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Warum diese Inflation besonders gefährlich ist

30.05.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Inflation hat so gesehen also auch das Potential, die freie Gesellschaft und Wirtschaft in eine unfreie Gesellschaft und Wirtschaft umzuwandeln. Gerade in der heutigen Zeit, in der in den Wirtschaftswissenschaften staatliches Eingreifen in Wirtschaft und Gesellschaft meist als "Königsweg" gepriesen wird, in der quasi eine antikapitalistische Geisteshaltung kultiviert wird, ist daher die Gefahr groß, dass man sich immer weiter lossagt von den Grundsätzen, auf denen der wirtschaftliche Erfolg des Westens ruht: auf der freien Marktwirtschaft. Das wird einen sehr hohen Preis haben: Der materielle Wohlstand nimmt ab, nationale wie auch internationale Konflikte nehmen zu, die Gefahr humanitärer Katastrophen steigt.

Bedeutet die Inflationspolitik also nicht nur Geldentwertung, sondern ist sie Wegbereiter für den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft? Dieser Verdacht lässt sich sicherlich nicht so einfach von der Hand weisen. Zumal die Politik in der westlichen Welt ja drauf und dran ist, genau das, was man üblicherweise mit den Begriffen "Großen Neustart" und "Große Transformation" verbindet, herbeizuführen: Dass die Menschen auf dem Globus ihre Geschicke nicht selbstbestimmt in einem System der freien Märkte gestalten sollen, sondern dass sie vielmehr von zentraler Stelle zu lenken und zu steuern seien.

Unter diesen Bedingungen ist die Weltwirtschaft gewaltigen Risiken ausgesetzt. Denn es ist eine unbestrittene ökonomische Erkenntnis, dass kollektivistisch-planwirtschaftliche Vorhaben, wie der "Great Reset" und die "Große Transformation" es sind, an den Klippen der Realität scheitern werden. Der Ökonom Friedrich August von Hayek (1899-1992) sprach in diesem Zusammenhang von "Anmaßung von Wissen": Die menschliche Verstandesleistung ist nicht in der Lage, ein so komplexes System wie eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung von zentraler Stelle zu entwerfen und zu lenken, geschweige denn ohne die Koordinationsfunktion des freien Marktprozesses ihr Überleben zu ermöglichen.

Festhalten lässt sich hier: Die Inflation, die jetzt immer stärker um sich greift, ist deshalb so besonders gefährlich, weil sie politisch nicht ungelegen kommt; und weil ihre Bekämpfung drastische Zinserhöhungen und ein Abbremsen des Kreditund Geldmengenwachstums erfordert und damit hohe Wachstums- und Beschäftigungsverluste nach sich zieht, was in der Öffentlichkeit vermutlich (noch) keine Akzeptanz finden würde. Daher ist zu vermuten, dass die Zentralbankräte zwar weiterhin viele Worte machen, sie werden von ihrer Inflationspolitik ablassen, dass sie aber den vielen Worten nicht die notwendigen Taten folgen lassen werden.

Das Inflationsproblem wird daher länger anhalten und sich möglicherweise noch weiter verschärfen, bevor ein Umdenken einsetzt. Bis auf Weiteres wäre also zu befürchten, dass sich die Politik weiter ausbreitet, die die Volkswirtschaften der westlichen Welt immer weiter von einer marktwirtschaftlichen Orientierung wegführt und einer lenkungs- oder auch planwirtschaftlichen Modellvariante entgegentreibt.

Die Kosten einer solchen "Neuausrichtung" der westlichen Volkswirtschaften wären gewaltig, sie schlügen mit einer beträchtlichen Verringerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Buche.

Viele soziale Errungenschaften - wie zum Beispiel gute Ernährung, hohe Gesundheitsvorsorge, auskömmliche Pensionen, geringe Kriminalität, langes Leben etc. - blieben auf der Strecke. Insbesondere auch der Lebensstandard der Menschen in Entwicklungsländern, die vielfach stark abhängig sind vom fortgesetzten Wohlfahrtszuwachs der entwickelten Volkswirtschaften, würde sich stark verschlechtern.

Kurz gesprochen: Die Abkehr von der erreichten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in den großen Volkswirtschaften der Welt, ein Rückbau der erreichten internationalen Arbeitsteilung und des internationalen Handels, würde es sogar verunmöglichen, eine Weltbevölkerung von derzeit ungefähr acht Milliarden Menschen zu ernähren, zu kleiden und zu behausen.


Gold als Versicherung

Was, so fragt sich der Anleger, kann und soll man vor diesem Hintergrund tun? Eine einfache, für alle gleichermaßen passende Antwort gibt es leider nicht. Dazu sind die Anleger zu verschieden hinsichtlich ihrer Ziele, zeitlichen Ausrichtung und Risikoeinstellung. Aber vor dem Hintergrund der Wahrscheinlichkeit (und die ist beträchtlich), dass die Kaufkraft von US-Dollar, Euro & Co unter die Räder kommt, weil die Zentralbanken weiterhin für hohe Inflation und negative Realzinsen sorgen, empfiehlt es sich, zumindest einen Teil des Vermögens in Form von physischem Gold (und Silber) quasi als Versicherung zu halten.

In diesem Zusammenhang zeigen Abb. 2 (a) und (b) etwas ganz Wichtiges: In den letzten gut zwei Dekaden hat der Goldpreis ganz offensichtlich nicht so sehr auf den Nominalzins reagiert, sondern auf den inflationsbereinigten Nominalzins, den Realzins: Seit Anfang des 21. Jahrhundert gingen im Trend fallenden Realzinsen einher mit einem im Trend steigenden Goldpreis (und zwar sowohl in US-Dollar als auch in Euro gerechnet).

Zwar ist der Realzins ganz bestimmt nicht die alleinige Erklärung für den im Trend gestiegenen Goldpreis. Jedoch gibt er gewissermaßen eine "Zusammenfassung" des prekären (Ist-)Zustands, in dem sich das Fiat-Geldsystem befindet. Dass die Realzinsen wieder in den positiven Bereich zukehren, erscheint recht unwahrscheinlich.

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Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa.
Realzinsen ermittelt anhand der Konsumgüterpreisindizes.


Die Regierungen und ihre Zentralbanken werden zwar vermutlich alles daransetzen, dass ihr Fiat-Geld nicht vollends durch zu hohe Inflation diskreditiert wird, dass sich die Menschen nicht endgültig von ihm abwenden. Sie werden die Inflation daher vermutlich nicht vollends außer Kontrolle geraten lassen.

Gleichzeitig haben sie aber wenig Interesse daran, die Inflation wieder in Richtung der 2-Prozentmarke zu bringen, also die Zinsen so weit anzuheben, dass das Kredit- Geldmengenwachstum stark abgebremst wird. Der seit Jahrzehnten betriebene Geldwertschwund, der sich nun beschleunigt hat, wird folglich weitergehen - und das droht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften zu schwächen sowie marktwirtschafts- und freiheitsfeindliche Politiken weiter zu begünstigen. Das ist es, was diese Inflation so besonders gefährlich macht.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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