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"Et hätt noch immer jot jejange"

02.01.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Aber leider: "Wat fott es, es fott". Warum man besser vor der Inflation auf der Hut bleiben, sich nicht in Sicherheit wiegen sollte.

Artikel drei des Kölschen Grundgesetzes, "Et hätt noch immer jot jejange", heißt vermutlich so viel wie: Eine Vorsehung gibt es nicht, und wenn doch, dann kann man dagegen sowieso nichts machen, daher hoffnungsvoll bleiben, immer mit der Ruhe, nicht panisch werden.

Für viele Lebensbereiche mag dieses Gesetz durchaus richtig und bewährt sein. Wenn es aber um das Geld geht, sind zumindest Bedenken anzumelden. Zum Beispiel beim Euro. Er wird inflationiert. Und das nicht zu knapp. Die Jahresinflation der Konsumgüterpreise im Euro-Raum im September 2021 betrug 3,4 Prozent. Die Produzentenpreise stiegen im August 2021 um 13,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, die deutschen Großhandelspreise um 13,2 Prozent - so stark wir zuletzt im Juni 1974. Die Häuserpreise in Deutschland sind im dritten Quartal des laufenden Jahres um 13,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen.

Diese Zahlen mögen genügen, um die Euro-Geldbesitzer zu alarmieren und sie vor allem zwei Fragen stellen zu lassen: Ist der Preisanstieg nur vorübergehend? Und was löst ihn aus? Die Antwort auf die erste Frage ist: nein, weil die Antwort auf die zweite Frage wie folgt lautet: Die Europäische Zentralbank (EZB) ist dabei, die Kaufkraft der Einheitswährung gezielt zu entwerten. Sie hat im Zuge der politisch diktierten Lockdown-Krise die Euro-Geldmenge gewaltig erhöht, indem sie klammen Euro-Staaten und -Banken "aus dem Nichts" erschaffene Euro überwiesen hat.

Dadurch ist ein "Geldmengenüberhang" von schätzungsweise 15 Prozent entstanden - und in eben dieser Prozentzahl kommt das Preissteigerungspotenzial zum Ausdruck, das sich sehr wahrscheinlich im Auftrieb der Konsumgüter- und/oder Vermögenspreise entladen wird.

Das ist schon mal eine schlechte Nachricht für alle, die dem Euro-Geld noch vertrauen. Es kommt jedoch noch dicker. Nahezu alle Dämme, die die Gefahr eines Missbrauchs mit der elektronischen EZB-Notenpresse bannen sollten, zeigen tiefe Risse oder sind schon gebrochen. Die EZB hat jüngst selbst entschieden, es nicht mehr ganz so genau mit der Preisinflation von zwei Prozent pro Jahr zu nehmen.

Diese Marke darf fortan zeitweise auch mal "moderat" überschritten werden. Das wird in der Praxis absehbar zu einer Preisinflation führen, die im Schnitt höher ausfallen wird als zwei Prozent pro Jahr. Zudem sind die Euro-Regierungen spätestens im März 2020 aus dem ihnen seit jeher missliebigen Stabilitätsund Wachstumspakt ausgestiegen. Und so steht bis auf Weiteres dem ungehemmten Schuldenmachen nichts mehr im Wege.

Da die Kapitalmärkte die Flut von Euro-Staatsschulden längst nicht mehr zu extrem niedrigen Zinsen aufnehmen wollen, kauft die EZB die Anleihen zu sehr teuren Kursen und bezahlt sie mit neu herbeiproduzierten Euro. Genau das ist zwar im Maastricht-Vertrag ausdrücklich verboten, aber wo kein Kläger, da kein Richter. Vor allem haben sich die Zentralbankräte mehr denn je in den Dienst der Regierungen gestellt.

Sollte es je eine nennenswerte Distanz zwischen ihnen und den Regierenden gegeben haben, so ist sie nun vollends entfallen. Damit ist die Idee, eine "politisch unabhängige" Führung in der Geldbehörde werde sich, sollte es hart auf hart kommen, den Inflationswünschen der Staaten verweigern, jetzt als das erkennbar, was sie prinzipiell immer war: eine Illusion, ein Täuschungsmanöver gegenüber der Öffentlichkeit.

Nicht zuletzt hat sich die EZB selbst ermächtigt, beim Klimaschutz aktiv mitzuwirken. Fortan soll mit "grüner Geldpolitik" nicht nur beeinflusst werden, was klimaverträglich produziert und folglich konsumiert werden kann. Die EZB muss dazu natürlich auch die Finanzierung der "Großen Transformation" sicherstellen. Das wiederum heißt: Die EZB wird die gewaltigen schuldenfinanzierten Staatsausgaben zur Klimarettung mit einer Ausweitung der Euro-Geldmenge begleiten und die Zinsen niedrig halten.

Was aber passiert, wenn die Preisinflation noch weiter steigt und dann hartnäckig hoch bleibt, sagen wir bei fünf, sechs oder mehr Prozent pro Jahr? Wenn es keinen Weg gibt, die EZB-Räte auf ihren gesetzlichen Auftrag, die Bewahrung der Preisstabilität, zurückzuzwingen, kommt die hohe Preisinflation. Und ist sie gekommen, dann, um zu bleiben.

Natürlich passt eine erhöhte Preisinflation den Staaten gut ins Bild. Sie entwertet die Staatsschulden, und niedrige EZB-Zinsen entlasten die Haushalte. Dazu bringt sie die breite Bevölkerung in Not, macht viele zu Empfängern staatlicher Almosen. Soziale Konflikte und menschliche Verbitterung, die die Preisinflation schüren, öffnen zudem dem Vordringen des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft Tür und Tor: etwa für den Erlass von Preisober- und Untergrenzen für bestimmte Güter (Nahrungsmittel, Transport et cetera) oder für das Ausrollen von Besteuerungs- und Umverteilungsmaßnahmen.

Nicht zuletzt senkt die Preisinflation durch die "Verarmung der Massen" die Kaufkraft, verringert damit die Nachfrage, die Produktion und den Ressourcenverbrauch - Klimaschutz durch Entprosperieren; ein zutiefst antiliberales, geradezu menschenfeindliches Programm.

Wer in all dem einen neomarxistischen, sozialistischen Umsturzversuch zu erblicken meint, der liegt vermutlich nicht ganz so falsch. Die Ideen des Marxismus-Sozialismus, die "im neuen Gewand" daherkommen, erfahren schließlich seit Jahr und Tag eine ungeahnte Renaissance und werden vielfach von den Menschen als solche gar nicht erkannt. Mit den Themen "Klimawandel" und "Corona-Krise" haben sie nun aber ungeahnte Schubkraft erhalten, und kaum etwas scheint sich ihrem Siegeszug noch in den Weg zu stellen.

Da ist es umso wichtiger, Artikel drei des Kölschen Grundgesetzes nicht vorschnell zu vergessen: Schließlich hat das neosozialistische Weltgroßprojekt eine ganze Reihe von Schwachstellen und Verwundbarkeiten, die es doch noch zu Fall bringen können. Nur bei der Euro-Kaufkraft wird allerdings wohl leider Artikel vier des Kölschen Grundgesetzes gelten: "Wat fott es, es fott."


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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