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Der "Whatever it takes"-Moment für die Schweiz

01.04.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Den Finanzmärkten wurden große Turbulenzen erspart, als am Sonntag, dem 26. März 2023, bekannt wurde, die Schweizer Politik (mit Begleitung der Schweizerischen Finanzmarktaufsicht und der Schweizer Nationalbank (SNB)) habe den Zahlungsausfall der Credit Suisse abgewehrt und eine Übernahme des angeschlagenen Geldhauses durch die doppelt so große UBS organisiert.

Außenstehende mögen aufatmen. Verständlich. Doch dabei sollte man nicht übersehen, dass das Ganze nicht ohne Blessuren für die Schweiz abgeht. Ende 2022 belief sich die Bilanzsumme der Credit Suisse auf 531,2 Mrd. CHF, die der UBS auf 1.104,4 Mrd. CHF. Durch die politisch herbeigeführte Zwangsheirat der beiden Banken ist nun ein wahrlicher Schweizer Bankgigant mit einer Bilanzsumme von 1.635,6 Mrd. CHF entstanden – der damit Rang 20 unter den weltweit größten Banken belegt.

Die neue Riesenbank ist zwei Mal so groß wie das Schweizer Bruttoinlandsprodukt. Angesichts dieser Größenordnung stellt sich natürlich die Frage, ob ein damit verbundenes (Rettungs-)Risiko nicht doch zu groß ist für den Schweizer Steuerzahler. Denn man hat jetzt eine Bank geschaffen, die zweifelsohne "Too-big-to-fail-Bank" sein dürfte. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, besteht darin, dass die Schweizer Politik den Auftrag an die neue Bank gibt, sich fortan zu verkleinern – beispielsweise durch Schließung und Verkleinerung von Geschäftsbereichen, durch Verkauf von Firmenteilen und Beteiligungen.

Eine Maßnahme, die bei den Aktionären der Kreditinstitute auf Zustimmung stoßen könnte – wenn dadurch betriebliche Ineffizienzen abgebaut und Wertsteigerungspotentiale gehoben werden können.

Zudem hat die Schweizer Politik in der Not der Stunde einen Tabubruch begannen. Sie hat am Abend des 16. März 2023 per bundesrätliche Notverordnung möglich gemacht, dass die UBS und die Credit Suisse Blankokredite von der Schweizer Nationalbank (SNB) beziehen können – und zwar de facto in unlimitierter Größenordnung.

Das ist insofern ein Tabubruch, als dass die SNB nun Kredite ausreichen muss, die nicht durch Sicherheiten gedeckt sind. Und es ist auch deswegen ein Tabubruch, weil nun die SNB verpflichtet wurde, Darlehen zu vergeben, wenn der Bundesrat dem Kreditgesuch der UBS und Credit Suisse nachkommt.

Wenn also die UBS-Credit-Suisse die den Bundesrat überzeugt, dass die neue Bank neue Franken benötigt, dann werden sie diese geforderten Gelder auch von der SNB bekommen. Die SNB muss in diesem Prozess lediglich konsultiert werden, eine Ablehnungsbefugnis hat sie an dieser Stelle nicht. Im Kern wird damit die Unabhängigkeit der SNB bei der Bewältigung der Credit-Suisse-Krise unterwandert beziehungsweise ausgeschaltet. Man mag einwenden: Dieser Schritt war nötig, er ist einmalig, wird sich so nicht wiederholen.

Doch es bleibt vermutlich ein "Schatten": Die Schweiz hat in der Not der Stunde das gemacht, was in der Währungsgeschichte immer wieder zu großen Problemen geführt hat – sie hat die Unabhängigkeit ihrer Zentralbank kompromittiert. Und wenn Politiker das erst einmal ungehindert machen konnten, werden sie es dann bei passender Gelegenheit nicht noch einmal tun?

Die Alpenrepublik hat jetzt ihren "Whatever it takes"-Moment durchlebt. Doch der Schaden dürfte für die Schweiz – einem traditionsreichen Land mit außergewöhnlich roßem wirtschaftlichen Erfolg und vor allem auch vergleichsweise stabilem Geld – noch beherrschbar sein. Der Untergang der Credit Suisse und ihre politisch veranlasste Rettung durch die UBS, möglich gemacht durch die Aussicht auf eine im Grunde unbegrenzte Kreditlinie der SNB für die neue Großbank, ist zunächst einmal ein Weckruf, den die Schweizer ernst nehmen sollten, und zwar aus zwei miteinander verbundenen Gründen.

Der erste Grund: Wird eine Bank zu groß, gerät die Volkswirtschaft in Zeiten einer Krise nur allzu leicht in ihre Geiselhaft. Eine solche Problemlage gilt es zu verhindern – beispielsweise indem es Banken nicht erlaubt wird, eine bestimmte Bilanzsumme im Verhältnis zum heimischen Bruttoinlandsprodukt zu überschreiten beziehungsweise sie einzuhalten.

Der zweite Grund: In einem ungedeckten Geldsystem, einem Fiatgeldsystem, sind Banken- und Kreditkrisen gewissermaßen an der Tagesordnung. Und je größer die Banken werden relativ zur Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaft, je größer vor allem einige wenige Banken werden im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Produktion, desto problematischer wird es auch: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Banken, die Großbank(en) die Volkswirtschaft zur Kasse bitten, werden sehr groß. Deshalb gilt es gerade in einem Fiatgeldsystem, die Größe einzelner Banken streng zu begrenzen.

In Friedrich von Schillers "Wilhelm Tell" heißt es: "Allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen." Übertragen bedeutet das nicht nur für die Schweiz, sondern auch für alle anderen Länder: Besser viele kleine Banken als wenige sehr große Banken – vor allem in einem ungedeckten Geldsystem.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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