Auf Silber und Gold setzen
12.03.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Was zu lernen istQuelle: Refinitiv; Kalkulation Degussa. *Preise in US-Dollar pro Feinunze.
Der Informationsgehalt des Gold-Silber-Preisverhältnisses lässt sich besser verstehen, wenn eine Beziehung zum Zins hergestellt wird. Dazu zeigt Abb. 3 das Gold-Silber-Preisverhältnis und den US-Notenbankzins (der hier invertiert dargestellt ist) von Anfang 1979 bis Anfang März 2023. Man erkennt (1.) einen Zusammenhang zwischen dem Zins und dem Gold-Silber-Preisverhältnis: Der Zins ist im Betrachtungszeitraum im Trend gefallen, das Gold-Silber-Preisverhältnis im Trend gestiegen. (2.) Fallende Zinsen gingen mit einem Anstieg des Gold-Silber-Preisverhältnisses einher und umgekehrt. (3.) Es gab starke "Ausreißer" im Gold-Silber-Preisverhältnisses vom Zinspfad, die sich nachfolgend jedoch zurückbildeten.
Angesichts dieser Beobachtungen haben wir das Gold-Silber-Preisverhältnis auf den US-Leitzins regressiert, das heißt, wir haben das Gold-Silber-Preisverhältnis allein auf Basis des amerikanischen Notenbankzinses zu erklären versucht. Das Ergebnis wird in Abb. 4 dargestellt. Es zeigt die Abweichungen vom Mittelwert der Schätzung (der eine zeitunabhängige Konstante ist). Man erkennt, dass sich die (mitunter beträchtlichen) Abweichungen zwar immer wieder abgebaut haben; dass sie aber durchaus einige Jahre Bestand haben konnten, ehe sie sich zurückbildeten. Die Frage, die sich hier stellt, lautet: Wie wurden die Abweichungen abgebaut, welche Preisbewegungen haben Gold und Silber dabei vollzogen?
Quelle: Refinitiv; Kalkulation Degussa. *Preise in US-Dollar pro Feinunze. Ergebnis einer Kleinste-Quadrateschätzung des Gold-Silber-Preisverhältnisses auf den US-Leitzins (in Indexpunkten).
Um diese Frage zu beantworten, bietet es sich an, verschiedene Marktphasen zu unterscheiden: Und zwar Phasen, in den sich Abweichungen aufgebaut haben, und Phasen, in den sich die Abweichungen zurückgebildet haben. Wir unterscheiden dazu insgesamt sieben Phasen: (1) März 1980 bis Juni 1987; (2) Juni 1987 bis März 1991, (3) März 1991 bis Dezember 1997; (4) Dezember 1997 bis Mai 2011; (5) Mai 2011 bis Juni 2015; und (6) April 2017 bis Mai 2020; und (7) Mai 2020 bis Februar 2021. Die Ergebnisse zeigt Abb. 5.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Rot (grün): Eine Phase, in der sich das Gold-Silber-Preisverhältnis über (unter) dem Mittelwert befindet.
Zumindest die Erfahrungswerte in Abb. 5 zeigen: Aus den Abweichungen des Gold-Silber-Preisverhältnis vom Trendwert lassen sich keine trivialen Empfehlungen ableiten nach dem Motto "Das Gold-Silberpreis-Verhältnis ist sehr hoch, also verkaufe Gold und kaufe Silber" oder "Das Gold-Silber-Preisverhältnis ist sehr niedrig, also kaufe Gold und verkaufe Silber". Der Blick auf das Gold-Silber-Preisverhältnis ist jedoch in jedem Falle hilfreich, um Übertreibungen in die eine oder andere Richtung zu identifizieren.
Für eine verlässliche Einschätzung der daraufhin zu erwartenden Preisreaktionen beim Gold und Silber bedarf es allerdings weiterer Informationen, die das Gold-Silber-Preisverhältnis nicht bereitstellen kann.
Am aktuellen Rand befindet sich das Gold-Silber-Preisverhältnis bei 87, und die in Abb. 4 gezeigte Schätzung der Abweichungen signalisiert ein Überschreiten des Mittelwertes von etwa 11 Punkten. Unsere Einschätzung für den weiteren Verlauf der Preise für Gold und Silber (siehe hierzu die Tabelle auf Seite 15) impliziert einen leichten Rückgang des Gold-Silber-Preisverhältnisses auf etwa 75 – herbeigeführt durch ein stärkeres Ansteigen des Silberpreises relativ zum erwarteten Goldpreiszuwachs.
Diese Einschätzung speist sich zum einen aus unserer Analyse, die zeigt, dass Gold und Silber derzeit unterbewertet zu sein scheinen, und unserer Erwartung, dass die Zinserhöhungen der Zentralbanken, die den Anstieg der Edelmetallpreise bremsen, ihrem Ende entgegengehen, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es recht bald wieder zu Zinssenkungen kommen wird.
Zusammenfassend ist also folgendes zu sagen:
1. Das Gold-Silber-Preisverhältnis ist eine Größe, die ganz zu Recht seit je her viel Aufmerksamkeit bei Edelmetallanlegern auf sich zieht – schließlich bildet sie ja auch das Austauschverhältnis der währungshistorisch bedeutendsten Geldmedien im Zeitablauf ab: Gold und Silber.
2. Das Gold-Silber-Preisverhältnis weist seit den frühen 1970er Jahren einen positiven Trend auf (der sich vermutlich vor allem auch mit dem Zinsabwärtstrend erklären lässt). Das wiederum erlaubt es, Phasen der Übertreibung und Untertreibung bei den relativen Preisen von Gold und Silber zu identifizieren.
3. Es ist allerdings alles andere als trivial, aus den Signalen des Gold-Silber-Preisverhältnisses die richtigen Anlageempfehlungen abzuleiten. Dazu bedarf es vielmehr weiterer Informationen und Einschätzungen, die sich nicht direkt aus dem Gold-Silber-Preisverhältnis ableiten lassen.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH