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Ludwig von Mises: Die Goldwährung

13.05.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
In seinem Beitrag “Die Goldwährung” beschreibt Ludwig von Mises (1881–1973) die Vorteile von Edelmetallen als Zahlungsmittel, aber auch die mit einer Goldwährung verbundenen ökonomischen Irrlehren und politischen Irrtümer. Der Aufsatz stammt aus dem Jahr 1925. Nach dem Zusammenbruch der Währungen in Deutschland und Österreich hatte Mises als Repräsentant der Wiener Handelskammer entscheidenden Einfluss genommen auf die politische Meinungsbildung, und so war es vor allem sein Verdienst, dass zum 1. Januar 1925 in Österreich der Gold-Schilling eingeführt wurde. (Andreas Marquart)

Der Deutsche und der Oesterreicher, die mit Befriedigung auf die währungspolitischen Erfolge der jüngsten Zeit blicken, weil ihre Währungen wieder Anschluß an das Gold gefunden haben, vernehmen mit Erstaunen, daß in England und in den Vereinigten Staaten keine andre währungspolitische Frage heute mit größerem Eifer behandelt wird, als die, ob man nicht die Goldwährung aufgeben und an ihre Stelle etwas andres, etwas Besseres setzen soll.

Die Edelmetalle Gold und Silber sind einst Geld, das ist allgemein gebräuchliches Tauschmittel, geworden, weil sie wegen ihrer Beliebtheit für Schmuckzwecke besonders absatzfähige Güter waren und weil ihre Dauerhaftigkeit, ihre praktisch nahezu unbegrenzte Teilbarkeit und die verhältnismäßige Leichtigkeit, sie von anderen Metallen zu unterscheiden, sie für diesen Zweck besonders geeignet erscheinen ließen.

Naive Gemüter glauben wohl, daß das Gold darum das beste Geld sei, weil es "an sich" wertvoll sei, so daß derjenige, der ein Goldstück empfangen hat, einen "reellen" Wert in Händen habe, der von allen währungspolitischen Wandlungen unabhängig sei. Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Weder das Gold noch irgendein andrer Gegenstand haben "an sich" Wert. Der Wert des Goldes ist so wie der einer jede andere Ware von dem Nutzen abhängig, den der Gebrauch des Goldes gewährt.

Würde heute die Verwendung des Goldes für den Gelddienst eingeschränkt oder ganz aufgehoben werden, dann würde ein sehr beträchtlicher Preisfall des Goldes gegenüber den Waren eintreten, so ähnlich, wie in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Silberpreis beträchtlich gesunken ist, weil die Silberwährung in einer Reihe der wichtigsten Staaten beseitigt wurde und Silber fortan nur noch für die Herstellung von Scheidemünzen Verwendung fand.

Der Besitz eines Goldstückes sichert mithin nicht gegen Verluste, die aus einer Demonetisierung des Goldmetalles entstehen würden. Die industriellen Verwendungsmöglichkeiten, die für das Gold bestehen, würden für sich allein nach Fortfall der Verwendung im Gelddienste dem Golde nur einen weit geringeren Wert verleihen, als es heute hat.

Die Überlegenheit, die der Goldwährung gegenüber andern Geldsystemen, etwa gegenüber einem System eines Staatspapiergeldes, zukommt, beruht mithin nicht darauf, daß das Gold "an sich" einen Wert darstellt, wogegen das Staatspapiergeld ihn nur durch seine Verwendung als Geld erhält. Der Vorzug der Goldwährung ist vielmehr darin zu suchen, daß Vermehrung und Verminderung der Menge des Goldes und damit seine Preisgestaltung von politischen Einflüssen unabhängig sind.

Das Gold ist heute nicht um seinen Glanz oder um seiner physikalischen oder chemischen Eigenschaften willen Währungsgeld, sondern weil Vermehrung und Verminderung seiner Menge von den Befehlen der politischen Mächte unabhängig sind. Es ist die entscheidende Funktion der Goldwährung, dass sie die Geldmengenveränderungen unter das Gesetz der Rentabilität des Goldbergbaues stellt.

Das Festhalten an der Goldwährung ist daher nicht, wie manche behaupten, ein unverständlicher Atavismus, sondern wohl berechtigt. Man hat von verschiedenen Seiten vorgeschlagen, die Goldwährung durch ein Geldwesen zu ersetzen, das von den unberechenbaren Veränderungen der Rentabilität des Bergbaues unabhängig wäre und dessen Wertgestaltung durch den bewussten Willen des Volkes, der in dem Willen der Regierungen zum Ausdrucke kommt und durch ihn wirksam wird, bestimmt werden könnte.

Ein besonderer Vorzug eines solchen Geldwesens würde es sein, daß seine Instandhaltung nur geringe Kosten bereiten könnte, da man in der Lage wäre, Kapital und Arbeit, die heute in der Goldproduktion Verwendung finden, nützlicheren Produktionszweigen zuzuführen. Es sei, meint man, nicht berechtigt, wegen der Erfahrungen, die man bisher mit dem Papiergeld gemacht hat, gegen eine derartige Einrichtung skeptisch zu sein. Gerade diese bösen Erfahrungen würden in Hinkunft zu einem vorsichtigen und weisen Gebrauch der Papiergeldemission führen.

In den achtziger Jahren und in der ersten Hälfte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ist infolge des Mißverhältnisses zwischen Goldproduktion und Goldbedarf ein Steigen des Goldpreises, mithin ein Sinken der Kaufkraft des Goldgeldes eingetreten; seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre aber ist der Goldwert beständig gesunken, das heißt die Preise sind immerfort gestiegen. Die Mißstände, die sich aus diesen Preisveränderungen ergeben, könnten vollkommen behoben werden, wenn eine einsichtige Regierung darauf ausginge, durch Regulierung der Geldmenge die Preise immer stabil zu erhalten.

Diese Ausführungen klingen sehr bestechend, sie verkennen aber vollkommen die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich der Einrichtung eines Geldwesens entgegenstellen, dessen Wertgestaltung ausschließlich von der Einwirkung der politischen Faktoren abhängig wäre.

Zwei Umstände stehen einer idealen Regelung, wie die Reformer sie vorschlagen, entgegen. Zunächst der Umstand, daß wir nicht imstande sind, die Veränderungen der Kaufkraft des Geldes zu messen, und zweitens, daß wir im Voraus nicht wissen können, wie groß die Wirkungen sind, die von einer bestimmten Geldmengenveränderung auf die Preisgestaltung ausgehen.


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