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Nicht der Krieg, sondern der Staat mit seiner Zentralbank verursacht Inflation

21.03.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Steigende Energie- und Rohstoffpreise werden zu Inflation, weil die staatlichen Zentralbanken die Zinsen zu niedrig halten und die Geldmengen zu stark ausweiten. Für eine Entwarnung bei der Inflation gibt es derzeit leider keinen Grund. Im Gegenteil.


Neue Ausnahmesituation

Wieder einmal arbeitet der mediale Komplex mit größter Präzision und Wirkung: Vor dem Hintergrund der Dramatik des Ukraine-Russland-Konfliktes verblassen auf fast wundersame Weise nahezu alle anderen Geschehnisse, die bis vor kurzen noch die Gemüter stark erhitzten - Klimawandel und "Grüne Politik", Corona und Lockdowns sowie jüngst vor allem die steigende Güterpreisinflation. Eine neue Ausnahmesituation hat in kürzester Zeit von den Köpfen der Menschen Besitz ergriffen: die Kriegsangst - und mit ihr erlebt das Vertrauen der Massen in den Staat eine ungeahnte Renaissance.

Der kritische Anleger ist jedoch gut beraten, weiterhin über den Tellerrand und den Tag hinauszublicken, sich sein Denken nicht einengen und schon gar nicht politisch diktieren zu lassen - und die für ihn ebenfalls relevanten Problemfelder auch weiter fest im Blick zu behalten. Dazu gehört insbesondere auch das Inflationsproblem.

Im Windschatten des Ukraine-Konflikts nimmt die Kaufkraftentwertung des ungedeckten Geldes an Fahrt auf: Ob US-Dollar, Euro & Co, ihre Kaufkraft kommt unerbittlich unter die Räder. Der Grund: Die überschuldeten Staaten des Westens deuten die Energie- und Rohstoffpreisverteuerung, für die der Konflikt sorgt, für ihr Zwecke um. Sie sagen: Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise seien schuld für die hohe Güterpreisinflation - und lenken damit von der eigentlichen Inflationsursache ab: der Geldpolitik ihrer Zentralbanken.

Die bereits hohe Inflation sei, so verkünden die Zentralbankräte und die ihnen zuarbeitenden Hauptstromökonomen, vor allem die Folge steigender Energiepreise, und auf Energiepreise könne die Geldpolitik bekanntlich nicht direkt einwirken. Und gerade auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Erschütterungen, die vom Ukraine-Konflikt ausgehen, sei ein Festhalten an der extrem expansiven Geldpolitik gerechtfertigt. Doch diese Deutung überzeugt nicht. Sie stellt zudem die Weichen in Richtung einer noch inflationäreren Geldpolitik.


"Fiscal Dominance"

Um das zu erklären, muss man sich vor Augen führen, dass die Zentralbanken dies- und jenseits des Atlantiks unter der Weisung der staatlichen Ausgabenpolitik stehen. Im Fachjargon nennt man das "Fiscal Dominance". Das heißt, der Finanzbedarf der Staaten bestimmt die Geldpolitik: Mit extrem niedrigen Zinsen und einer Ausweitung der Geldmenge werden die chronisch-gewaltigen Haushaltslöcher gestopft. Diese Praxis hat spätestens seit Anfang 2020 um sich gegriffen, als viele Staaten ihre Wirtschaften in den Lockdown schickten und die ausgefallenen Umsätze und Einkommen mit neu geschaffenem Geld finanzierten. Neues Geld wurde aus dem Nichts ausgegeben, obwohl die Güterproduktion schrumpfte.

Die Zentralbanken haben einen gewaltigen "Geldmengenüberhang" erzeugt, der bereits in 2021 begann, die Güterpreise spürbar in die Höhe zu befördern. Im Grunde handelt es sich um eine Entwicklung, wie sie in einem Lehrbuch nicht besser illustriert werden könnte: Die Zentralbank weitet die Geldmenge übermäßig aus, und nach und nach treibt die üppige Geldversorgung die Güterpreise in die Höhe. Der resultierende Inflationsanstieg ist ganz im Sinne der Staaten. Denn die anziehende Inflation, einhergehend mit Kapitalmarktzinsen, die von den Zentralbanken künstlich niedrig gehalten werden, treibt die Realzinsen (das heißt die inflationsbereinigten Nominalzinsen) in den Negativbereich.

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Dadurch entschulden sich die Staaten auf Kosten der Gläubiger. Zudem profitieren die Staaten von der steigenden Inflation auch deshalb, weil es im System der progressiven Einkommenssteuer zur "kalten Progression" kommt. Die steigende Inflation führt früher oder später zu einem Ansteigen der Nominallöhne. Auf diese Weise rutschen die Einkommensverdiener unter einen erhöhten Grenzsteuersatz. Obwohl ihre realen Einkommen durch die Lohnerhöhung nicht zugenommen haben, steigt ihre reale Steuerlast an. Ressourcen werden auf diese Weise unerbittlich und ohne ausdrückliche Zustimmung der Wähler aus ihren Taschen genommen und an den Staat übertragen.

Die Inflation ist für den Staat aus einem weiteren Grund sehr willkommen: Inflation schafft bekanntlich Ängste und Nöte bei vielen Menschen, weil sie deren Lebensstandard herabsetzt und für große soziale Ungerechtigkeiten sorgt. Das wiederum eröffnet den Politikern großen Spielraum, fallweise in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben einzugreifen - und dadurch den Staat und seine Politiker noch machtvoller werden zu lassen. Jüngstes Beispiel ist die aufkommende Diskussion zum Erlass von "Preiskontrollen" - der Idee also, dass bestimmte Güter, die knapp und teuer sind, mit einem Höchstpreis, der nicht überschritten werden darf, zu belegen. (Siehe hierzu die nachstehende Box.)


Chaos mit Preiskontrollen

In einem freien Markt hat die Preisbildung für die Güter eine sehr wichtige Rolle. Steigt der Preis eines Gutes, weil es stark nachgefragt wird, erhalten die Produzenten des Gutes den Anreiz, das Angebot für das betreffende Gut auszudehnen. Das vermehrte Angebot senkt den Preis, ist also im Sinne der Kunden. Gleichsam gilt, dass ein sinkender Preis eines Gutes die Produzenten anhält, die Produktionsmenge des betreffenden Gutes zu reduzieren und andere, stärker nachgefragte Güter anzubieten. Auf diese Weise wird die Produktionsleistung der Volkswirtschaft bestmöglich auf die Wünsche der Nachfrager ausgerichtet. Preiskontrollen zerstören diese wichtige Lenkungsfunktion der Preise.


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