Über das Verhältnis zwischen Aktienkursen und dem Goldpreis
20.02.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
"In reality there is no such thing as an inflation of prices, relatively to gold. There is such a thing as a depreciated paper currency." - Lysander Spooner
Das Verhältnis zwischen Aktienkursen und Goldpreis stößt bei Investoren immer wieder auf großes Interesse. In diesem Aufsatz zeigen wir auf, wie es sinnvoll interpretiert werden kann, und was sich daraus für die Kapitalanlage ableiten lässt.
Der Charme der langen Zeitreihe
Es gibt eine ganze Reihe sehr faszinierender, immer wieder Aufmerksamkeit erregender langer Datenzeitreihen. Eine davon ist das Verhältnis zwischen dem USAktienmarktindex Dow Jones Industrial und dem Goldpreis (USD/oz) im Zeitablauf.
Abb. 1 zeigt es für die Zeit von Januar 1915 bis Februar 2023. Im Folgenden soll das Aktienmarkt-Goldpreis-Verhältnis näher erklärt werden, und es soll dabei herausgearbeitet werden, was man als Anleger von diesem Verhältnis lernen kann - und was nicht.
Der Blick auf lange Zeitreihen ist lehrreich. Er zeigt, dass Zyklen auf den Finanzmärkten mitunter sehr lange anhalten können. Und zwar auch so lange, dass ganze Generationen von Investoren und Analysten nur einen Teil des Zyklus kennenlernen - dass sie beispielsweise ihre Berufskarriere ausschließlich im Regime steigender Aktienkurse oder Regime fallender Zinsen verbringen - und den anderen Teil des Zyklus nicht erfahren. Umsichtige Anleger sind daher gut beraten, die Finanzmarktgeschichte nicht aus den Augen zu verlieren.
Doch zurück zu Abb. 1. Das Verhältnis zwischen Aktienmarktindex und Goldpreis zeigt, wie viele Goldunzen aufgewendet werden müssen, um den Aktienmarktindex zu erwerben. Ist das Aktienmarktindex-Goldpreis-Verhältnis hoch (niedrig), müssen viele (wenige) Goldunzen aufgewendet werden, um den Aktienmarkt zu kaufen. Ein hohes (niedriges) Aktienmarktindex-Goldpreis-Verhältnis bedeutet also, dass Aktien teuer (billig) sind gegenüber Gold.
Weiterhin muss man bei der Interpretation der Zeitreihe beachten, dass der Marktpreis des Goldes bis Ende der 1960er Jahre offiziell fixiert war: Bis Ende 1933 lag er bei 20,67 US-Dollar pro Feinunze, im Januar 1934 änderte die US-Administration das Austauschverhältnis auf 35 US-Dollar pro Feinunze. (Dadurch wurde der US-Dollar um gut 40 Prozent gegenüber dem Greenback abgewertet.) Gegen Ende der 1960er Jahre löste sich der Marktpreis des Goldes jedoch zusehends von seiner offiziellen Vorgabe, und seither wird er (mehr oder weniger) frei im Markt bestimmt.
Das heißt, bis etwa 1968 sind die Schwankungen des Dow-Jones-Goldpreis-Verhältnisses allein durch die Schwankungen der Aktienkurse zu erklären (mit der Ausnahme des Jahres 1934, in dem, wie bereits erwähnt, der offizielle Goldpreis in US-Dollar einmalig erhöht wurde). Nach 1968 erklärt sich die Veränderung des Dow-Jones-Goldpreis-Verhältnisses entsprechend durch die Veränderungen beiden Größen, der Aktienkurse und des Goldpreises.
Wie die gestrichelte Linie in Abb. 1 zeigt, ist das Verhältnis zwischen Aktienmarktindex und Goldpreis im Zeitablauf gestiegen. Das heißt, über den gesamten Zeitraum betrachtet, fielen die Kurssteigerungen der Aktien durchschnittlich höher aus als die Zuwächse des Goldpreises. Das ist ökonomisch gesehen verständlich. Aktien repräsentieren Anteile am volkswirtschaftlichen Produktionskapital. Und Firmen, wenn sie erfolgreich wirtschaften, vergrößern ihre Märkte, steigern ihre Gewinne und zahlen Dividenden, werden wertvoller, und das zeigt sich in einem Anstieg ihrer marktgehandelten Aktienkurse.
