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Erst Geldmengenausweitung, dann Preisinflation

08.05.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Abb. 3 zeigt das Jahreswachstum der Euro-Geldmenge M3 in Prozent, zusammen mit der Jahresinflation der Konsumgüterpreise und der Häuserpreise. Man erkennt durch die "Methode des genauen Hinschauens", dass alle drei Zeitreihen positiv und relativ eng miteinander verbunden waren. ¹ Aus der Betrachtung der Zeitreihen lässt sich schlussfolgern: Je höher also das Geldmengenwachstum ausfiel, desto höher waren die Preissteigerungen (und umgekehrt). Mit anderen Worten: Die Geldmengenausweitung scheint die Richtung und auch Intensität der Veränderung der Konsumgüter- und Häuserpreise bestimmt zu haben.

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Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. (1) Häuserpreise ab Q3 1981, Quartalsdaten, interpoliert.


Seit Anfang 2020 hat die Geldmengenausweitung merklich zugelegt. Das spricht für eine Zunahme der Preissteigerungsraten bei den Gütern. Die historische Erfahrung legt ein Ansteigen der Häuserpreisinflation nahe, aber auch ein verstärkter Anstieg der Konsumgüterpreise ist durchaus denkbar. In jedem Fall ist mit einer beschleunigten Abnahme der Euro-Kaufkraft zu rechnen. Der aufgelaufene "preistreibende Geldüberhang" betrug Ende 2020 schätzungsweise zwischen 12 und 18 Prozent. Das heißt, die aufgelaufene "überschüssige Geldmenge" hat das Potenzial, die Güterpreise um 12 bis 18 Prozent einmalig in die Höhe zu treiben, die Kaufkraft des Euro in gleicher Höhe herabzusetzen.


Fluch der Geldmengenausweitung

Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob die Preisinflation nicht noch höher ausfallen könnte. Denn die EZB hat sich ins Schlepptau der Euro-Staaten begeben, sie finanziert bereitwillig die öffentlichen Defizite mit der elektronischen Notenpresse. Das für sich genommen spricht für erhöhte Preisinflation. Die Ausgaben der Staaten sind in der Regel von geringer Produktivität, so dass eine wachsende Geldmenge einhergeht mit einem geringen Güteraustoß. Vor allem aber gewöhnen sich der Staat und auch die Wirtschaft an die Geldmengenflut. Einmal begonnen, lässt sich die Politik der übermäßigen Geldmengenausweitung nur sehr schwer wieder einfangen.

Beispielsweise bleibt ein Konjunkturaufschwung, der mit neu geschaffenem Geld angestoßen wurde, nur dann im Gange, wenn auch der Geldstrom in die Volkswirtschaft munter weiterfließt. Er wird hingegen zwangsläufig ins Wanken geraten, wenn die Kredit- und Geldmengenausweitung sich abschwächt oder gar zum Erliegen kommt. Denn dann entzaubert sich die monetäre Illusion.

Die Erwartungen der Marktakteure erfüllen sich nicht, werden enttäuscht. Das Konjunkturgebäude fällt in sich zusammen - mit allen wirtschaftlichen und sozial-politischen Folgewirkungen: Firmen- und Bankenpleiten, Arbeitslosigkeit, leere Staatskassen. Die Neigung, einen mit Geld angetriebenen "Boom" mit immer mehr neuem Geld in Gang zu halten, hat der Ökonom Fritz Machlup (1902-1983) wie folgt formuliert:

"Die Prosperität kann eine Zeitlang andauern. Sie dauert so lange, als es möglich ist, die Schaffung zusätzlicher Kaufkraft immer weiter fortzusetzen. Eines Tages muß es sich dann zeigen, daß es mit der Ausdehnung des Notenbankkredits nicht mehr weiter gehen kann, sei es dadurch, daß die Bevölkerung das sich entwertende Geld ablehnt, sei es, daß das Bewußtsein von der übermäßigen Inanspruchnahme von Kredit dem allzu großen Optimismus ein Ende setzt. Was dann nachfolgt, wissen alle. Es ist die Krise mit ihrer Katastrophenstimmung, mit den Verlusten, Schleuderverkäufen, Konkursen und dem Offenbarwerden einer furchtbaren Verarmung."

Es ist offenkundig, dass, vor die Wahl gestellt, die Staatshaushalte mit neuem Geld zu versorgen oder die Preisinflation zu verhindern, die Zentralbankräte sich im Zweifelsfall für ersteres und damit gegen zweiteres entscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass eine steigende Preisinflation den Regierenden (und den Sonderinteressengruppen, die sie für ihre Zwecke einzuspannen wissen) angesichts der gewaltigen Schuldenlasten durchaus willkommen ist. Die Preisinflation entwertet die Kaufkraft des Geldes, und dadurch werden die Schulden, die in Geld ausgewiesen sind, real herabgesetzt. Der Staat entschuldet sich folglich auf Kosten der Gläubiger.

Vor diesem Hintergrund ist zudem zu bedenken, dass die Preisinflation - wenn sie nicht zu stark ausfällt - den Regierenden neue Spielräume erschließt, um in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben einzugreifen. Beispielsweise können sie Höchstpreise ("Mietdeckel") oder auch Preisstopps erlassen oder zu Mengenrationierungen greifen. Derartige Eingriffe ermächtigen den Staat auf Kosten der bürgerlichen und unternehmerischen Freiheiten, und das gefällt natürlich Politikern und Bürokraten. Anders gesagt: Die Sorge, dass der politische Konsens, die Güterpreisinflation (also die Entwertung der Euro-Kaufkraft) niedrig zu halten, sich schleichend auflöst, ist so gesehen alles andere als unbegründet.

Auf den Rohstoffmärkten zeigen sich bereits drastische Verteuerungen - wie zum Beispiel bei Baumaterialien (Betonstahl, Holz, Dämmstoffen etc.) und Nahrungsrohstoffen. Dieser Preisanstieg steht natürlich in Verbindung mit der politisch diktierten Lockdown-Krise der vergangenen Monate; er resultiert beispielsweise aus Produktions- und logistischen Lieferengpässen. Es ist zu befürchten, dass der starke Anstieg der Güterpreise, der bisher auf einige Marktsegmente begrenzt ist, in die Breite geht, weil die Zentralbanken die Geldmengen extrem stark ausweiten; und eine wachsende Geldmenge - das dürfte deutlich geworden sein - treibt die Güterpreise in die Höhe, entwertet die Kaufkraft des Geldes.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Der Korrelationskoeffizient zwischen Geldmengenwachstum und Inflation der Konsumgüterpreise von Januar 1971 bis März 2021 beträgt 0,72, der für das Geldmengenwachstum und die Häuserpreise von Q3 1981 bis Q3 2020 0,63.


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