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Nicht der Krieg, sondern der Staat mit seiner Zentralbank verursacht Inflation

21.03.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Um die gleiche Energiemenge wie bisher konsumieren zu können, müssen die Verbraucher ihre Nachfrage nach anderen Gütern (Nahrung, Autos, Urlaub etc.) einschränken. In diesem Fall kommt es zu einer Neuausrichtung der relativen Güterpreise: Dem erhöhten Energiepreis stehen gesunkene Preise anderer Güter (die nun nicht mehr nachgefragt werden) gegenüber. Eine Inflation entsteht hier nicht, im Durchschnitt betrachtet bleibt das Niveau der Güterpreise unverändert.

Anders ist es in dem Fall, in dem der Anstieg der Energiepreise begleitet ist von einem Anstieg der Geldmenge. Hier verteuern sich die Energiepreise, gleichzeitig erhalten die Marktakteure neue Kaufkraft von der Zentralbank. Damit können sie nicht nur ihre erhöhte Energierechnung bezahlen, sie können auch wie gewohnt die von ihn bislang nachgefragten Güter erwerben.

Die erhöhten Energiepreise sind dadurch in der Lage, den Durchschnitt aller Güterpreise anzuheben, also für Inflation zu sorgen. Das sollte deutlich machen: Es ist die Ausweitung der Geldmenge, die das Phänomen der Güterpreisinflation erst möglich macht. Und genau diese Situation liegt aktuell vor, sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch im Euroraum.


Wer bezahlt die "Tankrabatte"?

Die Idee des deutschen Finanzministers, den Autofahrern angesichts drastisch gestiegener Benzin- und Dieselpreise "Tankrabatte" zu gewähren, ist bezeichnend für vorherrschende inflationäre Gesinnung. Um was geht es? Mit dem Tankrabatt soll der Spritpreis für die Verbraucher unter die 2-Euro-Marke gesenkt werden. Wie das? Man tankt, und an der Tankstellenkasse zahlt man seine Rechnung abzüglich eines Rabattes von, sagen wir, 40 Euro-Cent pro Liter. Die Tankstelle erhält den gewährten Rabatt als Zahlung vom Finanzministerium zurück.

Frage: Wer bezahlt den Rabatt? Der Staat zahlt ihn nicht. Denn er hat nichts. Er kann nur den Steuerzahlern etwas nehmen und es anderen (Steuerempfängern) geben. Sehr wahrscheinlich wird der Rabatt daher wohl durch neue Schulden finanziert. Das Finanzministerium gibt neue Schulden aus, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) oder Geschäftsbanken gekauft und mit sprichwörtlich neuen, aus dem Nichts geschaffenen Euro bezahlt werden. Das neue Geld wirkt inflationär, es lässt die Güterpreise in die Höhe steigen.

Vereinfacht gesagt ist das Ergebnis das Folgende: Die Autofahrer bezahlen weniger für Benzin und Diesel, dafür aber mehr für Nahrungsmittel, Kleidung, Strom, Mieten etc. Eine große Augenwischerei!


Der Energie- und Rohstoffpreisanstieg trifft aktuell auf einen gewaltigen Geldmengenüberhang, und das bewirkt den starken Anstieg vieler Güterpreise auf breiter Front. Der Inflationsdruck wird weiter dadurch erhöht, dass die Zentralbanken an ihrer Niedrigzinspolitik festhalten und die Kredit- und Geldmengen weiter stark ausweiten - so dass der Geldmengenüberhang weiter anwächst.

Zwar hat die US-Zentralbank ihren Leitzins erstmalig am 16. März 2022 angehoben, und sie will auf diesen Schritt weitere Zinserhöhungen folgen lassen (siehe nachfolgrnden kursiven Textabschnitt). Das wird jedoch kaum etwas an der Tatsache ändern, dass die US-Realzinsen noch ganz lange Zeit im negativen Territorium verharren werden, US-Dollar-Bargeld und -Bankdepositen sowie auch Schuldpapiere an Kaufkraft einbüßen.

Im Euroraum stehen die Dinge nicht besser. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist weit davon entfernt, ihre Inflationspolitik zu beenden.


Gewollte Inflation

Wie lässt sich geldpolitisch mit einem Energie- und Rohstoffpreisschock umgehen? Auf grundsätzlich zwei Wegen. Der erste Weg: Die Zentralbank zieht die Zinsen stark an, verknappt die Geldmenge und löst dadurch eine Rezession aus, verbunden mit einem Rückgang der Güterpreise, durch den die Energie- und Rohstoffpreisverteuerung neutralisiert wird. Der Inflationsauftrieb wird hier also verhindert, indem (mitunter heftige) Produktions- und Arbeitsplatzverluste hingenommen werden.

Der zweite Weg: Die Zentralbank bleibt untätig, lässt die Energie- und Rohstoffpreisverteuerung sich auf alle Güterpreise übertragen in der Hoffnung, dass sich die Güterpreisinflation im Sinne eines "Einmaleffektes" nachfolgend wieder normalisiert. Produktions- und Arbeitsplatzverluste werden hier verhindert, indem ein (starker) Inflationsschub zugelassen wird. Denkbar ist auch noch ein dritter Weg: Die Zentralbank strafft die Geldpolitik nur etwas, um dem Inflationsschub die Spitze zu nehmen, sie schreckt jedoch gleichzeitig davor zurück, Produktion und Beschäftigung in nennenswerter Weise einbrechen zu lassen.

Angesichts der vorherrschenden Befindlichkeiten in der Politik sowie vor allem auch aufgrund der Transformations- und Umbaupläne für Wirtschaft und Gesellschaft werden die Zentralbanken sich sehr wahrscheinlich gegen den ersten Weg entscheiden und entweder den zweiten oder bestenfalls den dritten Weg beschreiten.

Das lässt befürchten, dass der Inflationsschub mehr oder weniger ungebremst über die Menschen hereinbricht und die Kaufkraft ihrer Ersparnisse und Löhne dauerhaft herabsetzt, ihren materiellen Lebensstandard nachhaltig reduziert. In diesem Prozess wird die Produktionsleistung der Volkswirtschaft leiden. Firmen müssen wegen mangelnder Rentabilität schließen, Arbeitsplätze gehen verloren. Die Volkswirtschaften werden sprichwörtlich ärmer sein im Vergleich zur Situation vor dem Inflationsschub.

Die damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Härten und Nöte wird der Staat sehr wahrscheinlich für seine Zwecke nutzen zu wissen - sprich: er wird zusehends in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben eingreifen mit dem Versprechen, für "Besserung" zu sorgen. Immer mehr Menschen geraten daraufhin in direkte oder indirekte Abhängigkeit des Staates: indem sie ihren Lebensunterhalt vom Staat beziehen ("leistungsloses Grundeinkommen"), oder indem eine wachsende Zahl von Arbeitsplätzen und Einkommen in immer stärkerem Maße von der Industrie- und Subventionspolitik des Staates abhängt. Aus einer ehemals freien Wirtschaft und Gesellschaft wird so eine unfreie Wirtschaft und Gesellschaft.


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