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Der steigende Goldpreis ist ein Zeichen für das Misstrauen gegenüber dem Dollar

15.04.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die amerikanische Währung verliert durch die hohe Inflation und die Spekulation auf sinkende Zinsen an Kaufkraft und Attraktivität. Ihr Status als Weltleitwährung wird zunehmend in Frage gestellt.

Geschichte wiederholt sich nicht. Auch Krisen wiederholen sich nicht. Gerade das macht sie gefährlich. Denn sie treten meist dort auf, wo man es am wenigsten vermutet hat. Aktuell braut sich wieder eine besondere Krise zusammen: eine US-Dollarkrise. Ein Zeichen dafür ist der jüngste Höhenflug des Goldpreises. Am 4. April 2023 übersprang der Preis für eine Feinunze Gold die Marke von 2.000 US-Dollar, nachdem bekannt wurde, dass im Februar das Angebot an offenen Stellen im US-Arbeitsmarkt auf den niedrigsten Stand seit Mai 2021 gefallen war.

Die Finanzmärkte werteten dies als Indiz dafür, dass die US-Konjunktur kippt, die Aussicht auf weitere Leitzinserhöhungen schwindet und die US-Notenbank sehr wahrscheinlich eher früher als später die Zinsen wieder senken wird.

Für die Halter von US-Dollar ist das eine schlechte Nachricht. Ohnehin hatten sie in den vergangenen zwei Dekaden nur wenig Grund zur Freude. Von 1999 bis heute verlor der Greenback an Wert gegenüber dem Gold. Mussten Anleger 1999 erst 288 Dollar für eine Feinunze Gold auf den Tisch legen, so sind es aktuell 2.020 Dollar. Das entsprach einer durchschnittlichen Preissteigerung des Goldes von 8,3 Prozent pro Jahr. Auch gegenüber vielen anderen Währung hat sich das Gold verteuert. Das ist nicht überraschend. Denn das Weltwährungssystem ist im Kern ein US-Dollar-Devisen-Standard. Der Greenback dominiert die Weltwirtschaft, alle anderen Währung sind ihm nachgeordnet.

Der jüngste Schwächeanfall des Dollar ist vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen Inflation in den USA zu sehen. Senkt die Notenbank aus Sorge um die Konjunktur und den Arbeitsmarkt bald wieder die Zinsen, drohen Anlegern weiterhin negative Realzinsen: der Kaufkraftverlust des US-Dollar wird chronisch. Zwar sind auch in allen anderen Währungsräumen die Realzinsen negativ.

Aber die Aussicht, die Weltreservewährung Nummer Eins werde dauerhaft negative Realzinsen aufweisen, muss zu ernsten Vertrauensverlusten bei Kapitalanlegern führen. Denn der Verdacht liegt nahe, dass sich die USA – wie schon nach dem Zweiten Weltkrieg – auch jetzt wieder ihrer kolossalen Schuldenlast durch eine bewusst herbeigeführte Entwertung des Dollar entledigen werden.

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*Ermittelt aus Goldpreis (USD/oz) und handelsgewichtetem Außenwert des US-Dollar. Indexiert. Quelle: Refinitiv; Graphiken Degussa.


Das Risiko einer Kreditklemme nimmt jetzt zu

Die Pleite der Silicon Valley Bank am 10. März 2023 und die dadurch losgetretenen Turbulenzen im US-Bankenmarkt sowie die internationalen Folgen haben das Vertrauen in die Werthaltigkeit der US-Währung zusätzlich geschwächt. So hat die Fed schon deutlich gezeigt, wohin in Krisenzeiten die Reise geht: Offene Rechnungen werden, ohne Scheu und Skrupel, mit neu geschaffenen US-Dollar bezahlt. Zwar handelt es sich bislang nur um eine Liquiditätskrise einiger Banken, vor allem kleiner und mittelgroßer Institute, die mit der Ausgabe von neuem Zentralbankgeld im Keim erstickt werden kann. Aber ganz so einfach wird sich vermutlich das US-Bankenproblem nicht lösen lassen.

