Über das Bestreben, Bargeld abzuschaffen und digitales Zentralbankgeld einzuführen
13.08.2022 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
I.
Gleich zu Beginn möchte ich Ihnen die Schlussfolgerungen meiner Überlegungen mitteilen: Das Bargeld zurückzudrängen oder aus dem Verkehr zu ziehen und digitales Zentralbankgeld auszugeben, sind äußerst problematisch, weil
(1.) die Missbrauchsmöglichkeiten und Fehlentwicklungen des staatlichen Fiat-Geldmonopols gewaltig erhöht werden, ohne dass sich dagegen wirksame Abwehrmechanismen aufbieten ließen; und weil
(2.) der Weg in den digitalen Überwachungs- und Lenkungsstaat befördert wird (Stichworte "Great Reset" und "Große Transformation"), eine Entwicklung, die das freiheitliche, friedvolle und produktive Zusammenleben der Menschen auf dieser Welt ernstlich bedroht.
Die Lösung, die ich mit Blick auf die genannten Probleme vorbringen werde, lautet: Beendigung des staatlichen Geldmonopols, indem ein freier Markt für Geld, ein Währungswettbewerb, die Privatisierung des Geldes, ermöglicht wird; also den Weg beschreiten, den die Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, wie insbesondere Ludwig von Mises (1881-1973), Friedrich August von Hayek (1899-1992) und Murray N. Rothbard (1926-1995), bereits vor geraumer Zeit überzeugend gewiesen haben.
Zudem werde ich die Thematik nicht nur geldtheoretisch beleuchten, sondern sie vor allem auch in einen gesellschaftstheoretischen Kontext stellen; weil nur so ihre besondere Brisanz ersichtlich wird.
Lassen Sie uns zunächst über die Geldart sprechen, die die meisten Menschen nur zu gut aus ihren tagtäglichen Geschäften kennen: und zwar das Bargeld in Form von Münzen und Banknoten.
II.
Auf der folgenden Graphik (Abb.1) sehen Sie von 1959 bis Ende 2021 die US-Dollar-Bargeldbestände in Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Wie sie sehen, sind sie seit den frühen 1990er Jahren angestiegen und befindet sich derzeit nahe einem Rekordhoch. Das gilt auch für die Euro-Bargeldbestände in Prozent der Euroraum-Wirtschaftsleistung.
Bargeld wird also ganz offensichtlich stark nachgefragt. Die fallenden Zinsen in den letzten Jahrzehnten haben vermutlich dazu beigetragen. Zudem auch die Eigenschaft des Bargeldes, einen Schutz vor Bankenpleiten zu gewähren. In jedem Fall gibt es ganz offensichtlich Gründe, warum die Menschen Bargeld halten wollen, und Transaktionen, die die Menschen gern bar begleichen (zum Beispiel Geschenke für die Ehefrau kaufen; steuerfreie Trinkgelder gewähren; den Enkelkindern einen Schein zustecken; die Kollekte in der Kirche zahlen).
Folglich mag es Sie verwundern, dass das Bargeld viele und vor allem auch sehr einflussreiche Feinde hat - obwohl es nachweislich auch heute noch sehr populär und nahezu überall im Einsatz ist.
So ist zu hören und zu lesen: Mit Bargeld werden kriminelle Transaktionen durchgeführt - wie Drogengeschäfte, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Oder: Bargeld lockt Verbrecher an. Immer wieder werden Banken überfallen, Bargeldautomaten gesprengt. Oder: Bargeld hilft dabei, Transaktionen durchzuführen, die der Staat nicht besteuern kann. Dem Staat entgehen dadurch Einnahmen. Oder: Die Bargeldverwendung ist unhygienisch, erleichtere es, Viren zu verbreiten und stelle damit ein Gesundheitsrisiko dar. Oder: Die Bargeldverwendung ist teuer, die Kosten des Zahlungsverkehrs ließen sich senken, wenn nur noch elektronisch bezahlt wird.
Ich will auf diese Argumente nicht näher eingehen. (Sie erkennen vermutlich bereits, wie einseitig und unausgewogen, ja wie zuweilen an den Haaren herbeigezogen und absurd einige sind.)
Festhalten will ich an dieser Stelle nur Folgendes: Es herrscht kein Mangel an Argumenten, mit denen den Menschen ihr Bargeld madig gemacht werden soll.
Ein ganz besonders ausgeklügeltes Argument gegen das Bargeld haben keynesianisch gesinnte Ökonomen vorgebracht. Ihnen zufolge kann angeblich der Fall eintreten, dass die Zentralbank den Zins in den Negativbereich absenken muss, um die Wirtschaft aus einer Rezession herauszuführen. Aber das kann nicht gelingen, denn es gibt eine sogenannte Nullzinsuntergrenze.
