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Zweite Portion Risikoaversion wegen zu guter US-Daten – Deutschland: Auftragseingänge springen massiv an – US-Finanzministerin Yellen in Peking

07.07.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0888 (05:52 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0835 im europäischen Geschäft markiert wurde: Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 143,91. In der Folge notiert EUR-JPY bei 156,70. EUR-CHF oszilliert bei 0,9756.


Märkte: Zweite Portion Risikoaversion wegen zu guter US-Daten

Nach der ersten Portion Risikoaversion folgte umgehend die zweite Portion. Sie wurde über das Zinsthema angefacht. Die gestern veröffentlichten US-Daten, die zu größten Teilen deutlich besser als erwartet ausfielen, allen voran der ADP-Arbeitsmarktbericht und die Einkaufsmanagerindices (siehe Datenpotpourri), lieferten Steilvorlagen für höhere Leitzinserwartungen in den USA. Der positive konjunkturelle Aspekt für Aktienmärkte wurde weitestgehend ausgeblendet. Der Markt fokussierte sich auf das Thema Belastung durch mehr Zinserhöhungen, die als Folge kommen könnten. Ich betone den Begriff "könnten".

Das Gesamtbild der US-Ökonomie ist fragil und es ist vor allen Dingen abhängig von massivsten fiskalischen Defiziten.

Klartext: Seit Anfang Juni legte die US-Staatsverschuldung um 800 Mrd. USD zu (auch Nachtragseffekte wegen Limit-Erreichung im US-Haushalt zuvor). Für das laufende Kalenderjahr liegt die Neuverschuldung in den USA bei 983 Mrd. USD. Im laufenden US-Fiskaljahr, begonnen am 1.10.2022 ergibt sich eine Neuverschuldung in Höhe von 1.473 Mrd. USD. Diese Defizite belegen, dass es in den USA kein selbsttragendes, sondern ein subventioniertes Wachstum ist.

Aktienmärkte standen unter Druck. Es traf aber nicht maßgeblich die US-Aktienmärkte (Verluste circa 0,9%), sondern Europas Aktienmärkte (Verluste um circa 2,5%). Asien eröffnet auch schwächer, aber bei weitem nicht in der Amplitude der Märkte Europas (Nikkei, CSI circa -0,5%). Europa ist der „kranke Mann“ der Weltwirtschaft (durch eigene diskretionäre Politik, es geht auch anders, siehe Japan!). Deutschland ist der „kränkste Mann“ Europas. Der Chef des IFO-Instituts Fuest erwartet schwere Jahre für Deutschland. Manche sind früher zu dieser Erkenntnis gelangt.

An den Rentenmärkten kam es zu Renditeanstiegen. Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert mit 2,63% (Vortag 2,51% ), die 10 jährige US-Staatsanleihe mit 4,04% (Vortag 3.96%).

Man hätte erwarten können, dass der USD an Boden gewinnt. Nein, er hat gestern im Verhältnis zum EUR verloren (Eröffnung gestern 1,0840, heute 1,0888). Meine liebe Frau Conny will jetzt mit mir über die Theorie, nur über die Theorie "Verdeckter Interventionen" sprechen.


Deutsche Auftragseingänge springen massiv an

Der Auftragseingang der Industrie legte per Mai massiv um 6,4% (Prognose 1,2%) im Monatsvergleich nach zuvor +0,4% (revidiert von -0,2%) zu. Insbesondere die Fahrzeugbranche trug zu dieser Entwicklung bei (+8,6%).

Kommentar: Es zeigt, wie elementar diese Branche für das deutsche Wirtschaftsmodell ist. Das sollte Berlin sehr bewusst sein.

Damit hat die deutsche Industrie im Mai das größte Auftragsplus seit Juni 2020 verzeichnet Ohne Großaufträge wäre das Plus aber lediglich halb so groß ausgefallen.

Kommentar: Das Gesamtergebnis ist zunächst eine positive Überraschung. Es verlangt eine Einordnung. Bei aller Freude steht der aktuelle Monatswert per Mai in einem Kontext zu dem massiven Einbruch per März um 10,9% im Monatsvergleich. Erfassungszeitpunkte spielen bei Großaufträgen eine wesentliche Rolle bei der Volatilität dieser Datenreihe.

Um diese Problematik der Volatilität auszublenden, ist es hilfreich, auf den Dreimonatsvergleich zurückzugreifen. In dem Zeitraum März bis Mai 2023 gab es einen Rückgang zu der Dreimonatsphase zuvor um 6,1%. Das ist ernüchternd. Losgelöst von dem positiven Überraschungswert dominiert damit grundsätzlich eine negative Trendaussage.


