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Zur Ökonomik der Kriegswirtschaft und ihrer Inflation

05.02.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Insgesamt sorgt die Inflation jedoch für eine Verarmung der Volkswirtschaft. Beispielsweise indem sie Kapitalverzehr verursacht. Unternehmen bilanzieren und rechnen üblicherweise in Nominalwerten. In Inflationszeiten nehmen die nominalen Umsätze zu.

Gleichzeitig gehen die auf Lager liegenden Vorleistungsgüter zu historischen Anschaffungskosten in die Buchführung ein, nicht aber zu den bereits gestiegenen Wiederbeschaffungskosten. Das führt zum Ausweis von "Scheingewinnen". Sie unterliegen der Besteuerung. Dem Unternehmen wird dadurch effektiv eine reale Steuererhöhung auferlegt, und die Steuerabführung verursacht einen Substanzverlust. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen nimmt dadurch ab.


Verschärfung

Die bisherigen Überlegungen über die Kriegswirtschaft treffen auf den Fall zu, in dem der Staat als zusätzlicher und mächtiger Nachfrager in einem ansonsten noch (relativ) ungehemmten Marktsystem auftritt. Dadurch kann er die Effizienz und Erfindungskraft des freien Unternehmertums für seine Ziele bestmöglich einspannen - etwa indem private Firmen neue Waffen, Ausrüstungen und militärische Versorgungstechniken entwickeln und bereitstellen.

Das aber wird nur so lange der Fall sein, wie die militärischen Erfordernisse relativ gering sind im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Produktion. Wächst sich der Güterbedarf für die Kriegsführung aus, und gelangt der Staat unter den herrschenden Bedingungen nicht an die von ihm gewünschten Kriegsgüter, ist absehbar, dass er Wirtschaft und Gesellschaft seinen Zwecken immer stärker unterstellen wird.

In der ersten Stufe wird der Staat eine Befehls- und Lenkungswirtschaft herbeiführen wollen. Das heißt im Kern, der Staat belässt den Unternehmern das Eigentum an ihren Produktionsmitteln (Vorprodukten, Werkzeugen, Produktionsstätten etc.).

Gleichzeitig diktiert er ihnen jedoch, was wann wie und in welcher Menge zu produzieren ist, und wie hoch die Löhne auszufallen haben, in welcher Höhe Dividenden gezahlt werden dürfen etc. Die Unternehmer sind nur noch rechtlich-formal Eigentümer ihrer Produktionsmittel. Wirtschaftlich gesehen sind sie zu Befehlsempfängern degradiert, von staatlicher Obrigkeit bestimmte Betriebsführer. Die Möglichkeit, unter den gegebenen Bedingungen noch Gewinn erzielen und das Eigentum erhalten zu können, hält jedoch die Anreize für die Firmeninhaber aufrecht, so effizient wie möglich weiterzuproduzieren.

Der Schritt von der Befehls- und Lenkungswirtschaft in den Kriegssozialismus ist dann nur noch ein ganz kleiner. Er wird dann vollzogen, wenn der Staat die Firmeneigentümer enteignet, ihre Firmen verstaatlicht.

In der Befehls- und Lenkungswirtschaft haben die Marktpreise ihre volkswirtschaftliche Funktion, knappe Ressourcen in die dringendsten Verwendungen zu lenken, bereits weitestgehend eingebüßt. Das Bestehen des Privateigentums hält jedoch die Firmen an, mit den knappen Mitteln bestmöglich zu wirtschaften. Weil aber die Marktpreise bereits in ihrer Signalfunktion stark beeinträchtig sind, ist das Chaos in der Wirtschaftsrechnung bereits vorprogrammiert: Fehlinvestitionen, nicht realisierbare Produktionsvorhaben sind an der Tagesordnung.

Wenn der Staat dann auch noch die Firmen nach und nach verstaatlicht, ihre Eigentümer enteignet, dann wird nach und nach der Sozialismus errichtet, so wie er in ökonomischen Lehrbüchern richtigerweise definiert wird:

Sozialismus ist ein Wirtschaftssystem, in dem die Produktionsmittel verstaatlicht sind. Spätestens dann machen sich auch alle wirtschaftlichen Defekte, die die Ökonomik am Sozialismus festgestellt hat, unvermindert bemerkbar. Spätestens dann gehört der Mangel für die Bevölkerung zur tagtäglichen Erfahrung. Man sollte auch das Argument sorgfältig abwägen, dass ein Kriegssozialismus nur von vorübergehender Natur sei, dass er wieder beendet wird, sobald die Notlage vorbei ist; er sei nur eine "Übergangswirtschaft".

Denn man muss in Rechnung stellen, dass sich mitunter Beharrungskräfte zeigen werden, die sich gegen einen Rückbau des Kriegssozialismus aussprechen: Viele Unternehmen würden Aufträge und Gewinne verlieren, viele Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze und Einkommen, viele ihren Einfluss in Regierung und Bürokratie. Je weiter der Kriegswirtschaft, der Kriegssozialismus fortgeschritten waren, je länger sie angedauert haben, desto höher werden auch die volkswirtschaftlichen Kosten ausfallen, sie zu beenden und zu normalen Verhältnissen zurückzukehren.



Die voranstehenden Gedanken mögen genügen, um zu verdeutlichen, welche ökonomischen Probleme und Kosten eine Kriegswirtschaft nach sich zieht (die zusätzlich zum akuten menschlichen Leid entstehen, die kriegerische Auseinandersetzungen immer zur Folge haben). Das Grundübel ist der Krieg. Ihn gilt es zu verhindern, und dort, wo er ausgebrochen ist, so rasch wie möglich zu beenden. Dass dabei der eine den anderen besiegt, wird aber nicht ausreichen, Frieden dauerhaft in die Welt zu bringen.

Das wusste bereits der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (siehe das Zitat am Anfang dieses Artikels). Der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) sagte es so: "Den Aggressor zu besiegen ist nicht genug, um ewigen Frieden zu schaffen. Die Hauptsache ist die Ideologie zu verwerfen, die den Krieg heraufbeschwört."


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Siehe The Jamestown Foundation, 31. Oktober 2022.
² Siehe ZDF, 1. Februar 2023.
³ Siehe Bild, 21. November 2022.
⁴ Siehe Merkur, 26. Januar 2023.



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