Goldanleger aufgepasst: Das Währungsprojekt der BRICS nimmt Fahrt auf
22.07.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Quelle: Refinitiv, WGC; eigene Berechnungen. – Die Goldreserven der BRICS beliefen sich im ersten Quartal 2023 auf 5452,7 Tonnen (Marktwert derzeit etwa 350 Mrd. US-Dollar).
Um an BRICS-Gold zu gelangen, muss der Nachfrager nach BRICS-Gold sich entweder bei der BRICS-Bank einen BRICS-Gold-Kredit besorgen. Oder er muss physisches Gold im Markt kaufen und sodann in eine dafür vorgesehene Lagerstelle (bei der BRICS-Bank oder einer lizensierten Lagerstelle) einbringen, und die Gewichtseinheiten des eingelagerten Goldes werden ihm dann auf seinem Konto in entsprechenden BRICS-Gold-Depositen gutgeschrieben.
Bei Bezahlungsvorgängen werden beispielsweise die BRICS-Gold-Guthaben des Güterimporteurs (gehalten bei der BRICS-Bank) dem Konto des Güterexporteurs gutgeschrieben (ebenfalls gehalten bei der BRICS-Bank oder bei einer lizensierten Lagerstelle).
Die BRICS verfügten im ersten Quartal 2023 über insgesamt 5.452,7 Tonnen Gold mit einem Marktwert von derzeit etwa 350 Mrd. US-Dollar. Das damit verfügbare Finanzierungsvolumen dürfte ausreichen, um zunächst ausgewählte Rohstofftransaktionen abzuwickeln. Bei Zunahme der Goldbestände – etwa durch Aufbau von Handelsüberschüssen und/oder Goldeinlagen von internationalen Anlegern bei der BRICS-Bank – kann auch das Transaktionsvolumen nach und nach steigen, sich auf weitere Gütergruppen ausweiten.
Der Übergang, die Verwendung des Goldes (beziehungsweise des "BRICS-Goldes") als internationale Handels- und Transaktionswährung wären allerdings mit überaus weitreichenden Folgen verbunden:
(1.) Die Goldnachfrage würde vermutlich merklich (vielleicht sogar recht stark) ansteigen, und das würde den Goldpreis (gemessen in US-Dollar, Euro & Co, aber auch in den Währungen der BRICS) in die Höhe treiben.
(2.) Ein steigender Goldpreis wiederum würde die Kaufkraft der offiziellen Währungen US-Dollar, Euro & Co, aber auch in Rubel, Rupie und Renminbi gegenüber dem Gold abwerten. Die Güterpreise würden sich, gemessen in den offiziellen Währungen, sehr wahrscheinlich über kurz oder lang (sehr stark) verteuern.
(3.) Die BRICS würden – soweit sie Handelsüberschüsse ausweisen beziehungsweise künftig weiterhin erzielen – Goldreserven aufbauen. Sie wären vermutlich die Gewinner der "Währungsumstellung", die Länder mit einem Handelsbilanz-defizit (allen voran die USA) hätten das Nachsehen.
(4.) Alle Regierungen, einschließlich die der BRICS, würden gewaltig an Macht einbüßen, wenn sich BRICS-Gold durchsetzt. Die Frage stellt sich daher: Wird man in den Regierungszentralen der BRICS das akzeptieren wollen?
Diese wenigen Überlegungen zeigen bereits, wie schwergewichtig und komplex das Thema "Schaffung einer neuen mit Gold gedeckten internationalen Handelswährung" tatsächlich ist. Ein Voranschreiten der BRICS mit diesem Projekt könnte durchaus geradezu erdrutschartige Veränderungen in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzstruktur verursachen.
Das Thema verdient so gesehen Aufmerksamkeit von Seiten der (Edelmetall-)Investoren. Wie so häufig gilt aber auch hier: Der Teufel steckt im Detail. Was aus dem Vorhaben der BRICS letztlich wird, eine internationale Handelswährung zu lancieren, hängt ganz entscheidend von der inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Recheneinheit ab. Das nächste Treffen der BRICS vom 22. bis 24. August 2023 in Johannesburg kann mit Spannung erwartet werden.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH