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Die Post-Wachstumswelt. Der Abbau des Wohlstands und seine Folgen

11.07.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Vielmehr wird die politisch initiierte Energiepreisverteuerung - wenn ihr nicht Einhalt geboten wird - die bestehenden Produktions-, Beschäftigungs- und Einkommens- und Vermögensstruktur durcheinanderwirbeln, aus den Angeln heben, national wie international. Einige Industrien werden in diesem Prozess zerstört (zum Beispiel Hersteller von Verbrennungsmotoren), wobei einige von ihnen sich in neuen Märkten (beispielsweise Erzeugung von E-Autos) vielleicht erfolgreich (um-)positionieren können.

Aber nicht alle Produzenten, nicht alle Beschäftigten werden ungeschoren davonkommen. Das liegt daran, dass die Verteuerung der Energie die Volkswirtschaften insgesamt ärmer macht: Wenn die Güterpreise steigen, dann können sich die Menschen mit ihrem Einkommen nicht mehr so viele Güter leisten können wie bisher. Die Kaufkraft ihrer laufenden Einkommen und Ersparnisse nimmt ab, die Gesamtnachfrage schrumpft.

Zwar lassen sich auf der Produzentenebene die Preissteigerungen durch Produktivitätszugewinne tendenziell abmildern. Aber ein derart gewaltiger Preisanstieg für Energie, wie er jetzt weltweit stattfindet, lässt befürchten, dass die reale Kaufkraft der breiten Bevölkerung sogar sehr drastisch herabgesetzt wird, die bisherige Nachfrage sich nicht aufrechterhalten lässt.

Nicht alle Menschen behalten folglich ihren Arbeitsplatz, ihre Einkommen. Der Grund: Wenn die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen schwindet, werden auch die Arbeitskräfte, die sie bisher hergestellt haben, nicht mehr gebraucht.

Die Beschäftigten müssen sich, soweit ihre Fertigkeiten es zulassen, anderen Tätigkeiten zuwenden. In dem Fall jedoch, in dem die Energieverteuerung eine Schrumpfung der bisherigen Wirtschaftsaktivität herbeiführt, ist es sehr wahrscheinlich, dass nicht alle eine neue Beschäftigung finden, beziehungsweise dass ein kräftiger Abwärtsdruck auf die Löhne einsetzt, der auch diejenigen treffen wird, die noch in Lohn und Brot stehen. Entwicklungsländer werden die Anpassungskrise ganz besonders stark zu spüren bekommen.


Das Inflationsproblem

Bislang wurden die "wahren Kosten", die der politisch verordnete Ausstieg aus der fossilen Energie nach sich zieht, vor den Augen der Öffentlichkeit weitestgehend verborgen. Dafür sorgen die riesigen, auf Pump finanzierten Ausgaben der Staaten. Mit Transfers und Subventionen wurde (und wird) eine künstliche Nachfrage aufrecht gehalten (die es ohne die staatlichen Ausgaben nicht geben würde), sie bewahren künstlich die Einkommen und Vermögen der breiten Bevölkerung.

Doch diese Politik gerät jedoch nun in vielen Ländern an ihre Grenzen: Die Zentralbanken erzeugen mittlerweile hohe Inflation, weil sie unentwegt neue Schulden der Staaten aufkaufen und die Käufe mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Zwar wird durch diese Politik es möglich, dass die Menschen wie gewohnt ihre Einkommen erhalten, doch die Inflation entwertet die Löhne und Gehälter: In dem Maße, in dem die Inflation deutlich höher ausfällt als der Zuwachs der Einkommen, werden die Menschen ärmer. Und natürlich entwertet die Inflation auch die Ersparnisse, die Altersversorgung vieler Menschen, weil die Inflation höher ausfällt als die Erträge, die mit den gesparten Mitteln erzielt werden.

Also auch wenn die breite Bevölkerung weiterhin ihre laufenden Einkommenszahlungen erhält, wenn sie hier und da auch bescheidene Lohnerhöhungen aushandelt: Die fortgesetzte hohe Inflation sorgt dafür, dass die realen Einkommen und realen Ersparnisse sinken, dass die Mehrheit der Menschen ärmer wird.

Die hohe Inflation der Konsumgüterpreise, die sich in vielen Volkswirtschaften der Welt mittlerweile beobachten lässt, erklärt sich allerdings auf den ersten Blick durch das drastische Ansteigen der Energiepreise (die in den statistischen Indexberechnungen Berücksichtigung finden). Dass aus der Energiepreisverteuerung Inflation wird - also ein dauerhaftes Ansteigen aller Güterpreise -, das liegt allein an der massiven Ausweitung der Geldmengen, für die die Zentralbanken gesorgt haben. Der aufgelaufene "Geldmengenüberhang" macht es überhaupt erst möglich, dass die "Kostenschubeffekte", für die die verteuerte Energie sorgt, sich in einer sehr hohen Güterpreisinflation entladen kann.