Niemand, der bei Sinnen ist, wird zu einem Negativzins sein Geld verleihen: Ich leihe dir meine 100 Euro nicht für die Dauer eines Jahres, wenn ich dafür einen Zins von, sagen wir, minus 5 Prozent erhalte. Dann gebe ich Dir heute 100 Euro und in einem Jahr gibst Du mir 95 Euro zurück. Wenn der Marktzins negativ ist, ist es besser für mich, mein Geld in der Kasse zu halten als es zu verleihen.
Was würde also passieren, wenn die Geschäftsbanken einen Negativzins der Zentralbank weitergeben und Negativzinsen auf Bankguthaben erheben, damit die Geldhaltung weniger attraktiv wird und die Menschen dazu gedrängt werden, ihr Geld vielleicht doch zu negativen Zinsen zu verleihen?
Antwort: Die Bankkunden werden sich ihre Guthaben in Bargeld auszahlen lassen und es unter der Matratze horten. Mit der Flucht ins Bargeld können sie den Verlusten entkommen, die ihnen die Banken mit dem Negativzins aufzuerlegen versucht. Besteht eine Fluchtmöglichkeit der Bankkunden in das Bargeld, lässt sich die Negativzinspolitik nicht durchsetzen.
Ökonomen, die meinen, ein negativer Zins sei eine gute Sache, zumindest in bestimmten Phasen, sehen folglich im Bargeld etwas Schlechtes, fordern seine Abschaffung.
III.
Ich möchte an dieser Stelle kurz innehalten und die Idee, der gleichgewichtige Marktzins könne negativ sein, als falsch zurückzuweisen versuchen - also das ausgeklügel(s)te Argument der Keynesianer gegen das Bargeld zu Fall zu bringen; zur ausführlichen Erklärung sei an dieser Stelle auf die weiterführende Literatur verwiesen.
Der Zins ist eine Kategorie (ein nicht wegzudenkender Grundbegriff) des menschlichen Handelns. Er erklärt sich aus der Logik des menschlichen Handelns. - Dass der Mensch handelt, lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen. (Wer sagt "Der Mensch handelt nicht, der handelt - und widerspricht dem Gesagten.)
Gleich zu Beginn möchte ich Ihnen die Schlussfolgerungen meiner Überlegungen mitteilen: Das Bargeld zurückzudrängen oder aus dem Verkehr zu ziehen und digitales Zentralbankgeld auszugeben, sind äußerst problematisch, weil
(1.) die Missbrauchsmöglichkeiten und Fehlentwicklungen des staatlichen Fiat-Geldmonopols gewaltig erhöht werden, ohne dass sich dagegen wirksame Abwehrmechanismen aufbieten ließen; und weil
(2.) der Weg in den digitalen Überwachungs- und Lenkungsstaat befördert wird (Stichworte "Great Reset" und "Große Transformation"), eine Entwicklung, die das freiheitliche, friedvolle und produktive Zusammenleben der Menschen auf dieser Welt ernstlich bedroht.
Die Lösung, die ich mit Blick auf die genannten Probleme vorbringen werde, lautet: Beendigung des staatlichen Geldmonopols, indem ein freier Markt für Geld, ein Währungswettbewerb, die Privatisierung des Geldes, ermöglicht wird; also den Weg beschreiten, den die Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, wie insbesondere Ludwig von Mises (1881-1973), Friedrich August von Hayek (1899-1992) und Murray N. Rothbard (1926-1995), bereits vor geraumer Zeit überzeugend gewiesen haben.
Zudem werde ich die Thematik nicht nur geldtheoretisch beleuchten, sondern sie vor allem auch in einen gesellschaftstheoretischen Kontext stellen; weil nur so ihre besondere Brisanz ersichtlich wird.
Lassen Sie uns zunächst über die Geldart sprechen, die die meisten Menschen nur zu gut aus ihren tagtäglichen Geschäften kennen: und zwar das Bargeld in Form von Münzen und Banknoten.
II.
Auf der folgenden Graphik (Abb.1) sehen Sie von 1959 bis Ende 2021 die US-Dollar-Bargeldbestände in Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Wie sie sehen, sind sie seit den frühen 1990er Jahren angestiegen und befindet sich derzeit nahe einem Rekordhoch. Das gilt auch für die Euro-Bargeldbestände in Prozent der Euroraum-Wirtschaftsleistung.
