Warum schrumpft die US-Geldmenge M2?
25.02.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Im Dezember 2022 war das Jahreswachstum der US-Geldmenge M2 (Bargeld plus kurzlaufende Bankguthaben) erstmals seit 1960 negativ (Abb. 1). Die Geldmenge ist also geschrumpft. Das verschärft den Rückgang der "realen Geldmenge", also der um die Inflation bereinigten Geldmenge. Sie ging im letzten Monat des vergangenen Jahres um 7,3 Prozent auf Jahresbasis zurück - und damit so stark wie zuletzt in den frühen 1980er Jahren, in denen es in den Vereinigten Staaten von Amerika zu einer schweren Rezession kam.
Blickt man auf die Zusammensetzung der Geldmenge M2, so zeigt sich ein Rückgang von 442,3 Mrd. US-Dollar im Dezember 2022 gegenüber dem Vorjahr. Zu erkennen ist, dass sich der Zuwachs der Sichtguthaben seit Sommer 2021 merklich verlangsamt hat, und dass vor allem auch die sonstigen liquiden Bankguthaben (sie machen fast die Hälfte der Geldmenge M2 aus) ab August 2022 abgenommen haben. Was könnten die Gründe dafür sein?
Um diese Frage zu beantworten, sollte zunächst ein Blick auf die Bankkreditvergabe geworfen werden - denn sie ist sozusagen die Hauptquelle der Geldmengenentstehung. Die Kreditvergabe der US-Banken hat sich zwar seit August 2022 verlangsamt - und zwar von einem Jahreszuwachs von gut 1,6 auf zuletzt knapp 1,0 Billionen US-Dollar -, jedoch hat das zweifelsohne dazu beigetragen, die Geldmenge weiter zu erhöhen.
Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Bilanzsumme des US-Bankenapparates weiter angestiegen ist – zuletzt um 399 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr. Daraus lässt sich schließen, dass auch von dieser Entwicklung kein "Schrumpfeffekt" auf die Geldmenge M2 ausgegangen ist.
Vor diesem Hintergrund scheinen Umschichtungsprozesse, die durch die steigenden Zinsen angestoßen wurden, die wahrscheinlich(st)e Ursache für die Schrumpfung der Geldmenge M2 zu sein. Beispielsweise bieten Banken ihren Kunden höhere Zinsen, wenn sie ihre Sicht- und Termineinlagen in Bankschuldverschreibungen tauschen. Da letztere nicht in der Geldmenge M2 enthalten sind, bewirkt ein solcher Tauschvorgang einen Rückgang des monetären Aggregats.
Weiterhin ist zu beachten, dass die US-Zentralbank die Zentralbankgeldmenge zurückführt (was auch als "Quantitative Tightening", kurz „QT“ bezeichnet wird, also als "mengenmäßige Verknappung" von Zentralbankgeld). Das macht sie beispielsweise dadurch, dass sie die Zins- und Tilgungszahlungen, die sie für die Anleihen, die sich in ihrer Bilanz befinden, nicht mehr im Kapitalmarkt reinvestiert. Zahlungen vom Geschäftsbankensektor an die Zentralbanken reduzieren die Zentralbankgeldmenge sowie auch die Guthaben im Geschäftsbankensektor.
Die US-Zentralbank führt auch sogenannte "Reverse Repo Operations" mit ausgewählten Marktparteien durch. Auch das kann dazu führen, dass Guthaben, die Teil der Geldmenge M2 sind, ausgebucht werden und das monetäre Aggregat entsprechend reduzieren. Zu denken ist beispielsweise an Hedge Funds, Pensionsfonds oder Family Offices, denen der Zugang zu Geschäften mit der Fed eröffnet wurde, und die ihre bisher bei Geschäftsbanken gehaltenen Guthaben an die Fed überweisen.
Die Zinserhöhungen haben seit Mitte 2022 zu einer merklichen Verschärfung der Kreditvergabestandards bei den US-Banken geführt (Abb. 2).
Setzt sich diese Tendenz fort, spräche das für eine (weitere) Verlangsamung der Kreditvergabe und damit der Geldschaffung durch den Bankensektor - und könnte so den Schrumpfkurs der Geldmenge noch verstärken. - Insgesamt gesehen, so ist unsere Schlussfolgerung an dieser Stelle, sendet die Geldmenge - vor allem die reale, das heißt inflationsbereinigte Geldmenge - kein verzerrtes, sondern ein überaus klares Signal: Die Zinserhöhungen der Fed greifen bereits, sprechen nicht nur für eine Abnahme des künftigen Inflationsdrucks, sondern mittlerweile auch für eine (heftige) Bremsung der Konjunktur. Für Anleger ist es daher sinnvoll, die weitere Entwicklung der US-Geldmenge M2 im Auge zu behalten.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
Quelle: Refinitiv, Berechnung Degussa. *Nominal abzüglich der Jahresveränderung der Preise für US-Konsumgüter.
