Der Verbund zwischen Futuresmarkt und physischem Markt
28.02.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Jetzt kommen die Future-Märkte ins Spiel. Gehen Investoren/ Spekulanten einen Silber-Future short, so entspricht das ökonomisch gesehen einer Erhöhung des Silberangebots im Markt. Wenn sie Silber-Future long gehen, so bedeutet das eine Erhöhung der Silbernachfrage. Daher gilt:Silberangebot = Silber-Future short beziehungsweise
Silbernachfrage = Silber-Future long.
Silbernachfrage = Silber-Future long.
Wer einen Silber-Future short geht, der setzt auf fallende Preise, und wer einen Silber-Future long geht, der rechnet mit steigenden Preisen. Abb. 3 zeigt die Wirkung einer Ausweitung der Silber-Future Short-Positionen auf Preis und Menge: Der gleichgewichtige Preis sinkt, die gleichgewichtige Menge steigt. In Abb. 2 entsprach der Mengenzuwachs (X1 - X0) einer tatsächlichen Ausweitung der physischen Silbermenge. In Abb. 3 ist der Mengenzuwachs hingegen lediglich (und im wahrsten Sinne des Wortes) "auf dem Papier".
Abb. 3: Future short im Silbermarkt
Wenn Investoren/Spekulanten Silber-Future long gehen, ist das gleichbedeutend mit einem Anstieg der Silbernachfrage (Abb. 4). Es kommt (ausgehend von der Situation, die in Abb. 1 abgebildet ist) zu einem Anstieg des gleichgewichtigen Preises (von P0 auf P2) und einer Erhöhung der gleichgewichtigen Menge (von X0 auf X1). Der Mengenanstieg ist hier ebenfalls nur auf dem Papier, er ist nicht unterlegt von einem Anstieg der physischen Handelsmenge.
Abb. 4: Future long im Silbermarkt
Diese sehr einfachen Überlegungen sollten das Folgende deutlich gemacht haben: Die Future-Märkte können einen (ganz erheblichen) Einfluss auf die Preisbildung im physischen Markt haben: Von zentraler Bedeutung ist dabei natürlich die Austausch- beziehungsweise Substitutionsbeziehung, die zwischen der physischen Ware und den Futures-Kontrakten vorherrscht.
Wenn die Marktakteure Silberpositionen, die sie in Futures-Kontrakten eingehen, genauso gut und wertig ansehen wie die physische Ware, dann ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass die Geschehnisse in den Futures-Märkten die Preisbildung im Silbermarkt stark beeinflussen beziehungsweise "diktieren".
Wenn hingegen Future-Positionen nicht länger als gleichwertiger Ersatz für physische Ware angesehen werden, nimmt die Bedeutung der Futures-Märkte für die Preisbildung auf dem physischen Markt ab. Im Extremfall, wenn die Marktakteure auf physische Ware setzen, also dem "Papiersilber" den Rücken kehren, würde der Futures-Markt bedeutungslos für die Preisbildung im Markt für Silber.
An dieser Stelle sollen noch drei weitere Aspekte angeführt werden, die dafür sprechen könnten, dass die Futures-Märkte mittlerweile ein "Eigenleben" führen:
(1) Wenn die Zinsen sehr gering sind, und professionelle Investoren leichten Zugang zu Kredit haben, dann ist es wahrscheinlich, dass verstärkt spekulative Positionen in den Futures-Märkten eingegangen werden: Die Spekulation wird kostengünstig(er) aufgrund niedriger Zinsen, und es wird einfacher, große Volumina darzustellen (aufgrund der üppigen Kreditfinanzierungsmöglichkeiten).
(2) Wenn die Marktakteure der Auffassung sind, Futures-Positionen seien ein perfekter Ersatz für physische Ware (oder noch vorteilhafter, weil einfacher zu handhaben), dann kann das ebenfalls das Positions- und Handelsvolumen in den Futures-Märkten in die Höhe treiben. In diesem Falle büßen die Bedingungen im physischen Markt tendenziell ihre Bedeutung für die Preisbildung des Edelmetalls ein. (Solange jedoch die Möglichkeit besteht, dass Futures-Positionen am Laufzeitende zu einer Auslieferung des physischen Materials führen, ist eine vollständige Abkopplung der Preisbildung von den physischen Marktkonditionen nicht denkbar.)
(3) Vielen Finanzprodukten, die "auf Silber lauten" - wie zum Beispiel Silber-Zertifikate - liegen Derivate, vor allem Silber-Futures, zugrunde, nicht aber physisches Silber. Solange derartige Produkte als "Ersatz" für physische Ware angesehen werden, wird die "Preissetzungsmacht" für das Silber verstärkt auf die Futures-Märkte verschoben. Anleger sollten sich jedoch bewusst sein, dass das Risikoprofil des "Papier-Silbers" ein gänzlich anderes ist als das des physischen Silbers.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH