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Märkte: Stabiler Wochenauftakt – EZB-Chefin Lagarde setzt klare Signale: Klare Replik! – Ein Blick auf den Strommarkt

18.09.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0665 (05:40 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0645 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 147,73. In der Folge notiert EUR-JPY bei 157,57. EUR-CHF oszilliert bei 0,9569.


Märkte: Stabiler Wochenauftakt


In der letzten Berichtswoche erreichten uns folgende Erkenntnisse. Die EZB erhöhte das 10. Mal in Folge den Leitzins auf jetzt 4,50%. Der Datenpotpourri lieferte divergente Signale. Positiv stachen die Konjunkturdaten Chinas hervor, allen voran die Industrieproduktion als auch die Einzelhandelsumsätze. Gleiches gilt für US-Einzelhandelsumsätze und die US- Industrieproduktion. Dagegen enttäuschten US-Preisdaten (CPI und PPI), die höher als erwartet ausfielen, als auch der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan. In Großbritannien sank der RICS-Housing Survey auf -68 Zähler (niedrigster Stand seit März 2009).


In der Eurozone enttäuschte die Industrieproduktion signifikant

Die Finanzmärkte zeigten sich (Periode Eröffnung am Montag bis Handelsschluss Freitag) weitgehend in stabiler Verfassung, das gilt auch für den Wochenauftakt. So legten der DAX (+0,6%) und der EuroStoxx50 (+1,3%) als auch der Nikkei (+2,5%) zu, während der Dow Jones unverändert lag, der S&P 500 marginal verlor (-0,1%) und der Nasdaq deutlicher abgab (-1,3%).

Der CSI 300 verlor im Wochenvergleich 1,1%, der Hangseng Index war im Wochenvergleich unverändert. Der indische Index Sensex gewann 0,9%. An den Rentenmärkten setzte sich die Zinsversteifung fort. Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert aktuell mit 2,68% (Montag Eröffnung 2,61%), während 10 jährige US-Staatstitel aktuell eine Rendite in Höhe von 4,36% abliefern (Montag Eröffnung 4,30%). Der USD teigte sich im Wochenvergleich gegenüber dem EUR leicht befestigt: Er konnte um circa 0,5% von 1,0723 auf 1,0665 zulegen. Gold (+0,3%) und Silber (0,4%) legten gegenüber dem USD insignifikant auf Wochensicht zu.


Exkurs: US-Federal Budget

Positiv überraschte das Federal Budget per August, das einen Großteil des öffentlichen US-Haushalts darstellt, mit einem Überschuss in Höhe von 89 Mrd. USD (Prognose -240 Mrd., Vorjahr -220 Mrd.). Der Ausweis der Verschuldung seitens der US-Treasury lieferte vom Ultimo Juli bis Ultimo August dagegen ein Defizit in Höhe von 306 Mrd. USD. Das wirft markante Fragen auf!


EZB-Chefin Lagarde setzt klare Signale: Klare Replik

EZB-Chefin Lagarde lieferte am Freitag Klartext: Man werde zum 2% Inflationsziel zurückkehren. Die Zinsen würden solange auf dem restriktiven Niveau gehalten, bis das Ziel erreicht würde. Schwächeres Wachstum bedeute nicht Rezession. Die Regierungen der EU sollten fokussiert Schulden und Defizite abbauen. Es würde weiter datenbasiert entschieden. Zinssenkungen seien kein Thema gewesen.

Kommentar: Diese Haltung stellt klassische Stabilitätskultur dar. Grundsätzlich ist diese Kultur nachweislich die beste Grundlage, um nachhaltig die Grundlagen für Investitionen, für Wachstum und Wohlstand zu generieren. Das gilt insbesondere dann, wenn die Verwerfungen, die zu der Inflation führten, endogener Natur sind, als aus dem eigenem Wirtschaftsraum kommen. Aus diesem Grund habe ich den Begriff "grundsätzlich" gewählt.

Es verhält sich anders, wenn die Verwerfungen durch exogene Einflüsse oder innenpolitische Neuausrichtungen (inklusive außenpolitischer Neuausrichtungen mit binnenwirtschaftlichen Konsequenzen) generiert werden, die die Grundlagen der Preisstabilität erodieren.