Es kann nicht überraschen, dass die Zentralbanken wenig Anstalten machen, die hohe Inflation abzusenken. Denn heben sie die Zinsen an und bremsen das Geldmengenwachstum ab, treten plötzlich die wahren Kosten der grünen Politik offen und unmissverständlich in Erscheinung - und zwar in einem absehbar schweren Wirtschaftseinbruch, einhergehend mit Massenarbeitslosigkeit. Indem jedoch Inflation zugelassen beziehungsweise verursacht wird, werden die Marktakteure (zumindest anfänglich und für eine gewisse Zeit) über die wahren Verhältnisse hinweggetäuscht.

Dazu schrieb Friedrich August von Hayek (1899-1992) das Folgende: "Die Art der Wirkung der Inflation erklärt, warum es so schwer ist, ihr zu widerstehen, wenn die Politik sich hauptsächlich mit besonderen Situationen und nicht mit allgemeinen Bedingungen, mit kurzfristigen und nicht mit langfristigen Problemen befasst. Sie ist gewöhnlich sowohl für die Regierung als auch für die private Geschäftswelt der leichte Ausweg aus momentanen Schwierigkeiten - der Weg des geringsten Widerstandes und manchmal auch der einfachste Weg, der Wirtschaft über all die Hindernisse hinwegzuhelfen, die ihr die Regierungspolitik in den Weg gelegt hat.

Sie ist das unausbleibliche Ergebnis einer Politik, die alle anderen Entscheidungen als Gegebenheiten ansieht, an die das Geldangebot so angepaßt werden muß, daß der durch andere Maßnahmen angerichtete Schaden so wenig wie möglich bemerkt werden wird."

Doch eine Inflation lässt sich nicht - und das zeigt die Erfahrung in vielen Ländern - dauerhaft durchführen; mit ihr kann es keine Wohlstandsillusion von Dauer geben. Das liegt daran, dass die Inflation nur dann "funktioniert", wenn sie die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes überrascht, wenn sie höher ausfällt als erwartet wurde. Irgendwann wachen die Menschen doch auf, und sie vertrauen dann dem Geld und den Versprechungen der Zentralbank nicht mehr und beginnen aus dem Geld "zu fliehen".

Die Kaufkraft des Geldes verfällt. Und spätestens dann stellt sich auch der Wirtschaftszusammenbruch ein, der mit der fortgesetzten Inflationspolitik versucht wurde abzuwenden beziehungsweise immer weiter in die Zukunft zu verlagern.


Geistige Haltung

Die Energiepreis- und Energieversorgungskrise, die vor allem eine Folge der "grünen Politik" ist, ist dabei, für die großen Zahl der Menschen zu einer existenziellen Bedrohung zu werden. Das erreichte Wohlstandsniveau wird in vielen Ländern merklich fallen, dass das weltweit erreichte Maß der Arbeitsteilung verkleinert.

Die politische Antwort auf den befürchteten Klimawandel ist aus ökonomischer Sicht ein "Verarmungsprogramm", dessen Ausmaß vermutlich vielen Menschen nicht bewusst ist, sie vermutlich noch böse überraschen wird. Und wer um die friedenstiftende Wirkung der Arbeitsteilung weiß, der muss zudem befürchten, dass gesellschaftliche Konflikte und auch Spannungen zwischen Staaten und Regionen auf dieser Erde in der "Post-Wachstumswelt" befördert werden.

Die Zukunft der Menschheit ist nicht vorbestimmt. Sie hängt - soweit das menschliche Erkenntnisvermögen es verstehen kann - von den Ideen ab, die das Handeln der Menschen antreiben. Aktuell dominieren die Ideen, die dem Staat alle möglichen Aufgaben anvertrauen wollen. Er soll Wirtschaft und Gesellschaft lenken und steuern, das System der freien Märkte (beziehungsweise das, was davon noch übrig ist) zähmen, in die Schranken weisen.

Die Ökonomik kann dazu sagen: Das wird nicht funktionieren, es wird für viele Menschen Leid und Not bringen; die Idee der "Post-Wachstumswelt" ist dabei besonders problematisch. Letztlich ist es die geistige Haltung der Menschen, die festlegt, ob Freiheit, Wohlstand und Frieden herrschen oder Not, Elend und Zwietracht Einzug halten. Freiheit, Wohlstand und Frieden gehen Hand in Hand mit den Ideen des freien Marktsystems, Not, Elend und Zwietracht sind das unvermeidbare Ergebnis, wenn der Staat das freie Marktsystem immer weiter aushöhlt, lahmlegt und letztlich zerstört.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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