Blickt man auf die Zusammensetzung der Geldmenge M2, so zeigt sich ein Rückgang von 442,3 Mrd. US-Dollar im Dezember 2022 gegenüber dem Vorjahr. Zu erkennen ist, dass sich der Zuwachs der Sichtguthaben seit Sommer 2021 merklich verlangsamt hat, und dass vor allem auch die sonstigen liquiden Bankguthaben (sie machen fast die Hälfte der Geldmenge M2 aus) ab August 2022 abgenommen haben. Was könnten die Gründe dafür sein?
Um diese Frage zu beantworten, sollte zunächst ein Blick auf die Bankkreditvergabe geworfen werden - denn sie ist sozusagen die Hauptquelle der Geldmengenentstehung. Die Kreditvergabe der US-Banken hat sich zwar seit August 2022 verlangsamt - und zwar von einem Jahreszuwachs von gut 1,6 auf zuletzt knapp 1,0 Billionen US-Dollar -, jedoch hat das zweifelsohne dazu beigetragen, die Geldmenge weiter zu erhöhen.
Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Bilanzsumme des US-Bankenapparates weiter angestiegen ist – zuletzt um 399 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr. Daraus lässt sich schließen, dass auch von dieser Entwicklung kein "Schrumpfeffekt" auf die Geldmenge M2 ausgegangen ist.
Vor diesem Hintergrund scheinen Umschichtungsprozesse, die durch die steigenden Zinsen angestoßen wurden, die wahrscheinlich(st)e Ursache für die Schrumpfung der Geldmenge M2 zu sein. Beispielsweise bieten Banken ihren Kunden höhere Zinsen, wenn sie ihre Sicht- und Termineinlagen in Bankschuldverschreibungen tauschen. Da letztere nicht in der Geldmenge M2 enthalten sind, bewirkt ein solcher Tauschvorgang einen Rückgang des monetären Aggregats.
Weiterhin ist zu beachten, dass die US-Zentralbank die Zentralbankgeldmenge zurückführt (was auch als "Quantitative Tightening", kurz „QT“ bezeichnet wird, also als "mengenmäßige Verknappung" von Zentralbankgeld). Das macht sie beispielsweise dadurch, dass sie die Zins- und Tilgungszahlungen, die sie für die Anleihen, die sich in ihrer Bilanz befinden, nicht mehr im Kapitalmarkt reinvestiert. Zahlungen vom Geschäftsbankensektor an die Zentralbanken reduzieren die Zentralbankgeldmenge sowie auch die Guthaben im Geschäftsbankensektor.
Die US-Zentralbank führt auch sogenannte "Reverse Repo Operations" mit ausgewählten Marktparteien durch. Auch das kann dazu führen, dass Guthaben, die Teil der Geldmenge M2 sind, ausgebucht werden und das monetäre Aggregat entsprechend reduzieren. Zu denken ist beispielsweise an Hedge Funds, Pensionsfonds oder Family Offices, denen der Zugang zu Geschäften mit der Fed eröffnet wurde, und die ihre bisher bei Geschäftsbanken gehaltenen Guthaben an die Fed überweisen.
Quelle: Refinitiv, Berechnung Degussa. Steigen (fallen) die Linien, die die Kreditvergabestandards repräsentieren, verschlechtert (verbessert) sich die Erhältlichkeit von Bankkrediten.
Die Zinserhöhungen haben seit Mitte 2022 zu einer merklichen Verschärfung der Kreditvergabestandards bei den US-Banken geführt (Abb. 2).
Setzt sich diese Tendenz fort, spräche das für eine (weitere) Verlangsamung der Kreditvergabe und damit der Geldschaffung durch den Bankensektor - und könnte so den Schrumpfkurs der Geldmenge noch verstärken. - Insgesamt gesehen, so ist unsere Schlussfolgerung an dieser Stelle, sendet die Geldmenge - vor allem die reale, das heißt inflationsbereinigte Geldmenge - kein verzerrtes, sondern ein überaus klares Signal: Die Zinserhöhungen der Fed greifen bereits, sprechen nicht nur für eine Abnahme des künftigen Inflationsdrucks, sondern mittlerweile auch für eine (heftige) Bremsung der Konjunktur. Für Anleger ist es daher sinnvoll, die weitere Entwicklung der US-Geldmenge M2 im Auge zu behalten.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH