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Fallende Inflation generiert Risikobereitschaft; Deutschland: Einzelhandel setzt positiven Akzent

01.12.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet gegenüber dem USD bei 1,0903 (05:23 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0880 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 148,04. In der Folge notiert EUR-JPY bei 161,42. EUR-CHF oszilliert bei 0,9536.


Märkte: Fallende Inflation generiert Risikobereitschaft

Die Finanzmärkte zeigten sich in den letzten 24 Handelsstunden zumeist risikobereit. Die Gründe sind vielfältig. So sank die Preisinflation in der Eurozone unerwartet stark. Mit 2,4% im Jahresvergleich liegt die aktuelle Rate in Schlagdistanz zu dem 2%-Ziel der EZB. Der Realzins (Leitzins 4,50%) liegt mittlerweile bei restriktiven +2,1%. Derartige Konstellationen lagen zuletzt 2008 vor der Lehman-Pleite vor. Aber auch aus den USA erreichten uns milde Inflationsdaten. Der von der US-Notenbank stark beachtete PCE-Preisindex (Personal Consumption Expenditure Index) signalisiert fortgesetzte Entspannung. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um nur 3,0% nach zuvor 3,4%. Es war der geringste Anstieg seit März 2021.

Zusätzlich erreichten uns positive Wirtschaftsdaten aus den USA (Ausnahme Index anhängiger Hauskäufe) Deutschland (Einzelhandel, siehe unten), Portugal. Griechenland, Indien, China und Japan (siehe Datenpotpourri).

Als Konsequenz ergab sich an den westlichen Aktienmärkten bei wenigen Ausnahmen eine positive Tendenz. Der Late Dax verzeichnete ein Plus in Höhe von 0,48%, der EuroStoxx 50 um 0,31%. In den USA legte der Down Jones um 1,14% zu, der S&P 500 um 0,20%, während der NASDAQ 100 um 0,86% nachgab. In Asien dominiert heute früh (07:02) eine durchwachsene Lage. Der CSI verliert 0,17% und der Hangseng Index 0,22%. Der Sensex Index (Indien) legt um 0,75% zu, der Nikkei Index (Japan) steigt um 0,04%.

An den Rentenmärkten wirkte sich die Inflationsdaten entspannend aus. So stellt sich die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe heute früh auf 2,45%. In der Spitze wurden gestern Tiefststände knapp unter 2,40% markiert. Es ist das niedrigste Niveau seit drei Monaten. Die 10 jährige USStaatsanleihe rentiert derweil bei 4,33% (Tiefststand der letzten 24 Stunden 4,26%). Auch hier liegt das niedrigste Renditeniveau seit circa drei Monaten vor.

Der EUR verliert gegenüber dem USD in den letzten Tagen Momentum, ohne jedoch bisher unter nennenswerten Druck zu kommen. Derzeit oszilliert der EUR um die Marke von 1,09.

Gold und Silber halten das erhöhte Terrain. Der Rückgang der Inflation wirkt sich unterstützend auf die Währungen ohne Fehl und Tadel aus.


Deutschland: Einzelhandel setzt positiven Akzent

Die Einzelhändler haben ihren Umsatz im Oktober überraschend nominal um 0,7% gegenüber dem Vormonat laut Statistischem Bundesamt gesteigert. Inflationsbereinigt (real) lag der Anstieg bei 1,1%. Es war das stärkste Wachstum seit mehr als einem Jahr. Gemutmaßt wird, dass das Umsatzplus mit der sinkenden Inflation und Lohnerhöhungen korreliert ist. Die Reallöhne legten im 3. Quartal mit 0,6% zu. Es war der stärkste Anstieg seit mehr als 2 Jahren. In den ersten 10 Monaten steigerten die Einzelhändler ihren Umsatz um 2,8%. Real schrumpfte er um 3,5%

Kommentar: Eine Trendwende ist im Einzelhandel dennoch nicht auszumachen. Es ist eine fraglos „positive Schwalbe“, die jedoch keinen Sommer macht. Kaufzurückhaltung dürfte sich in den kommenden Monaten bestenfalls langsam auflösen, da die Rahmendaten insbesondere bezüglich der öffentlichen Haushaltslage und tendenziell zunehmender Beschäftigungsrisiken (Arbeitslosenquote saisonal bereinigt seit Mai 2022 von 5,0% auf 5,9%) weiter verunsichern werden. Diesbezüglich sei auf die Ankündigungen von VW oder die Nachricht über Aufgabe von Standorten seitens des Reifenherstellers Michelin verwiesen (absehbare Kaufkraftverluste).



Eurozone: Verbraucherpreise überraschend schwach

Der Anstieg der Verbraucherpreise lag per November gemäß Erstschätzung im Jahresvergleich bei 2,4% (Vormonat 2,9%, Prognose 2,7%) und damit in Schlagdistanz zum 2%-Ziel der EZB. In einzelnen Ländern ist eine Disinflationsdebatte zulässig (Italien 0,7%, Belgien 0,8%, Portugal 1,6%). Das gilt aber nicht für Frankreich (3,8%) Spanien (3,2%) und Deutschland (3,2%).

Kommentar: Die Entwicklung erfreut. Es ist jedoch zunächst eine Momentaufnahme, die von auf die Inflation belastend wirkenden Basiseffekten geprägt ist. Das wird sich in den kommenden Monaten ändern. Diesbezüglich sollte sich der Blick auf die Kerninflationsrate fokussieren, also die endogene Preisinflation innerhalb der Eurozone. Die kommt auch zurück, fraglos positiv, mäandert jetzt bei 3,6% (Prognose 3,9%) nach zuvor 4,2%.


Habeck: Große Industrieprojekte werden kommen

Wirtschaftsminister Habeck hat sich zu den großen Investitionsprojekten unter anderem in der Halbleiterbranche (Intel, TSMC, Infineon) bekannt.

Kommentar: Das verwundert nicht. Während andere Länder (UK, Volumen 34 Mrd. EUR) Investitionen ohne massive Subventionen für ihre Standorte realisieren können, muss Berlin historisch tief in die Tasche greifen, um Investitionen zu sichern. Das ist Ausdruck fehlgeleiteter Politik in der Vergangenheit und der Gegenwart. Es muss unserer Politik darum gehen, unbestechliche Konkurrenzfähigkeit bei den Rahmendaten (Energie, Infrastruktur, IT, Bürokratie, Steuern) zu generieren, um Zukunft des Standorts zu gewährleisten.

Habeck sagte, er wolle der Industrie sagen, dass die großen Projekte, die man sich vorgenommen hätte, kommen würden und kommen müssten. Das Geld dafür müsse aufgenommen werden. Natürlich würde man sehen, ob man einzelne Projekte zeitlich strecke oder auch depriorisiere, wenn sie nicht den härtesten Anforderungen entsprächen.

Kommentar: Das ist ein Zurückrudern Herr Habeck, das nicht Verunsicherung nimmt.

Habeck weiter: Perspektivisch das würde in dieser Legislaturperiode nicht mehr gelingen, müsse man überlegen, ob die Regelungen überprüft werden müssten, auch die Schuldenbremse. Sie wäre nicht mehr zeitgemäß.

Kommentar: Es sollte Habeck nicht um diese Einzelfälle gehen, sondern um das übergeordnete Thema der Konkurrenzfähigkeit des Standorte, ergo keine Ideologien, sondern Pragmatismus. Die Schuldenbremse sollte für nachhaltige und überfällige Investitionen (s.o.) gelöst werden.


Eurozone: Verbraucherpreise und Kernrate sinken stärker als erwartet

Die Verbraucherpreise sanken per Erstschätzung November im Jahresvergleich von zuvor 2,9% auf 2,4% (Prognose 2,7%, Italien 0,7%, Portugal 1,6%). Die Kernrate stellte sich im Jahresvergleich auf 3,6% (Prognose 3,9%) nach zuvor 4,2%.

Die Arbeitslosenrate der Eurozone verharrte per Oktober bei 6,5% (Prognose 6,5%).

Deutschland: Die saisonal bereinigte Arbeitslosenquote stieg per November von zuvor 5,8% auf 5,9%. Die Zahl der Arbeitslosen nahm saisonal bereinigt um 22.000 nach zuvor 31.000 zu.

Griechenland: Die Arbeitslosenquote sank per Oktober von zuvor 10,3% auf 9,6% und markierte die niedrigste Quote seit September 2009.

Portugal: Das BIP stieg per 3. Quartal im Jahresvergleich um 1,9% laut finaler Berechnung.


USA: PMI aus Chicago „explodiert“

Die persönlichen Einkommen nahmen per Oktober im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,4% (revidiert von 0,3%) zu. Der private Konsum verzeichnete im Monatsvergleich ein Plus in Höhe von 0,2% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,7%.

Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich per 25 November 2023 auf 218.000 (Prognose 220.000) nach zuvor 211.000 (revidiert von 209.000).

Der Einkaufsmanagerindex aus Chicago „explodierte“ mit einem unerwarteten Anstieg von 44,0 auf 55,8 Punkte (Prognose 45,4). Es ist der höchste Indexwert seit Juni 2022.

Der Index anhängiger Hausverkäufe sank per Oktober von zuvor 72,5 (revidiert von 72,6) auf 71,4 Zähler. Damit wurde der niedrigste Indexwert seit April 2020 (69,0 Corona) verzeichnet. Es ist der zweitniedrigste Indexwert in der bis 2001 zurückreichenden Historie des Index (kritisch).


China: Caixin PMI unerwartet deutlich über 50

Der von Caixin ermittelte PMI für das Verarbeitende Gewerbe stieg per November von 49,5 auf 50,7 Punkte (Prognose 49,8).


Japan: Daten besser als erwartet

Der „Jibun Bank PMI“ für das Verarbeitende Gewerbe stellte sich per November in der finalen Fassung auf 48,3 Punkte (vorläufiger Wert 48,1). Die Arbeitslosenrate lag per Oktober bei 2,5% (Prognose 2,6%) nach zuvor 2,6%.


Indien: Indien mit Top Wachstum und starkem PMI!

Das BIP nahm per 3. Quartal 2023 im Jahresvergleich um 7,6% (Prognose 6,8%) nach zuvor 7,8% zu. Der S&P PMI für das Verarbeitende Gewerbe stellte sich per November auf 56 Punkte (Vormonat und Prognose 55,5).


Russland: Reserven legen weiter zu

Die Devisenreserven legten per 24 November 2023 von zuvor 581,2 Mrd. USD auf 587,5 Mrd. USD zu und erreichten den höchsten Stand seit Juli 2023.

Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine positive Tendenz. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1,0540 – 1,0570 negiert das für den EUR positive Szenario.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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