Das Gold hingegen verzeichnet keine derartigen produktiven Zuwächse. Es dient den Menschen als Rohstoff, vor allem aber als Geldersatz, als verlässliches Wertaufbewahrungsmittel, als "Geld in Wartestellung". So gesehen ist zu erwarten, dass der Goldpreis langfristig gesehen im Einklang mit der Geldentwertungsrate steht, dass er sich in Krisenphasen verteuert (dass also die Versicherungsprämie des Goldes an Wert gewinnt), dass aber in "Normalphasen" der Preis des Goldes im Zeitablauf weniger stark steigt als der Wertzuwachs beim Produktivkapital.
Was es zu beachten gilt
Das Verhältnis zwischen dem Aktienmarktindex und dem Goldpreis hat stark geschwankt, wie der Blick auf Abb. 1 unübersehbar vermittelt.¹ So lag es im August 1929 bei 17,4, im Februar 1933 bei 1,6. Der Hochpunkt war im September 1999 mit 42,6. Da aber, wie bereits gesagt, das Dow-Jones-Industrial-Goldpreis-Verhältnis einen positiven Aufwärtstrend im Betrachtungszeitraum aufweist, ist es sinnvoll, eine Trendbereinigung der Zeitreihe vorzunehmen.
Das Ergebnis ist in Abb. 2 dargestellt. Durch die "Methode des genauen Hinschauens" erkennt man, dass die Schwingungen in der Zeitreihe im Betrachtungszeitraum tendenziell größer geworden sind: Die Ausschläge nach oben und unten relativ zum Trendverlauf haben in den letzten Jahrzehnten also zugenommen.
Das Verhältnis zwischen Aktienkursen und Goldpreis stößt bei Investoren immer wieder auf großes Interesse. In diesem Aufsatz zeigen wir auf, wie es sinnvoll interpretiert werden kann, und was sich daraus für die Kapitalanlage ableiten lässt.
Der Charme der langen Zeitreihe
Es gibt eine ganze Reihe sehr faszinierender, immer wieder Aufmerksamkeit erregender langer Datenzeitreihen. Eine davon ist das Verhältnis zwischen dem USAktienmarktindex Dow Jones Industrial und dem Goldpreis (USD/oz) im Zeitablauf.
Abb. 1 zeigt es für die Zeit von Januar 1915 bis Februar 2023. Im Folgenden soll das Aktienmarkt-Goldpreis-Verhältnis näher erklärt werden, und es soll dabei herausgearbeitet werden, was man als Anleger von diesem Verhältnis lernen kann - und was nicht.
Quelle: Refinitiv, Federal Reserve Bank of St. Louis; Berechnung Degussa. Periode: Januar 1915 bis Februar 2023. Die gestrichelte Linie repräsentiert den geschätzten Trendverlauf der Zeitreihe. Steigt (fällt) die Zeitreihe, so bedeutet das, dass sich die Aktien verteuern (verbilligen) relativ zum Gold. Schattierte Flächen: Aktienkurse stiegen stärker als der Goldpreis.
Der Blick auf lange Zeitreihen ist lehrreich. Er zeigt, dass Zyklen auf den Finanzmärkten mitunter sehr lange anhalten können. Und zwar auch so lange, dass ganze Generationen von Investoren und Analysten nur einen Teil des Zyklus kennenlernen - dass sie beispielsweise ihre Berufskarriere ausschließlich im Regime steigender Aktienkurse oder Regime fallender Zinsen verbringen - und den anderen Teil des Zyklus nicht erfahren. Umsichtige Anleger sind daher gut beraten, die Finanzmarktgeschichte nicht aus den Augen zu verlieren.
Doch zurück zu Abb. 1. Das Verhältnis zwischen Aktienmarktindex und Goldpreis zeigt, wie viele Goldunzen aufgewendet werden müssen, um den Aktienmarktindex zu erwerben. Ist das Aktienmarktindex-Goldpreis-Verhältnis hoch (niedrig), müssen viele (wenige) Goldunzen aufgewendet werden, um den Aktienmarkt zu kaufen. Ein hohes (niedriges) Aktienmarktindex-Goldpreis-Verhältnis bedeutet also, dass Aktien teuer (billig) sind gegenüber Gold.
