Notkredite, Ent-Dollarisierung und Goldpreis
03.04.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
"Das Vertrauen wird kommen, Hat jeder nur erst seine Sicherheit."
Friedrich von Schiller.
Friedrich von Schiller.
Notkredite
Die US-Zentralbank (Fed) hat auf den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (sowie der Signature Bank in New York), die am 10. März 2023 von der US-Einlagensicherung (FDIC) unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, reagiert. Und zwar mit "Notkrediten": Die Fed stellt den Geschäftsbanken die benötigte Zentralbankgeldmenge per Kredit zur Verfügung. Dadurch sollen die Sorgen in den Finanzmärkten, US-Banken könnte zahlungsunfähig werden, vertrieben werden. Bis zum 15. März (letzte verfügbare Zahl) beliefen sich die Notkredite auf knapp 350 Mrd. US-Dollar (Abb. 1). Der Betrag mag gewaltig erscheinen, doch ist er (noch) relativ gering: Es handelt sich dabei "nur" um 2 Prozent aller US-Bankeinlagen.¹
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.
In der jüngeren Vergangenheit waren die Kreditspritzen der Fed mit einem starken Ansteigen des Goldpreises verbunden, wie ebenfalls Abb. 1 zu entnehmen ist. Der Zusammenhang ist quasi selbsterklärend: Notkredite für Banken erfolgen in der Regel in Krisenphasen, in denen vor allem die Kreditinstitute unter Druck geraten, wenn Anleger fürchten, die Banken könnten ihre Zins- und Tilgungszahlungen nicht mehr leisten.
Zudem bedeutet das Gewähren von Notkrediten durch die Zentralbank ein Ausweiten der (Zentralbank-)Geldmenge und das schürt tendenziell verstärkte Inflationssorgen bei den Investoren. Phasen, in denen Notkredite vergeben wurden, waren in der Vergangenheit so gesehen gute Gelegenheiten für Anleger, sich im Goldmarkt zu positionieren.
Weiterhin ist Abb. 1 zu entnehmen, dass der Goldpreis im Betrachtungszeitraum im Trend gestiegen ist: Unter Schwankungen ist er also im Zeitablauf auf immer höhere Niveaus geklettert. Die Phasen, in denen die Fed Notkredite vergeben hat, markierten so gesehen "Startpunkte" für ausgeprägte, merkliche Preissteigerungen.
Nicht immer erwiesen diese sich jedoch als dauerhaft. Beispielsweise ließen die Notkredite den Goldpreis ab Ende 2008 stark ansteigen, die Rückführung der Notkredite ab Ende 2013 ging jedoch einher mit einer merklichen Verringerung des Preises für das gelbe Metall – denn der Abbau der Notkredite war begleitet von schwindenden Sorgen vor dem Systemzusammenbruch und erhöhter Inflation.
An dieser Stelle ist weiterhin zu bedenken, dass die Notkredite der Fed nur eines unter vielen geldpolitischen Instrumenten sind, mit denen man die Zentralbankgeldmenge im Bankensektor erhöhen oder verringern kann. Um die Wirkung der monetären Bedingungen auf den Goldpreis besser abschätzen zu können, bietet es sich daher an, den Goldpreis im Zusammenhang mit der Fed-Bilanzsumme zu betrachten, wie in Abb. 2 a und b dargestellt – denn die Veränderung der Zentralbankbilanz gibt meist am besten Aufschluss über die gesamte monetäre Versorgungslage der Volkswirtschaft.
Im Betrachtungszeitraum ist ein positiver, wenn auch nicht zu allen Zeitpunkten perfekter, langfristiger Zusammenhang der beiden Zeitreihen zu erkennen.
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.
Die US-Zentralbank begann Ende 2008 US-Staatsanleihen zu kaufen und die US-Dollar-Geldmenge auszuweiten.² Von Mitte 2008 bis Ende 2012 wuchs die Fed-Bilanz um etwa 225 Prozent, der Goldpreis legte hingegen nur um 85 Prozent zu. Und von Anfang 2014 bis März 2023 stieg die Bilanzsumme der Fed um etwa 115 Prozent an, der Goldpreis legte lediglich um 59 Prozent zu. Dass sich dabei die Vermehrung der Zentralbankgeldmenge (die sich hinter dem Aufblähen der Zentralbankbilanz verbirgt) nicht eins zu eins im Goldpreis widergespiegelt hat, ist nachvollziehbar (weil sie vor allem von den Banken zu Kassenhaltung, weniger aber zur Vergabe neuer Kredite verwendet wurde).
Ent-Dollarisierung
Graphik 2 a und b zeigt eindrücklich, dass es in der Vergangenheit einen relativ engen und positiven Zusammenhang zwischen Goldpreis und Zentralbankbilanzsumme gegeben hat. Am aktuellen Rand ist die Bilanzsumme der Fed wieder angestiegen – aufgrund der Notkredite, die die Fed den US-Banken verabreicht hat.
Doch auch nach einigen turbulenten Börsentagen im Zuge der US-Bankenkrise scheint die Fed ihre Zinspolitik so schnell nicht umkehren zu wollen. Der Grund: Der bislang unangefochtene Weltreservestatus des US-Dollar gerät unter Druck (Stichwort: "Ent-Dollarisierung"). Zum einen mindert die hohe Inflation der Konsumgüterpreise in den USA die Attraktivität des US-Dollar aus Sicht der ausländischen Investoren (und das ist natürlich nur zu verständlich).