"Zinswende" in Europa
26.08.2022 | Vertrauliche Mitteilungen
Seit rund einem Jahrzehnt warteten die europäischen Banken auf die Zinswende, auf ein Ende der Nullzins- oder gar Negativzinspolitik. Nun hat eine gewissermaßen entlaufende Geldentwertungsrate diese Wende sozusagen erzwungen und mit weiter steigenden Zinssätzen bleibt zu rechnen.
Für die Ertragslage der Banken ist dies eine prinzipiell gute Nachricht. Denn steigende Zinsen führen im Regelfall auch zu einer steigenden Zinsmarge (das ist die Spanne zwischen den Zinsen, die die Banken ihren Anlegern zahlen und den von ihnen vereinnahmten Kreditzinsen), die bei den meisten europäischen Banken über Jahrzehnte hinweg eine der wichtigsten Gewinnquellen war. Doch jetzt trüben schlechte Konjunkturaussichten, eine überbordende Staatsverschuldung und auch personelle Fragen schon wieder den Ausblick der meisten Banken.
Zur Personalfrage ist anzumerken, daß viele Banken inzwischen über eine Reihe von Mitarbeitern verfügen, die nach zehn Jahren Nullzinspolitik gar nichts anderes kennen. Das klassische Passiv-Bankgeschäft (also das mit den Geldanlegern) war in den vergangenen Jahren schließlich meistens stark rückläufig, weil viele Kunden in andere - oft aber auch risikoreichere - Anlageformen wechselten. Banker, "die in den letzten sieben Jahren hier in der Schweiz zu uns gekommen sind, haben noch nie in einem positiven Zinsumfeld für eine Bank gearbeitet“, merkte kürzlich UBS-Chef Ralph Hamers gegenüber der "Financial Times“ an.
Gleichzeitig lassen die schlechten Konjunkturaussichten und die überbordende Staatsverschuldung auch die Kreditrisiken der Banken wieder deutlich steigen. Hinzu kommt eine neue Konkurrenz in Form großer Technologieunternehmen wie Google, Apple und Amazon sowie einer Reihe sogenannter "Fintechs“, die in den letzten Jahren das grundsätzlich lukrative Geschäft der Kreditvergabe auch für sich entdeckten. Dort und im klassischen Bankensektor wird man in den nächsten Jahren aber wieder mit steigenden Kreditrisiken umgehen müssen. Deshalb dürfte sich die alte Regel wieder bewahrheiten, nach der die Erträge aus dem Kreditgeschäft während einer (wieder zu erwartenden) Rezession um die Hälfte einbrechen.
Vorsorglich haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England die ihnen untergeordneten Geschäftsbanken bereits schriftlich zu einem "harten“ Umgang mit notleidenden Krediten aufgefordert, damit die Branche insgesamt den angeblich "guten Ruf“, den sie während der Covid-Krise erarbeitet habe, nicht gefährde. Staatliche Hilfen für von den explodierenden Energiepreisen heftig getroffene Unternehmen (und damit auch deren Kredite) seien zwar nicht auszuschließen, doch der Bankensektor, so die beiden Zentralbanken, solle sich nicht darauf verlassen.
Mehr noch als vor eventuellen Kreditausfällen fürchten sich viele Bankmanager aber vor der politischen Verlockung, die wieder steigenden Zinsmarge-Gewinne des Kreditsektors für neue oder höhere Steuern zum Anlaß zu nehmen. In Spanien wird eine derartige Sondersteuer diskutiert, in Ungarn ist sie bereits beschlossen. Die polnische Regierung verhängte inzwischen ein Moratorium, mit dem von steigenden Kreditraten überforderte Hausbesitzer besonderen Schutz zugesprochen bekommen.
Ohne den in Teilbereichen gewiß kritikwürdigen Kreditsektor an dieser Stelle reinwaschen zu wollen, bleibt doch festzustellen, daß die im weitesten Sinne politischen Gremien in Europa offenbar wieder einmal der alten Taktik verfallen, eigenes Versagen oder die Folgen daraus der Wirtschaft in Form zusätzlicher Steuern oder Auflagen anzulasten, diesmal insbesondere zu Lasten der Banken. Hätte es nicht das viel zu lange Festhalten der EZB unter ihrer Präsidentin Christine Lagarde (keine Ökonomin, sondern Juristin, ihr Spitzname lautet "Madame Inflation“) an der Nullzinspolitik gegeben, müßte jetzt wahrscheinlich nicht gegen die heftigste Inflation gekämpft werden, die dem europäischen Kontinent in den letzten fünf Jahrzehnten widerfuhr.