Die aktuelle Unsicherheit kann leicht in eine Kreditkrise münden: Investoren befürchten, dass Schuldner vermehrt in Schwierigkeiten geraten und ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht nachkommen. Friert der Kreditkanal ein, stürzt die US-Wirtschaft in die Rezession – und mit ihr die Weltwirtschaft. Dann dürfte die Fed die Zinsen rasch senken und neue US-Dollar in die Märkte pumpen, um Pleitewellen abzuwenden. Das Verhalten der Fed in der Pandemie hat gezeigt, dass Amerika in der Geldmengenvermehrung, der Inflation, die Politik des vergleichsweise kleinsten Übels erblickt.

Im Ausland breiten sich daher zunehmend Zweifel an der Werthaltigkeit des Dollars aus. Schon macht der Begriff der "Ent-Dollarisierung" die Runde. Japan und China, bisher die größten Gläubiger der USA, bauen ihre Bestände an US-Staatsanleihen ab, legen die ihnen zufließenden Zins- und Tilgungszahlungen nicht wieder in US-Staatsanleihen an.

Zudem haben die nicht-westlichen Zentralbanken im vergangenen Jahr 1.136 Tonnen Gold gekauft, soviel wie seit 1950 nicht mehr. Offensichtlich sind sie bestrebt, die Abhängigkeit ihrer Währungsreserven vom US-Dollar zu verringern. Ihr Portfolio soll stärker diversifiziert werden. Das Einfrieren der russischen Dollar-Währungsreserven durch die US-Administration im Gefolge des Ukraine-Kriegs haben viele Länder als Weckruf interpretiert: US-Dollarguthaben sind keineswegs sicher, zumindest dann nicht, wenn man politisch oder militärisch in Konflikt mit Washington gerät.


Abwendung vom Dollar in der Handelsfinanzierung

Der Krieg in der Ukraine treibt einen Keil in die Beziehung zwischen dem Westen unter Führung der USA und den aufstrebenden Volkswirtschaften. Auch dies schwächt die Dominanz des Dollars. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) haben angekündigt, den US-Dollar bei der Abwicklung internationaler Transaktionen durch eine andere, eine neu zu schaffende Währung zu ersetzen. Ein konkreter Vorschlag liegt zwar noch nicht vor, doch muss das Vorhaben ernst genommen werden. Immerhin verfügen die BRICS-Staaten zusammen über eine Wirtschaftsleistung in der Größenordnung der US-amerikanischen und repräsentieren etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung.

Gegenwind für den Dollar kommt zudem von der Shanghai Cooperation Organization (SCO). Deren Mitglieder wollen ihre Transaktionen in Zukunft in ihren nationalen Währungen statt in Dollar abwickeln. So haben China und Brasilien beschlossen, ihren bilateralen Handel in den eigenen Währungen abzurechnen. Zur SCO zählen neben Russland China, Indien, Pakistan, Iran, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan. Weitere 13 Länder sind über ihre Mitgliedschaft in den Handelsblöcken ASEAN and CIS in das Vorhaben der SCO involviert.

Die internationalen Handelsbeziehungen stehen damit vor einer Zeitenwende. Immer mehr Länder wollen sich aus der Dominanz des Dollar als Fakturierungswährung befreien und sich so dem langen politischen Arm Washingtons entziehen. Die rigorose Abtrennung Russlands vom internationalen US-Dollar-Zahlungssystem SWIFT hat vermutlich ebenfalls viele Länder aufgeschreckt.

Noch allerdings ist der Greenback die bedeutendste Währung zur Abwicklung der globalen Handels- und Finanztransaktionen. Die Zins- und Liquiditätskonditionen im Markt für US-Dollar bestimmen maßgeblich das weltweite Finanzmarktgeschehen. Dass sich dies rasch ändert, ist unwahrscheinlich. Denn die Funktion des Dollars als Rechen- und Zahlungsmittel lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen ersetzen. Doch als Mittel zur Aufbewahrung von Werten verliert der Dollar an Attraktivität. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass sich die Anleger verstärkt dem Gold zuwenden. Das Edelmetall hat seine Funktion als Mittel zur Bewahrung der Kaufkraft über Jahrtausende hinweg eindrücklich bewiesen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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