Rezession: Das dicke Ende kommt erst noch
11.02.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Viele Konjunkturprognostiker geben in diesen Tagen Entwarnung. Die befürchtete Rezession, so meinen sie, bleibt aus. Doch Vorsicht! Ein Blick auf die monetäre Entwicklung zeigt, dass die Gefahren für die Konjunktur größer sind als die Optimisten glauben.
In diesen Tagen macht sich Erleichterung breit bei Konjunkturauguren und Börsenexperten. Die Energiepreise gehen merklich zurück. Die Versorgung mit Energie in diesem Winter scheint gesichert, und zur Not stehen staatliche Unterstützungen für Konsumenten und Produzenten bereit. China kehrt sich von der Null-Covid-Politik ab, die Produktion wird wieder hochgefahren. Die Hochinflation ist zwar nach wie vor ein gewaltiges Problem für Konsumenten und Produzenten, aber die Zentralbanken haben sich immerhin aufgemacht, mit Zinserhöhungen die Geldentwertung zu reduzieren. Heißt das also Krisen- und Rezessionssorgen adé? Leider nein.
Denn es gibt eine makroökonomische Entwicklung, die einem Sturm gleichkommt, die aber von vielen Experten und Investoren nicht beachtet und erwähnt wird. Es ist das weltweite Schrumpfen der realen Geldmengen. Was ist damit gemeint? Die reale Geldmenge steht für die tatsächliche Kaufkraft des Geldes. Ein Beispiel: Sie haben 10 Euro, und 1 Apfel kostet 1 Euro. Mit ihren 10 Euro können sie also 10 Äpfel kaufen. Steigt der Apfelpreis auf, sagen wir, 2 Euro pro Stück, fällt die Kaufkraft der 10 Euro auf 5 Äpfel. Die reale Geldmenge ist also das Ergebnis von nominaler Geldmenge und Güterpreisen.
Die reale Geldmenge in einer Volkswirtschaft kann abnehmen, wenn die nominale Geldmenge sinkt und/oder die Güterpreise in die Höhe schnellen. Genau das spielt sich derzeit weltweit ab. Die nachstehende Graphik zeigt die Jahreswachstumsrate der realen Geldmenge in der OECD von 1981 bis Oktober 2022. Die reale Geldmenge ist jüngst um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben. Was ist der Grund? Das nominale Geldmengenwachstum hat merklich nachgelassen, gleichzeitig sind die Güterpreise drastisch gestiegen. Auch dafür gibt es Erklärungen.
Schaut auf die reale Geldmenge!
Der enorme Anstieg der Güterpreise, also die Hochinflation, ist Folge der Geldpolitik der Zentralbanken. Sie haben im Zuge der politisch diktierten Lockdowns die Geldmenge gewaltig erhöht. So hat die US-Zentralbank die Geldmenge M2 seit Ende 2019 bis heute um etwa 40 Prozent, die Europäische Zentralbank die Geldmenge M3 um 25 Prozent ausgedehnt. Weil der Zuwachs des Güterangebots damit nicht Schritt gehalten hat, ist ein gewaltiger Geldmengenüberhang entstanden, der auf die Kostenschübe durch die Klimapolitik, die Lockdowns und den Ukraine-Krieg trifft und sich in Hochinflation entlädt.
Mittlerweile hat sich das Geldmengenwachstum jedoch wieder stark vermindert. In den USA fiel es im November 2022 auf null Prozent, im Euroraum auf 4,8 Prozent. Der Grund: Die Geschäftsbanken vergeben weniger Darlehen, die durch die Bankkreditvergabe neu erzeugte Geldmenge wächst nicht mehr so stark wie zuvor. Zudem kaufen die Zentralbanken keine Staatsanleihen mehr, auch dies lässt den Zustrom neuen Geldes in die Volkswirtschaft abebben. Es mag paradox klingen, aber ökonomisch gesehen reduziert die aktuelle Hochinflation den Geldmengenüberhang, und einhergehend mit einem nunmehr deutlich verminderten Geldmengenwachstum sinkt der künftige Inflationsdruck.
Nimmt die reale Geldmenge und damit die Kaufkraft der Konsumenten und Produzenten so stark ab, wie es aktuell der Fall ist, stehen die Zeichen zumindest auf Konjunkturschwäche, eher sogar auf Rezession. Schrumpft die reale Geldmenge in der Volkswirtschaft, werden alle, die Geld halten, ärmer. Sie können nun nicht mehr die bisher von ihnen gekauften Gütermengen erwerben. Sie müssen ihre Ausgaben anpassen: Verteuerte Güter nicht mehr kaufen, oder verteuerte Güter weiterhin kaufen, dafür aber auf andere Güter verzichten. Das Ergebnis ist ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.
Reale Geldmenge signalisiert scharfe Rezession im Euroraum
Im Euroraum zeigt sich ein interessanter Zusammenhang zwischen dem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) und der inflationsbereinigten Geldmenge M1 (sie beinhaltet Bargeld plus täglich fällige Guthaben, die Private bei den Geschäftsbanken halten): Und zwar hat die reale Geldmenge einen zeitlichen Vorlauf von etwa vier Quartalen vor dem realen BIP, wie die nachstehende Abbildung zeigt. In den letzten Monaten hat die Zuwachsrate der Geldmenge M1 stark abgenommen, gleichzeitig ist die Güterpreisinflation stark angestiegen.
Das Ergebnis ist eine gewaltige Schrumpfung der realen Geldmenge M1 gegenüber dem Vorjahr. Anders gesagt: Die Kaufkraft von Konsumenten und Produzenten ist stark gefallen, und das spricht für rezessive Effekte auf das reale BIP. Die reale Geldmenge M1 im Euroraum signalisiert also die Gefahr einer scharfen Rezession.
