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5 Gründe, warum das klassische 60/40-Portfolio Geschichte ist und Gold im Portfolio wichtiger wird

14.11.2022  |  Ronald Peter Stöferle
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4) Die Lage an den Anleihemärkte könnte bald prekär werden

In den USA ist die Nachfrage nach US-Treasuries von der Federal Reserve, US-Banken und ausländischen Institutionen zum ersten Mal seit zumindest 10 Jahren jeweils negativ. Dieser Nachfragekollaps vollzieht sich, während das US-Defizit im Ende September zu Ende gegangenen Fiskaljahr 2021/2022 mit 1,4 Billionen USD deutlich größer ausgefallen ist als im Vor-Corona-Fiskaljahr 2018/2019 mit knapp einer Billion USD.

Im Zusammenspiel mit den zu erwartenden weiteren Zinserhöhungen und der Fortsetzung des Quantitative Tightenings (QT) sollte den Anleiherenditen weiteren Auftrieb verleihen, zumindest solange, bis die auf ewige Disinflation setzenden Investitionsmodelle und Algorithmen vor dem Zusammenbruch stehen.

Diesseits des Atlantiks ist die Lage sogar deutlich prekärer. Am 28. September griff die Bank of England massiv in den britischen Anleihemarkt ein, um ein Lehman 2.0 zu verhindern. Die stark fallenden Anleihekurse brachten britische Pensionsfonds aufgrund der fälligen Nachschussverpflichtungen in eine schwierige Lage. Zwei Wochen später war die der Intervention geschuldete Entspannung auch schon wieder passé. Die Bank of England hat jedenfalls gezeigt, dass sie im Falle eines systemischen Risikos ihren Straffungskurs zumindest unterbricht.

Diese Intervention ist auch darauf zurückzuführen, dass sich die Marktbewertungsverluste bei Derivaten in Verbindung mit "Liability-Driven Investments" (LDI) auf über 125 Mrd. GBP belaufen könnten, so eine Schätzung von JP Morgan. Dies entspricht rund 6% des britischen BIP.


5) Gold als Stabilisator des 60/40-Portfolios

Für einen Großteil der gemischten Portfolios sind gleichzeitig fallende Aktien und Anleihen das absolute Worst-Case-Szenario. In den letzten 90 Jahren gab es allerdings lediglich vier Jahre, in denen sowohl US-Aktien als auch Anleihen im selben Jahr eine negative Jahresperformance auswiesen. Aktuell deutet alles darauf hin, dass 2022 das fünfte Jahr werden könnte.

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In zwei der vier bisherigen Fälle, nämlich 1931 und 1969, folgte eine dramatische Abwertung der Währungen gegenüber Gold. 1931 führten die deutlichen Kursverluste bei Aktien und Anleihen zu Roosevelts Abwertung des US-Dollar gegen Gold um 70% drei Jahre später. 1969 dauerte es nur zwei Jahre, bis die USA durch den Nixon-Schock gezwungen waren, den Goldstandard aufzugeben. Was wird dieses Mal passieren? Was genau passieren wird, wissen wir noch nicht. Dass etwas Historisches passieren wird, ist allerdings wahrscheinlich.

Man erkennt, dass die Inflation in all den genannten Fällen eine zentrale Rolle spielte. Denn nicht nur die Vermögen werden durch die Inflation entwertet, sondern auch die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen.

Die von uns in den Vorjahren bereits angekündigte Abkopplung zwischen Gold und Anleihen hat sich in den letzten Monaten also vollzogen. Der Bondmarkt und der Goldmarkt senden die gleiche Botschaft: Deflation bzw. Disinflation sind nicht mehr die größte Bedrohung für die Portfolios, Inflation ist die neue Realität.

Eines steht mit Sicherheit fest: Die nun hereinbrechende Stagflation wird man mit einem klassischen 60/40-Portfolio nicht bezwingen können. Nicht nur die historische Performance von Gold, Silber und Rohstoffen in vergangenen Stagflationsphasen sprechen für eine entsprechend höhere Gewichtung dieser Vermögenswerte als unter normalen Umständen. Auch die relative Bewertung von Technologieunternehmen zu Rohstoffproduzenten ist ein Argument für ein antizyklisches Investment in Letztere. Die Marktstrategen der BofA haben in Erwartung der Trendwende frühzeitig den Begriff "FAANG 2.0" geprägt:
  • Fuels
  • Aerospace
  • Agriculture
  • Nuclear and Renewables
  • Gold and Metals/Minerals

Fürs Erste mag es überraschend klingen, aber Rezessionen sind für Gold typischerweise ein positives Umfeld. Wie unsere Analysen im In Gold We Trust-Report 2019 gezeigt haben, sind Phasen, in denen an den Märkten und in der Realwirtschaft der Bär dominiert, für Gold bullische Zeiten. Betrachtet man die Performance über den gesamten Rezessionszyklus, so fällt auf, dass Gold in jeder der vier Rezessionsphasen - Phase 1: Eintrittsphase, Phase 2: Inoffizielle Rezession, Phase 3: Offizielle Rezession, Phase 4: Letztes Quartal der Rezession - sowohl in US-Dollar als auch in Euro im Durchschnitt deutliche Preiszuwächse verzeichnen konnte.

Aktien - gemessen am S&P 500 - konnten hingegen nur in der Schlussphase der Rezession deutlich zulegen. Damit konnte Gold die Aktienverluste in den Frühphasen der Rezession hervorragend kompensieren. Darüber hinaus fällt auf, dass Gold im Durchschnitt umso stärker performte, je höher die Kursverluste des S&P 500 waren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gold Aktienkursverluste während Rezessionen größtenteils abfedern konnte. Für Anleihen, den klassischen Aktiendiversifikator, sieht es hingegen weniger gut aus. Die hohe Verschuldung, die Zombifizierung der Wirtschaft und die kräftigen Kursverluste der Anleihe als Folge der stark gestiegenen Zinsen schmälern nicht nur das Potenzial von Anleihen als Aktienkorrektiv, sondern berauben Anleihen vollkommen dieser Eigenschaft.

Wenn sich die Beziehung zwischen Aktien und Anleihen nun tatsächlich nachhaltig umkehrt, wäre dem 60/40-Portfolio die Grundlage - nämlich eine negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen - strukturell und damit längerfristig entzogen. Dann würde sich die grundlegende Frage stellen, welches Asset das Zepter von den Treasuries übernimmt. Gold wäre jedenfalls ein heißer Kandidat. Und unserer Meinung nach ist es höchst an der Zeit, diese Frage zu stellen und dementsprechend zu handeln.


© Ronni Stoeferle
Matterhorn Asset Management AG



Dieser Artikel wurde am 12. November 2022 auf www.goldswitzerland.com veröffentlicht.


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