Weiterhin muss man bei der Interpretation der Zeitreihe beachten, dass der Marktpreis des Goldes bis Ende der 1960er Jahre offiziell fixiert war: Bis Ende 1933 lag er bei 20,67 US-Dollar pro Feinunze, im Januar 1934 änderte die US-Administration das Austauschverhältnis auf 35 US-Dollar pro Feinunze. (Dadurch wurde der US-Dollar um gut 40 Prozent gegenüber dem Greenback abgewertet.) Gegen Ende der 1960er Jahre löste sich der Marktpreis des Goldes jedoch zusehends von seiner offiziellen Vorgabe, und seither wird er (mehr oder weniger) frei im Markt bestimmt.
Das heißt, bis etwa 1968 sind die Schwankungen des Dow-Jones-Goldpreis-Verhältnisses allein durch die Schwankungen der Aktienkurse zu erklären (mit der Ausnahme des Jahres 1934, in dem, wie bereits erwähnt, der offizielle Goldpreis in US-Dollar einmalig erhöht wurde). Nach 1968 erklärt sich die Veränderung des Dow-Jones-Goldpreis-Verhältnisses entsprechend durch die Veränderungen beiden Größen, der Aktienkurse und des Goldpreises.
Wie die gestrichelte Linie in Abb. 1 zeigt, ist das Verhältnis zwischen Aktienmarktindex und Goldpreis im Zeitablauf gestiegen. Das heißt, über den gesamten Zeitraum betrachtet, fielen die Kurssteigerungen der Aktien durchschnittlich höher aus als die Zuwächse des Goldpreises. Das ist ökonomisch gesehen verständlich. Aktien repräsentieren Anteile am volkswirtschaftlichen Produktionskapital. Und Firmen, wenn sie erfolgreich wirtschaften, vergrößern ihre Märkte, steigern ihre Gewinne und zahlen Dividenden, werden wertvoller, und das zeigt sich in einem Anstieg ihrer marktgehandelten Aktienkurse.
Das Gold hingegen verzeichnet keine derartigen produktiven Zuwächse. Es dient den Menschen als Rohstoff, vor allem aber als Geldersatz, als verlässliches Wertaufbewahrungsmittel, als "Geld in Wartestellung". So gesehen ist zu erwarten, dass der Goldpreis langfristig gesehen im Einklang mit der Geldentwertungsrate steht, dass er sich in Krisenphasen verteuert (dass also die Versicherungsprämie des Goldes an Wert gewinnt), dass aber in "Normalphasen" der Preis des Goldes im Zeitablauf weniger stark steigt als der Wertzuwachs beim Produktivkapital.
Was es zu beachten gilt
Das Verhältnis zwischen dem Aktienmarktindex und dem Goldpreis hat stark geschwankt, wie der Blick auf Abb. 1 unübersehbar vermittelt.¹ So lag es im August 1929 bei 17,4, im Februar 1933 bei 1,6. Der Hochpunkt war im September 1999 mit 42,6. Da aber, wie bereits gesagt, das Dow-Jones-Industrial-Goldpreis-Verhältnis einen positiven Aufwärtstrend im Betrachtungszeitraum aufweist, ist es sinnvoll, eine Trendbereinigung der Zeitreihe vorzunehmen.
Das Ergebnis ist in Abb. 2 dargestellt. Durch die "Methode des genauen Hinschauens" erkennt man, dass die Schwingungen in der Zeitreihe im Betrachtungszeitraum tendenziell größer geworden sind: Die Ausschläge nach oben und unten relativ zum Trendverlauf haben in den letzten Jahrzehnten also zugenommen.
Quelle: Refinitiv, Federal Reserve Bank of St. Louis; Berechnung Degussa. Periode: Januar 1915 bis Februar 2023. Steigt (fällt) die Zeitreihe, so bedeutet das, dass sich die Aktien verteuern (verbilligen) relativ zum Goldpreis. Schattierte Flächen: Aktienkurse stiegen stärker als der Goldpreis.