US-Finanzministerin Yellen in Peking

Hintergrund: Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern hatten sich über die letzten circa sieben Jahre verschlechtert. Die USA begannen den Konflikt circa 2016 und schränkten zuletzt den Export von Hochleistungschips sowie von Maschinen für deren Produktion ein (u.a. ASML, Vereinnahmung von Drittländern). Nachdem Chinas Regierung einigen Unternehmen und Organisationen den Einsatz von Chips des US-Herstellers Micron verboten hatte, wurden in dieser Woche von China Exportkontrollen für seltene Metalle (Germanium, Gallium) ab August für die Chip-Produktion angekündigt (zunächst keine Sanktion, kein Verbot, sondern Kontrolle).

Die Eskalationen gingen regelmäßig von den USA aus, die dann regelmäßig unterschwellig von China gemäß Konventionen der WTO gekontert wurden.

Zur Aktualität: US-Finanzministerin Yellen warb zu Beginn ihres Besuchs um bessere Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Kommentar: Das ist gut, aber wer hat die Beziehungen zuvor bewusst torpediert? Hat China zuerst den USA oder haben die USA China einen "Feindstatus" zuerkannt?

Die USA strebten einen gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb an, der den US-Arbeitnehmern und US-Unternehmen zugutekäme.

Kommentar: Wer hat den "gesunden Wettbewerb" durch nicht WTO-konforme Maßnahmen verzerrt? Gesunder Wettbewerb basiert auf Augenhöhe im Kontext internationaler Gesetze und Regeln. Die Verbindung zu US-Arbeitnehmern und US-Unternehmen hinkt diesbezüglich.

Man wolle bei globalen Herausforderungen zusammenarbeiten.

Kommentar: Das ist bei den im Raum stehenden Problemen bitter notwendig. Dafür sind US-Finanz- und Wirtschaftskriege jedoch nicht hilfreich. Sie verhindern tendenziell einen Erfolg, um globale Herausforderungen zu bewältigen.

Diese Reise böte eine Gelegenheit zur Kommunikation und zur Vermeidung von Missverständnissen.

Kommentar: So weit, so gut, wir warten auf konstruktive Ergebnisse.

Bei Bedarf würden aber Maßnahmen ergriffen, um die nationale US-Sicherheit zu schützen.

Kommentar: Verständlich, das wird China ebenso handhaben. Ergo sind Grenzen definiert. Würde Europa das auch können (Sicherheit der Wirtschaft und des Kapitalstocks – IRA)?


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: D: Auftragseingang massiv höher als erwartet - ansonsten Enttäuschungen

Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone waren per Mai wie im Vormonat im Monatsvergleich unverändert (Prognose +0,2%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 2,9% (Prognose -2,7%) nach -2,9% (revidiert von -2,6%)

Der HCOB Einkaufsmanagerindex für den Bausektor der Eurozone stellte sich per Juni auf 44,2 nach zuvor 44,6 Punkten und markierte den niedrigsten Indexstand seit 12/2022.

Deutschlands Index lag bei 41,4 Punkten, dem schwächsten Wert seit 02/2021 (Frankreich 43,7, Italien 48,6)!

Deutschland: Der Auftragseingang der Industrie legte per Mai massiv um 6,4% im Monatsvergleich zu (Prognose 1,2%). Der Vormonat wurde von -0,4% auf +0,2% revidiert.


USA: Laut ADP markanter Beschäftigungsaufbau!

Der ADP-Beschäftigungsreport wies per Juni einen Arbeitsplatzaufbau in der Privatwirtschaft in Höhe von 497.000 (Prognose 228.000) nach zuvor 267.000 (revidiert von 278.000) aus. Die Handelsbilanz lieferte per Mai ein Defizit in Höhe von 69,0 Mrd. USD (Prognose -69,0 Mrd. USD) nach zuvor -74,4 Mrd. USD (revidiert von -74,6 Mrd. USD).

Die Arbeitslosenerstanträge lagen per 1. Juli bei 248.000 (Prognose 245.000) nach zuvor 236.000 (revidiert von 239.000). Finale Werte der S&P und des ISM Einkaufsmanagerindex per Juni:

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Laut JOLTS-Report waren per Mai 9.824.000 nach zuvor 10.320,000 Stellen offen. Es war der zweitschwächste Wert seit Mai 2021. Der von MBA ermittelte Hypothekenmarktindex stellte sich per 30. Juni auf 206,5 nach 216,1 Punkten.


Japan: Schwache Ausgaben privater Haushalte

Die Ausgaben privater Haushalte verzeichneten per Mai im Monatsvergleich einen Rückgang um 1,1% (Prognose +0,5%) nach zuvor -1,3%. Im Jahresvergleich ergab sich eine Rückgang um 4,0% (Prognose -2,4%) nach -4,4%. Die Devisenreserven lagen per Juni bei 1.247,2 nach zuvor 1.254,5 Mrd. USD.


Russland: Devisenreserven nehmen ab.

Die Devisenreserven stellten sich per 30. Juni 2023 auf 582,4 nach zuvor 586,9 Mrd. USD.

Derzeit ergibt sich für das Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1,0650 – 1,1100 eröffnet neue Trendsignale.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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