In diesen Tagen macht sich Erleichterung breit bei Konjunkturauguren und Börsenexperten. Die Energiepreise gehen merklich zurück. Die Versorgung mit Energie in diesem Winter scheint gesichert, und zur Not stehen staatliche Unterstützungen für Konsumenten und Produzenten bereit. China kehrt sich von der Null-Covid-Politik ab, die Produktion wird wieder hochgefahren. Die Hochinflation ist zwar nach wie vor ein gewaltiges Problem für Konsumenten und Produzenten, aber die Zentralbanken haben sich immerhin aufgemacht, mit Zinserhöhungen die Geldentwertung zu reduzieren. Heißt das also Krisen- und Rezessionssorgen adé? Leider nein.
Denn es gibt eine makroökonomische Entwicklung, die einem Sturm gleichkommt, die aber von vielen Experten und Investoren nicht beachtet und erwähnt wird. Es ist das weltweite Schrumpfen der realen Geldmengen. Was ist damit gemeint? Die reale Geldmenge steht für die tatsächliche Kaufkraft des Geldes. Ein Beispiel: Sie haben 10 Euro, und 1 Apfel kostet 1 Euro. Mit ihren 10 Euro können sie also 10 Äpfel kaufen. Steigt der Apfelpreis auf, sagen wir, 2 Euro pro Stück, fällt die Kaufkraft der 10 Euro auf 5 Äpfel. Die reale Geldmenge ist also das Ergebnis von nominaler Geldmenge und Güterpreisen.
Die reale Geldmenge in einer Volkswirtschaft kann abnehmen, wenn die nominale Geldmenge sinkt und/oder die Güterpreise in die Höhe schnellen. Genau das spielt sich derzeit weltweit ab. Die nachstehende Graphik zeigt die Jahreswachstumsrate der realen Geldmenge in der OECD von 1981 bis Oktober 2022. Die reale Geldmenge ist jüngst um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben. Was ist der Grund? Das nominale Geldmengenwachstum hat merklich nachgelassen, gleichzeitig sind die Güterpreise drastisch gestiegen. Auch dafür gibt es Erklärungen.
Schaut auf die reale Geldmenge!
Der enorme Anstieg der Güterpreise, also die Hochinflation, ist Folge der Geldpolitik der Zentralbanken. Sie haben im Zuge der politisch diktierten Lockdowns die Geldmenge gewaltig erhöht. So hat die US-Zentralbank die Geldmenge M2 seit Ende 2019 bis heute um etwa 40 Prozent, die Europäische Zentralbank die Geldmenge M3 um 25 Prozent ausgedehnt. Weil der Zuwachs des Güterangebots damit nicht Schritt gehalten hat, ist ein gewaltiger Geldmengenüberhang entstanden, der auf die Kostenschübe durch die Klimapolitik, die Lockdowns und den Ukraine-Krieg trifft und sich in Hochinflation entlädt.
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. (1) Nominales Geldmengenwachstum
abzüglich der Jahresveränderung der Konsumgüterpreise.
abzüglich der Jahresveränderung der Konsumgüterpreise.
Mittlerweile hat sich das Geldmengenwachstum jedoch wieder stark vermindert. In den USA fiel es im November 2022 auf null Prozent, im Euroraum auf 4,8 Prozent. Der Grund: Die Geschäftsbanken vergeben weniger Darlehen, die durch die Bankkreditvergabe neu erzeugte Geldmenge wächst nicht mehr so stark wie zuvor. Zudem kaufen die Zentralbanken keine Staatsanleihen mehr, auch dies lässt den Zustrom neuen Geldes in die Volkswirtschaft abebben. Es mag paradox klingen, aber ökonomisch gesehen reduziert die aktuelle Hochinflation den Geldmengenüberhang, und einhergehend mit einem nunmehr deutlich verminderten Geldmengenwachstum sinkt der künftige Inflationsdruck.
Nimmt die reale Geldmenge und damit die Kaufkraft der Konsumenten und Produzenten so stark ab, wie es aktuell der Fall ist, stehen die Zeichen zumindest auf Konjunkturschwäche, eher sogar auf Rezession. Schrumpft die reale Geldmenge in der Volkswirtschaft, werden alle, die Geld halten, ärmer. Sie können nun nicht mehr die bisher von ihnen gekauften Gütermengen erwerben. Sie müssen ihre Ausgaben anpassen: Verteuerte Güter nicht mehr kaufen, oder verteuerte Güter weiterhin kaufen, dafür aber auf andere Güter verzichten. Das Ergebnis ist ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.
Reale Geldmenge signalisiert scharfe Rezession im Euroraum
Im Euroraum zeigt sich ein interessanter Zusammenhang zwischen dem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) und der inflationsbereinigten Geldmenge M1 (sie beinhaltet Bargeld plus täglich fällige Guthaben, die Private bei den Geschäftsbanken halten): Und zwar hat die reale Geldmenge einen zeitlichen Vorlauf von etwa vier Quartalen vor dem realen BIP, wie die nachstehende Abbildung zeigt. In den letzten Monaten hat die Zuwachsrate der Geldmenge M1 stark abgenommen, gleichzeitig ist die Güterpreisinflation stark angestiegen.
Das Ergebnis ist eine gewaltige Schrumpfung der realen Geldmenge M1 gegenüber dem Vorjahr. Anders gesagt: Die Kaufkraft von Konsumenten und Produzenten ist stark gefallen, und das spricht für rezessive Effekte auf das reale BIP. Die reale Geldmenge M1 im Euroraum signalisiert also die Gefahr einer scharfen Rezession.