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Das für viele überraschende Ableben von Goldlöckchen

22.09.2007  |  Claus Vogt
- Seite 4 -
Die Wahrscheinlichkeit einer von den USA ausgehenden Rezession, die wie in der Vergangenheit üblich auch den Rest der Welt nicht verschonen wird, ist weiterhin außerordentlich groß. An den Finanzmärkten wird dieses Szenario derzeit noch nicht berücksichtigt. Daraus ergibt sich ein ganz erhebliches Enttäuschungspotenzial.


Eine sehr spezielle Angst an den Aktienmärkten ist ungewöhnlich groß

Insbesondere bei der Sichtung amerikanischer Börsenprognosen drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Angst an den Aktienmärkten überaus groß ist. Allerdings zeigt sich hier nicht die übliche Angst vor Verlusten, sondern eine sehr viel seltenere Angst-Variante, nämlich die Angst, die fulminante Hausse zu verpassen, die angeblich und unter Verweis auf die Geschehnisse des Jahres 1998 auf die nächste Zinssenkung der US-Notenbank folgen wird. Wurden die Lektionen der bisher letzten Baisse
schon vergessen?

Am 3. Januar 2001 überraschte die Fed die Marktteilnehmer mit einer außerplanmäßigen Zinssenkung der Federal Funds Rate um 0,5 Prozentpunkte. Die Aktienmärkte zeigten eine euphorische Reaktion. Der S & P 500 stieg von 1.275. auf 1.347 Punkte oder 5,6%. Und an der NASDAQ schossen die Kurse an diesem denkwürdigen Tag sogar um unglaubliche 16,2% in die Höhe. Wie Sie der nachstehenden Grafik entnehmen können, erwies sich diese euphorische Reaktion jedoch als kurzlebig. Die Fed konnte damals weder eine Rezession noch eine ausgeprägte Baisse an den Aktienmärkten verhindern - obwohl dem ersten Zinsschritt zügig weitere folgen sollten, die sich schließlich auf insgesamt 14 Stück addierten und einen Zinssatz von 1% erreichten. Wird es diesmal anders sein?

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Ist der Glaube an die Fed berechtigt?

Neben diesem Beispiel einer offensichtlich machtlosen Notenbank im Angesicht einer platzenden Spekulationsblase - die Weltwirtschaftskrise oder die Misere Japans nach 1990 sind weitere hervorragende Beispiele - gibt es gute ökonomische Gründe, die gegen eine schnelle positive Wirkung von Zinssenkungen in der aktuellen Phase sprechen.

1998 handelte es sich lediglich um eine sehr begrenzte Liquiditätskrise, 2001 jedoch um eine Schuldenkrise. Dieser Unterschied ist von großer Bedeutung. Eine Liquiditätskrise entsteht, wenn ein gesundes Unternehmen (oder ein Staat, ein Haushalt, eine Bank), das prinzipiell in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, in Zahlungsnöte gerät, weil kurzfristig ein Kredit nicht verlängert wird und auch eine Umschuldung nicht gelingt. Diesem Unternehmen kann (und sollte) selbstverständlich geholfen werden, indem ihm die kurzfristig benötigte Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Ursprünglich wurden die Notenbanken für genau diesen Fall konzipiert.

Eine Schuldenkrise hingegen entsteht, wenn ein Unternehmen (oder ein Staat, ein Haushalt, eine Bank) seinen Verpflichtungen prinzipiell nicht nachkommen kann, also nicht nur einen Liquiditätsengpass erleidet, sondern schlichtweg pleite ist. Für diesen Fall waren Notenbanken ursprünglich nicht konzipiert. Schließlich kann Marktwirtschaft nur dann funktionieren, wenn die Entscheidungsträger die positiven und die negativen Folgen ihrer Entscheidungen gleichermaßen zu spüren bekommen. Andernfalls gibt es nämlich keinen Anreiz, sich vorausschauend und vorsichtig zu verhalten, sondern einen Anreiz, immer größere Risiken einzugehen. Nimmt die riskante Unternehmung ein gutes Ende, dann kassieren die Entscheidungsträger den Gewinn; nimmt sie hingegen ein schlechtes Ende, dann werden die Verluste der Allgemeinheit aufgebürdet. Diese simple Überlegung spricht ganz klar gegen staatliche Rettungsaktionen von Wirtschaftssubjekten, die sich wie auch immer in die Pleite manövriert haben.

Aktuell haben wir es nicht mit einer eher harmlosen und von der Notenbank zu heilenden Liquiditätskrise zu tun, sondern mit einer Schuldenkrise. Vermutlich hunderte von Milliarden US-Dollar leichtfertig vergebener Hypothekenkredite konstituieren eben keine Liquiditätskrise, sondern führen zur Insolvenz von hunderttausenden amerikanischen Hauskäufern. Diese faulen Kredite können durch Zinssenkungen der Notenbank nicht in gutegute Kredite verwandelt werden. Und das deutliche Überangebot von Einfamilienhäusern kann durch Zinssenkungen ebenfalls nicht beseitigt werden. Auch die zahlreichen Unternehmen, die von der Immobilienblase erheblich profitierten und ihre Geschäftstätigkeit so gestalteten, als wäre die Blase ein dauerhaftes Phänomen, sind für den unvermeidlichen Abwärtszyklus nicht gerüstet und werden pleitegehen - ganz gleich, ob die Notenbank jetzt die Zinsen senkt oder nicht.




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