpapiere lässt sich bereits nicht mehr viel weiter inflationieren: Die Kapitalmarktzinsen sind nahe null oder zuweilen auch schon unter null Prozent; in realer Rechnung sind sie bereits negativ.

Die Aktien- und Häuserpreise inflationieren zwar noch weiter, aber früher oder später wird auch hier Ernüchterung einsetzen. Ohne tatsächlichen wirtschaftlichen Fortschritt entzaubert sich auch eine noch so ausgeklügelte Inflationspolitik der Zentralbanken als selbstzerstörerischer Hokus Pokus. Kurzum: Die Luft wird zweifelsohne enger für alle, die noch darauf hoffen, durch Kapitalmarktinvestments positive Renditen erzielen zu können, wenn die westliche Welt sich nicht abkehrt vom eingeschlagenen Kurs: die freie Marktwirtschaft abzutöten und die Staatswirtschaft voranzutreiben; das wird die Menschheit nicht reicher und friedvoller, sondern ärmer und konfliktbeladener machen.

Bei einer Sache sollte der Anleger sich keiner Illusion hingeben: beim Geld. Die Kaufkraft von US-Dollar Euro und Co wird in den kommenden Jahren weiter und verstärkt schwinden. Denn selbst wenn die westliche Welt zurückfinden sollte zu ihrem Fundament, das ihren wirtschaftlichen und kulturellen Erfolg möglich gemacht hat, sind die bereits aufgelaufenen wirtschaftlichen und politischen Schäden so groß, dass sich eine große Kaufkraftentwertung der offiziellen Währungen wohl nicht mehr abwenden lässt.

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© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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