Bargeld wird also ganz offensichtlich stark nachgefragt. Die fallenden Zinsen in den letzten Jahrzehnten haben vermutlich dazu beigetragen. Zudem auch die Eigenschaft des Bargeldes, einen Schutz vor Bankenpleiten zu gewähren. In jedem Fall gibt es ganz offensichtlich Gründe, warum die Menschen Bargeld halten wollen, und Transaktionen, die die Menschen gern bar begleichen (zum Beispiel Geschenke für die Ehefrau kaufen; steuerfreie Trinkgelder gewähren; den Enkelkindern einen Schein zustecken; die Kollekte in der Kirche zahlen).
Quelle: Refinitiv; eigene Berechnungen. Periode: Q1 1959 bis Q4 2021. Euroraum: Beginn Q1 1999.
Folglich mag es Sie verwundern, dass das Bargeld viele und vor allem auch sehr einflussreiche Feinde hat - obwohl es nachweislich auch heute noch sehr populär und nahezu überall im Einsatz ist.
So ist zu hören und zu lesen: Mit Bargeld werden kriminelle Transaktionen durchgeführt - wie Drogengeschäfte, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Oder: Bargeld lockt Verbrecher an. Immer wieder werden Banken überfallen, Bargeldautomaten gesprengt. Oder: Bargeld hilft dabei, Transaktionen durchzuführen, die der Staat nicht besteuern kann. Dem Staat entgehen dadurch Einnahmen. Oder: Die Bargeldverwendung ist unhygienisch, erleichtere es, Viren zu verbreiten und stelle damit ein Gesundheitsrisiko dar. Oder: Die Bargeldverwendung ist teuer, die Kosten des Zahlungsverkehrs ließen sich senken, wenn nur noch elektronisch bezahlt wird.
Ich will auf diese Argumente nicht näher eingehen. (Sie erkennen vermutlich bereits, wie einseitig und unausgewogen, ja wie zuweilen an den Haaren herbeigezogen und absurd einige sind.)
Festhalten will ich an dieser Stelle nur Folgendes: Es herrscht kein Mangel an Argumenten, mit denen den Menschen ihr Bargeld madig gemacht werden soll.
Ein ganz besonders ausgeklügeltes Argument gegen das Bargeld haben keynesianisch gesinnte Ökonomen vorgebracht. Ihnen zufolge kann angeblich der Fall eintreten, dass die Zentralbank den Zins in den Negativbereich absenken muss, um die Wirtschaft aus einer Rezession herauszuführen. Aber das kann nicht gelingen, denn es gibt eine sogenannte Nullzinsuntergrenze.
Niemand, der bei Sinnen ist, wird zu einem Negativzins sein Geld verleihen: Ich leihe dir meine 100 Euro nicht für die Dauer eines Jahres, wenn ich dafür einen Zins von, sagen wir, minus 5 Prozent erhalte. Dann gebe ich Dir heute 100 Euro und in einem Jahr gibst Du mir 95 Euro zurück. Wenn der Marktzins negativ ist, ist es besser für mich, mein Geld in der Kasse zu halten als es zu verleihen.
Was würde also passieren, wenn die Geschäftsbanken einen Negativzins der Zentralbank weitergeben und Negativzinsen auf Bankguthaben erheben, damit die Geldhaltung weniger attraktiv wird und die Menschen dazu gedrängt werden, ihr Geld vielleicht doch zu negativen Zinsen zu verleihen?
Antwort: Die Bankkunden werden sich ihre Guthaben in Bargeld auszahlen lassen und es unter der Matratze horten. Mit der Flucht ins Bargeld können sie den Verlusten entkommen, die ihnen die Banken mit dem Negativzins aufzuerlegen versucht. Besteht eine Fluchtmöglichkeit der Bankkunden in das Bargeld, lässt sich die Negativzinspolitik nicht durchsetzen.
Ökonomen, die meinen, ein negativer Zins sei eine gute Sache, zumindest in bestimmten Phasen, sehen folglich im Bargeld etwas Schlechtes, fordern seine Abschaffung.
III.
Ich möchte an dieser Stelle kurz innehalten und die Idee, der gleichgewichtige Marktzins könne negativ sein, als falsch zurückzuweisen versuchen - also das ausgeklügel(s)te Argument der Keynesianer gegen das Bargeld zu Fall zu bringen; zur ausführlichen Erklärung sei an dieser Stelle auf die weiterführende Literatur verwiesen.
Der Zins ist eine Kategorie (ein nicht wegzudenkender Grundbegriff) des menschlichen Handelns. Er erklärt sich aus der Logik des menschlichen Handelns. - Dass der Mensch handelt, lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen. (Wer sagt "Der Mensch handelt nicht, der handelt - und widerspricht dem Gesagten.)