Suche
 
Folgen Sie uns auf:

EZB erhöht den Zins. Märkte geraten in "Stress". Crash-Gefahr steigt

15.12.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte angehoben. Damit liegt der Hauptrefinanzierungszins jetzt bei 2,50 Prozent (der Einlagenzins bei 2,0 Prozent und der Spitzenrefinanzierungszins bei 2,75 Prozent).

Die Zinserhöhung geht in jedem Falle in die richtige Richtung! Auch ist zu begrüßen, dass die EZB ihre Bilanzsumme ab März 2023 zurückführen will (indem sie die ihr zugehenden Tilgungszahlungen aus ihrem Schuldenportfolio nicht mehr reinvestiert im Kapitalmarkt).

Sie wird allerdings die aktuelle Hochinflationswelle nicht mehr rückgängig machen können. Mit weiteren Zinserhöhungen kann jedoch dafür gesorgt werden, dass die Inflation in der entfernteren Zukunft verringert wird.

Der "Geldmengenüberhang“ im Euroraum beträgt nämlich, unseren Berechnungen zufolge, gut 9 Prozent. Er bemisst den Inflationsdruck, der aus der bereits in der Vergangenheit erzeugten Geldmenge noch zu erwarten ist.

Nimmt man an, dass der Geldmengenüberhang sich binnen zwei Jahren abbaut, und dass die Geldmengenzunahme weiterhin 5 Prozent pro Jahr beträgt, wäre mit einer Inflation von ungefähr 7 Prozent pro Jahr in den kommen zwei Jahren zu rechnen.

Open in new window

Gleichzeitig führt jedoch die aktuelle Hochinflation zu einer Schrumpfung des realen Geldangebots (siehe nachstehende Abbildung), und das wiederum spricht für eine „Bremsung“ der Konjunktur im Euroraum.

Angesichts der sehr hohen Inflation der Konsumgüterpreise (im November lag sie bei 10 Prozent) befindet sich der Euro-Realzins, d.h. der inflationsbereinigte Zins, immer noch tief unter der Nulllinie – bei ungefähr minus 7,5 Prozent.

Open in new window

Es wäre also ein sehr viel höherer Notenbankzins erforderlich, um den Realzins wieder auf beziehungsweise über die Nulllinie zu heben. Doch vermutlich werden die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Anpassungskosten (Konjunktureinbruch, Kreditausfälle etc.) gescheut.

Die Zinserhöhungen, die die EZB und auch andere Zentralbanken derzeit vollziehen, bedeuten daher auch keine grundsätzliche Abkehr von der kreditgetriebenen Konjunktur- und Inflationspolitik. Sie sollen vermutlich lediglich "größere Exzesse“ eindämmen.

Doch halten die Euro-Märkte steigende Zinsen aus, begleitet von einer Schrumpfung der EZB-Bilanz? Wer soll eigentlich die Flut von Anleihen kaufen, die die Staaten ausgeben und refinanzieren wollen? Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Märkte in "Stress“ geraten, weil die Staaten ihre Verschuldung nicht eindämmen – und die Crash-Gefahr zunimmt.

Die Rendite für 10-jährige italienische Anleihen stiegen sogleich auf 4,13% (+0,27 Prozentpunkte). Die Erinnerung an die jüngsten Turbulenzen im Markt der UK-Gilts drängt sich auf … . Ein Risikoszenario, das Anleger nicht aus dem Auge verlieren sollten.

Euro-Halter haben daher gute Gründe zu erwarten: Die Kaufkraft des Euro wird weiter nachgeben, und die Risiken, dass es Finanzmarkturbulenzen gibt, steigt.


Was für den Anleger wichtig ist

Anleger im Euroraum werden sehr wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren mit erhöhter Inflation fertig werden müssen. Die Realzinsen auf Bankguthaben und viele Wertpapiere werden sehr wahrscheinlich (tief) unter der Nulllinie bleiben.

Das Halten von physischem Gold und Silber ist eine Möglichkeit, dem Kaufkraftverlust des Geldes die Stirn zu bieten.

Preiszuwächse bei den Edelmetallen in den kommenden Monaten sind gerade auch vor dem Hintergrund wahrscheinlich, dass das Hoch bei den langfristigen Kapitalmarktzinsen in den USA, aber auch im Euroraum vermutlich schon bald erreicht ist beziehungsweise vielleicht schon hinter uns liegt.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"