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Rezessionswaage

15.12.2022  |  John Mauldin
- Seite 4 -
Nach der großen COVID-Spitze sind die wöchentlichen Anträge wieder auf die gleiche flache Linie zurückgekehrt, auf der sie sich 2018-2019 befanden. Die Verbrauchernachfrage ist noch nicht schwach genug, um die Art von Entlassungen zu verursachen, die vor früheren Rezessionen zu beobachten war. Diesmal kommt jedoch ein weiterer Faktor hinzu: der Mangel an Arbeitskräften. Vielen Arbeitgebern fehlen die Arbeitskräfte, die sie benötigen, um die bestehende Nachfrage zu bedienen.

Andere, bei denen sich das Geschäft zwar verlangsamt, zögern noch immer, Personal abzubauen, weil die letzten Jahre gezeigt haben, dass es schwierig sein kann, guten Ersatz zu finden. Ganz zu schweigen von deren Ausbildung. Sie rechnen damit, dass es auf lange Sicht billiger sein könnte, Arbeitskräfte zu behalten, die sie derzeit nicht brauchen.

Einige glauben, dass sich der Arbeitskräftemangel entspannen wird, wenn die Wirtschaft sich genügend abschwächt oder die staatlichen Leistungen so weit gekürzt werden, dass wieder mehr arbeitsfähige Menschen auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Dies setzt voraus, dass es einen großen Pool von Menschen gibt, die arbeiten könnten, es aber nicht tun. Tatsächlich ist die Erwerbsbeteiligung seit 2020 zurückgegangen. Die Gründe dafür wurden intensiv diskutiert, werden aber nun endlich klarer. In einer aktuellen BlackRock-Studie wird der Großteil des verbleibenden Defizits auf die Bevölkerungsalterung zurückgeführt.

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Nach ihren Berechnungen ist der Rückgang der Erwerbsquote hauptsächlich auf die Zahl der Menschen zurückzuführen, die das Rentenalter erreichen, sowie auf weniger Menschen, die über das Rentenalter hinaus arbeiten, und mehr Frühverrentungen. Es handelt sich um eine demografische Verschiebung, die sich bis zu einem gewissen Grad wieder umkehren könnte, wenn die frischgebackenen Rentner erkennen, dass sie mehr Einkommen benötigen und wieder arbeiten gehen. Auch die zunehmende Automatisierung der Arbeit könnte dazu beitragen. Aber das wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Lücke zu schließen.

Wenn die Zahl der Arbeitskräfte im Verhältnis zur Bevölkerung weiter schrumpft, stehen die Chancen gut, dass entweder die Löhne steigen und die Inflation zunimmt oder dass die Wirtschaftstätigkeit zurückgeht, um das Arbeitskräfteangebot auszugleichen.

Ich glaube nicht, dass die Wirtschaftstätigkeit zurückgehen wird, weil der ältere, im Ruhestand befindliche Teil der Bevölkerung weiterhin konsumieren wird, obwohl er (im Allgemeinen) weniger produktiv ist. Das bedeutet mehr Inflationsdruck in den kommenden Jahren. Hinzu kommen die immer noch hohen Energie- und Immobilienpreise, und es sieht immer mehr danach aus, als ob das Inflationsziel der Fed von 2% weiterhin schwer zu erreichen sein wird - dieses Mal von oben statt von unten.

Ein solches Szenario ist nicht unbedingt katastrophal. Die Menschen haben schon seit Jahrhunderten mit Inflation zu kämpfen. Wenn wir in eine Phase eintreten, in der die Inflation im Durchschnitt 3% bis 5% beträgt, wird das nicht gut sein, aber wir werden uns anpassen. Ich denke, dass der Deflationsdruck in 3 bis 4 Jahren (vielleicht auch früher) wieder in den Vordergrund treten wird, es sei denn, die Fed bekommt eine neue Religion und senkt die Zinsen zu stark.

Arbeitskräftemangel könnte bedeuten, dass künftige Rezessionen nicht mehr die Art von Arbeitslosigkeit hervorrufen werden, die wir früher erlebt haben. Ich bin mir wirklich nicht sicher, wie das aussehen wird. Die Waage muss irgendwie ins Gleichgewicht kommen. Vielleicht wird sich der Konjunkturzyklus fortsetzen, aber mit geringerer Amplitude.

Bei all dem gibt es einen großen Joker: China. Die "Null-COVID"-Maßnahmen scheinen zunehmend unpopulär zu sein, aber COVID bleibt dort eine ernsthafte Bedrohung. Es ist unklar, wie das Regime mit diesen konkurrierenden Prioritäten jonglieren wird. Wir wissen, dass die Kommunistische Partei Chinas die soziale Stabilität über alles andere stellt. Wenn das bedeutet, dass das Wirtschaftswachstum geopfert werden muss, wird Xi dies meiner Meinung nach tun.

Ein geringeres Wachstum in China, geschweige denn ein völliger Rückgang, könnte erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Nachfrage nach Energie und Rohstoffen haben. Theoretisch könnte dies die Preise so weit senken, dass der Inflationsdruck in den USA und Europa nachlässt. Vielleicht aber auch nicht. Wir wissen es einfach nicht. Ich erwähne dies, weil es wirklich einen großen Unterschied machen könnte. Nächste Woche findet die letzte Sitzung der Fed im Jahr 2022 statt. Wir werden auch neue "Punktdiagramme" erhalten, die einige ihrer Überlegungen offenbaren könnten. Das große Rätsel ist, wie die Märkte reagieren werden.

Die Fed hat das Jahr mit einem Rückstand begonnen und sollte es nicht mit einer Siegeserklärung beenden - so wie viele eine Zinserhöhung um 50 Punkte interpretieren werden. Die Eindämmung der Inflation muss weiterhin oberste Priorität haben. Meines Erachtens gibt es keine Anzeichen für eine Verlangsamung des Tempos, und ich hoffe, dass sie es auch nicht tun. Wir können über eine Pause im zweiten Quartal sprechen. (Anmerkung: Das ist ein Innehalten und kein Umschwenken. Diejenigen, die glauben, dass die Fed die Zinsen bald senken wird, betreiben Wunschdenken.)

Ob man es nun mag oder nicht, die Fed ist in Sachen Forward Guidance recht geschickt geworden. Wir werden rechtzeitig wissen, wann sie eine (langsame!) Zinssenkung in Betracht zieht. Aber seien Sie vorsichtig, was Sie sich wünschen. Die Märkte steigen in den Monaten nach einer Zinssenkung nicht immer, sondern fallen oft. Diese Tabelle zeigt die Ergebnisse des S&P 500 für verschiedene Zeitspannen.

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© John Mauldin
www.mauldineconomics.com


Dieser Artikel wurde am 09. Dezember 2022 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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