Zentralbanken können derartige Neuausrichtungen mit Fehlsteuerungen im Preisgefüge nicht explizit neutralisieren (z.B Ölpreis). Implizit können sie für rezessive Wirtschaftsszenarien zu Lasten aller, also der Unternehmen und Bürger sorgen, um Nachfrage zu reduzieren und auf diesem Wege Preisdruck durch geringere Nachfrage zu nivellieren. Das gilt aber nur für Teile der Wirtschaft, beispielsweise nicht für Öl ,Gas oder Lebensmittel (internationale Märkte).

In der westlichen Hemisphäre gab es zwei unterschiedliche Herangehensweisen, mit dem maßgeblich durch Geopolitik veränderten Inflationsanstieg umzugehen. Japan verzichtete hinsichtlich des überwiegend exogenen Hintergrunds auf Zinserhöhungen, die USA, das UK und die Eurozone starteten die aggressivste Zinserhöhungsrunde in der Geschichte seit es Aufzeichnungen gibt.


Japan, USA, die Eurozone und das UK haben die schärfste Sanktionspolitik in der Menschheitsgeschichte verfügt. Die Folgen sind für die Wirtschaftsregionen unterschiedlich. Damit kommen wir zum Thema Energie. Wir leben seit mehr als 300 Jahren in einem energetischen Zeitalter. Fakt ist, ohne Energie, die preislich konkurrenzfähig ist, ohne umfängliche Energieversorgungssicherheit geht nichts, gar nichts.

Die USA sind nicht wesentlich von den Sanktionen betroffen, sie sind weitgehend autark in der Versorgung und haben preislich gegenüber Europa massive Vorteile. Das erklärt die Resilienz der US-Wirtschaft zu weiten Teilen gegenüber der Eurozone, dem UK und vor allen Dingen gegenüber Deutschland. Es sind bisher noch maßgeblich konjunkturelle Unterschiede. Es zeichnet sich aber nachweislich (Nettokapitalabfluss 2022 132 Mrd. USD, historischer Höchstwert) ab, dass sich in der Folge die Wirtschaftsstrukturen aus dieser Gemengelage in dem entscheidenden Feld Energie zu Lasten der Wirtschaftsstrukturen in Europa und vor allen Dingen in Deutschland auswirken.


Laut letzter Umfrage des DIHK planen 43% der befragten Unternehmen Verlagerungen von Produktionsstätten (Aspekt Kapitalstock), ein historisch einmaliger Wert. Nein Herr Habeck, es ist nicht eine "Konjunkturflaute", es ist ein struktureller "Reset" zu Lasten Deutschlands, der sich in der Konjunktur Deutschlands niederschlägt. Jetzt kommen wir zu dem Ausgangsthema Inflation und Zins zurück.

Warum hat Japan bei einem Leitzins von -0,1% nur 3,3% Preisinflation, aber annualisiert 4,8% Wachstum? Ist das intellektuell herausfordernd? Hängt es damit zusammen, dass Japan erstens erkannt hat, dass es sich um primär um exogene Inflationstreiber handelt, die nicht umfänglich durch die Notenbank neutralisiert werden können? Hängt es zweitens damit zusammen, dass man die Interessen des eigenen Landes in Energiefragen nicht den Interessen dritter Länder unterordnet?

Fakt ist, dass Japan nach Fukushima trotz der geografischen Lage auf dem pazifischen Feuerring (Deutschlands Risiko nicht ansatzweise vergleichbar) an der Atomkraft festhielt und sie ausbaut. Fakt ist, dass Japan auf dem Papier sanktioniert, nicht jedoch in der Realität (Import fossiler Brennstoffträger aus Russland via Sachalin). Daraus ergibt sich energetisch in Standortfragen ein massiver Vorteil gegenüber dem Investitionsstandort Europa und Deutschland.

Nachfolgender Datenvergleich zeigt, dass der Vorteil Japans neben der Energiefrage, die zu geringerer Preisinflation (CPI) führte und führt auch massive Kostenvorteile bei dem Produktionsfaktor Kapital hat. Diese beiden Kostenvorteile wirken sich in der Konjunkturlage, aber auch in der Strukturlage (Basis für zukünftige Konjunkturlage) aus.


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An dem Beispiel Japans wird deutlich, dass man bei Zentralbanken auf den Qualitätshintergrund der Preisinflation Rücksicht nehmen kann oder vielleicht auch sollte, denn haben erhöhte Kapitalkosten neben einem konjunkturellen Bremseffekt nicht auch einen inflationären Effekt höherer Produktionskosten? Dazu passend: Der Geschäftsführer des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie sieht in der EZB-Zinserhöhung ein Anheizen der Rezession am Bau.

