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Die Interventionismus-Falle. Und wie wir ihr entkommen können

04.07.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Für viele ist dieser unheilvolle Weg vermutlich nicht so einfach erkennbar. Friedrich August von Hayek (1899-1992) hatte ihn jedoch vor Augen. Er schrieb schon 1960, dass "der Sozialismus als bewußt anzustrebendes Ziel zwar allgemein aufgegeben worden ist, es aber keineswegs sicher ist, daß wir ihn nicht doch errichten werden, wenn auch unbeabsichtigt.

Die Neuerer, die sich auf die Methoden beschränken, die ihnen jeweils für ihre besonderen Zwecke am wirksamsten scheinen, und nicht auf das achten, was zur Erhaltung eines wirksamen Marktmechanismus notwendig ist, werden leicht dazu geführt, immer mehr zentrale Lenkung der wirtschaftlichen Entscheidungen auszuüben (auch wenn Privateigentum dem Namen nach erhalten bleiben mag), bis wir gerade das System der zentralen Planung bekommen, dessen Errichtung heute wenige bewußt wünschen.

Außerdem finden viele der alten Sozialisten, daß wir schon so weit auf den Zuteilungsstaat zugetrieben sind, daß es jetzt viel leichter scheint, in dieser Richtung weiter zu gehen, als auf die etwa in Mißkredit geratene Verstaatlichung der Produktionsmittel zu drängen. Sie scheinen erkannt zu haben, daß sie mit einer verstärkten staatlichen Beherrschung der nominell privat gebliebenen Industrie jene Umverteilung der Einkommen, die das eigentliche Ziel der sensationelleren Enteignungspolitik gewesen war, leichter erreichen können." ⁴

Hayeks Worte erhellen einen Aspekt, den die klassischen Kritiker des Interventionismus nur allzu leicht übersehen: Dass nämlich die Befürworter des Interventionismus keineswegs nur ökonomisch Unkundige sind, sondern dass sich unter ihnen sehr wohl auch - und vielleicht vor allem auch - Personen befinden, die den Interventionismus gezielt einsetzen, um den Sozialismus heimlich, schrittweise, nach und nach durch die Hintertür einzuführen. ⁵

Das gilt aktuell beispielsweise für die Befürworter, die die Volkswirtschaften der westlichen Welt einer "Großen Transformation", einem "Großen Neustart" unterziehen wollen. Hinter diesem Plan verbergen sich im Interventionismus-Sozialismus tief verwurzelte Ideen: Ideen also, denen zufolge die Menschen ihr Leben nicht selbstbestimmt in einem System der freien Märkte gestalten, sondern von zentraler Stelle gesteuert, gelenkt, beherrscht werden sollen.

Möglich wird das vor allem auch durch ökonomische Lehren, die die Konsequenzen des Interventionismus entweder verkürzt darstellen oder fehleinschätzen (weil ihre Vertreter unkundig sind) oder geflissentlich verschweigen (weil ihre Vertreter den nach Macht und Herrschaft strebenden Gruppen besonders gut gefallen wollen).


IV.

Die westliche Welt ist in den letzten Jahrzehnten immer tiefer in die Interventionismusfalle geraten, das ist unübersehbar, und es ist auch keine Zufälligkeit - wenn man um die Gesetzmäßigkeit des Interventionismus weiß.

Die drängende Frage für alle, die die Freiheit des Individuums und Wohlstand der Gesellschaft anstreben, lautet nun jedoch: Wie kann man der Interventionismusfalle entkommen?

Die Antwort kann einfach und klar ausfallen: Man muss den Staat (wie wir ihn heute kennen) auf das Stärkste einzuschränken suchen.

Ein Weg dahin ist, die großen politischen Staatseinheiten in viele kleine politische Einheiten aufzuspalten, die Menschen in den einzelnen Regionen, wenn sie es wünschen, in die Selbstbestimmung zu entlassen.

In kleinen politischen Einheiten muss der Staat (wie wir ihn heute kennen) freundlich und friedlich sein, darf Bürger und Unternehmer nicht zu hoch besteuern und gängeln, weil sonst Personen und Kapital abwandern, weil sonst kein Kapital und keine Personen aus dem Ausland kommen.

In kleinen politischen Einheiten können die Bürger den Staat besser kontrollieren und sein Fehlverhalten sanktionieren. Dem ungehemmten Interventionismus, der Interventionismusfalle - wie sie symptomatisch für große Staatsgebilde ist - werden Grenzen gezogen.

Kleine politische Einheiten bieten zudem die Chance, ein menschheitliches Ideal wahr werden zu lassen: dass das gleiche Recht für alle gilt; dass sich nicht die einen über den anderen erheben; dass es kein öffentliches Recht über und neben dem Privatrecht gibt, sondern dass alle unter dem gleichen Recht stehen.

Das Ergebnis wäre die Privatrechtsgesellschaft, wie sie vor allem von Murray N. Rothbard (1926-1995) und Hans-Hermann Hoppe (* 1949) konzeptualisiert wird. Der Staat (wie wir ihn heute kennen) wäre passé, das Selbstbestimmungsrecht, das jedem Menschen zusteht, würde Realität.

Wenn also, wie es der Königsberger Philosoph der Aufklärung Immanuel Kant (1724-1804) formulierte, die "Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann" ⁶, dann ist es nicht nur ökonomisch geboten, sondern auch eine moralische Verpflichtung, der Interventionsfalle zu entkommen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Mises (2013), Kritik des Interventionismus, S. 19.
² Mises (2013), Kritik des Interventionismus, S. 41.
³ Rüstow (1949), Zwischen Kapitalismus und Kommunismus, S. 25 f.
⁴ Hayek (1960), Verfassung der Freiheit, S. 327.
⁵ Siehe Polleit (2014), Die Naiven, die Achtlosen und die Kaltblütigen, 2. April, Mises Institut Deutschland.
⁶ Kant (1990), Metayphysik der Sitten, S. 67.



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