© Vertrauliche Mitteilungen
Auszug aus den "Vertrauliche Mitteilungen", Nr. 4509
Für die Ertragslage der Banken ist dies eine prinzipiell gute Nachricht. Denn steigende Zinsen führen im Regelfall auch zu einer steigenden Zinsmarge (das ist die Spanne zwischen den Zinsen, die die Banken ihren Anlegern zahlen und den von ihnen vereinnahmten Kreditzinsen), die bei den meisten europäischen Banken über Jahrzehnte hinweg eine der wichtigsten Gewinnquellen war. Doch jetzt trüben schlechte Konjunkturaussichten, eine überbordende Staatsverschuldung und auch personelle Fragen schon wieder den Ausblick der meisten Banken.
Zur Personalfrage ist anzumerken, daß viele Banken inzwischen über eine Reihe von Mitarbeitern verfügen, die nach zehn Jahren Nullzinspolitik gar nichts anderes kennen. Das klassische Passiv-Bankgeschäft (also das mit den Geldanlegern) war in den vergangenen Jahren schließlich meistens stark rückläufig, weil viele Kunden in andere - oft aber auch risikoreichere - Anlageformen wechselten. Banker, "die in den letzten sieben Jahren hier in der Schweiz zu uns gekommen sind, haben noch nie in einem positiven Zinsumfeld für eine Bank gearbeitet“, merkte kürzlich UBS-Chef Ralph Hamers gegenüber der "Financial Times“ an.
Gleichzeitig lassen die schlechten Konjunkturaussichten und die überbordende Staatsverschuldung auch die Kreditrisiken der Banken wieder deutlich steigen. Hinzu kommt eine neue Konkurrenz in Form großer Technologieunternehmen wie Google, Apple und Amazon sowie einer Reihe sogenannter "Fintechs“, die in den letzten Jahren das grundsätzlich lukrative Geschäft der Kreditvergabe auch für sich entdeckten. Dort und im klassischen Bankensektor wird man in den nächsten Jahren aber wieder mit steigenden Kreditrisiken umgehen müssen. Deshalb dürfte sich die alte Regel wieder bewahrheiten, nach der die Erträge aus dem Kreditgeschäft während einer (wieder zu erwartenden) Rezession um die Hälfte einbrechen.
Vorsorglich haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England die ihnen untergeordneten Geschäftsbanken bereits schriftlich zu einem "harten“ Umgang mit notleidenden Krediten aufgefordert, damit die Branche insgesamt den angeblich "guten Ruf“, den sie während der Covid-Krise erarbeitet habe, nicht gefährde. Staatliche Hilfen für von den explodierenden Energiepreisen heftig getroffene Unternehmen (und damit auch deren Kredite) seien zwar nicht auszuschließen, doch der Bankensektor, so die beiden Zentralbanken, solle sich nicht darauf verlassen.
Mehr noch als vor eventuellen Kreditausfällen fürchten sich viele Bankmanager aber vor der politischen Verlockung, die wieder steigenden Zinsmarge-Gewinne des Kreditsektors für neue oder höhere Steuern zum Anlaß zu nehmen. In Spanien wird eine derartige Sondersteuer diskutiert, in Ungarn ist sie bereits beschlossen. Die polnische Regierung verhängte inzwischen ein Moratorium, mit dem von steigenden Kreditraten überforderte Hausbesitzer besonderen Schutz zugesprochen bekommen.
Ohne den in Teilbereichen gewiß kritikwürdigen Kreditsektor an dieser Stelle reinwaschen zu wollen, bleibt doch festzustellen, daß die im weitesten Sinne politischen Gremien in Europa offenbar wieder einmal der alten Taktik verfallen, eigenes Versagen oder die Folgen daraus der Wirtschaft in Form zusätzlicher Steuern oder Auflagen anzulasten, diesmal insbesondere zu Lasten der Banken. Hätte es nicht das viel zu lange Festhalten der EZB unter ihrer Präsidentin Christine Lagarde (keine Ökonomin, sondern Juristin, ihr Spitzname lautet "Madame Inflation“) an der Nullzinspolitik gegeben, müßte jetzt wahrscheinlich nicht gegen die heftigste Inflation gekämpft werden, die dem europäischen Kontinent in den letzten fünf Jahrzehnten widerfuhr.
© Vertrauliche Mitteilungen
Auszug aus den "Vertrauliche Mitteilungen", Nr. 4509