Hinsichtlich der weiteren Zinspolitik ist die EZB gut beraten, nicht nur augenfällige quantitative, sondern auch qualitative Aspekte der Inflationsentwicklung ins Kalkül zu ziehen.



Deutschland: Ein Blick auf den Strommarkt

Die Bundesregierung entschied sich, die noch betriebsfähigen AKWs abzuschalten. Seit der Abschaltung der AKWs am 15. April 2023 beträgt der Saldo zwischen Stromimport und Stromexport -2,34 Mrd. EUR.

Der durchschnittliche Importpreis lag bei 101,42 EUR/MWh, der Exportpreis bei 61,41 EUR/MWh, in der Spitze wurden bis zu 524 EUR/MWh bezahlt.

Nicht enthalten sind in dieser Darstellung die garantierten Vergütungen an die Betreiber der Deutschen PV- und WKA-Anlagen, Kosten für Redispatch, Regelenergie. Ergo liegen die Kosten in einer Vollkostenrechnung noch höher

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Kommentar: Die Zahlen, Daten, die Fakten und die Politikausrichtung werfen markante Standortfragen auf.

• Es geht um das Thema der Konkurrenzfähigkeit Deutschlands, des (noch) energieintensivsten Industriestandorts der Welt.

• Es geht um das Geschäftsmodell, das dieses Land, das unsere Gesellschaft trägt und die Grundlage unseres Sozialstaats finanziell generiert.

• Es geht um 1600 in Deutschland ansässige "Hidden Champions" (weltweit 3.400, Effizienz des Wirtschaftsclusters, unser letztes "Ass im Ärmel"), deren Existenz durch die diskretionäre Politik der Bundesregierung gefährdet sind.

• Es geht um das Rückgrat der Wirtschaft, der Grundlagen für gesellschaftspolitische und politische Stabilität Deutschlands und Europas.

Das sind keine "Kleinigkeiten", ganz im Gegenteil.. Eine pragmatische und interessenorientierte Politik ist erforderlich (siehe Japan, aber auch USA- Aspekt Uranimporte).

Das Wachstumschancengesetz ist positiv, aber es bedient nicht das Primärrisiko Energie, es zielt auf fraglos bedeutende Sekundärrisiken ab. Es reicht nicht aus, um weitere Schäden abzuwenden! Werden diese Mahnungen erneut "laut" überhört werden?

Ex-US-Präsident Bill Clinton: "It is the economy, stupid!" – Hellmeyer: "It is the energy, stupid!"



Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Rückläufiger Handelsbilanzüberschuss

Die Handelsbilanz wies per Juli in der saisonal bereinigten Fassung einen Überschuss in Höhe von 2,90 Mrd. EUR nach zuvor 8,60 Mrd. EUR aus (revidiert von 12,50 Mrd. EUR). Die Löhne nahmen im 2. Quartal 2023 im Jahresvergleich um 4,6% nach zuvor 4,9% (revidiert von 4,6%) zu. Die Devisenreserven stellten sich per August auf 1.118,8 Mrd. EUR nach zuvor 1.109,6 Mrd. EUR.


USA: Divergierende Datensätze – Entspannung bei Inflationserwartungen

Die Importpreise verzeichneten per August im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,5% (Prognose 0,3%) nach zuvor 0,1% (revidiert von 0,4%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 3,0% nach zuvor -4,6% (revidiert von -4,4%). Die Industrieproduktion nahm per August im Monatsvergleich um 0,4% zu (Prognose 0,1%). Der Vormonatswertwurde von 1,0% auf 0,7% revidiert. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 0,25% nach zuvor -0,04% (revidiert von -0,23%).

Die Kapazitätsauslastung stellte sich per August auf 79,7% (Prognose 79,3%) nach zuvor 79,5%. Der New York Fed Manufacturing Index legte per September von -19 auf +1,9 Punkte zu (Prognose -10,0). Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan sank in der vorläufigen Verfassung von zuvor 69,5 auf 67,7 Zähler (Prognose 69,1). Subindices der Inflationserwartungen in einem Jahr fielen von 3,5% auf 3,1%, für fünf Jahre von 3,0% auf 2,7%.


Russland: Zinserhöhung auf 13%

Die Notenbank Russlands erhöhte den Leitzins erwartungsgemäß von zuvor 12,0% auf 13,0% (Hintergrund Rubelschwäche).

Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine negative Tendenz. Ein Überwinden der Widerstandszone bei 1.0920 – 1.0950 negiert das für den USD positive Szenario.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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