5 Gründe, warum die Goldrally noch nicht am Ende ist
30.10.2024 | Ronald Peter Stöferle
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Die Nachfrage privater Investoren bzw. professioneller Investoren ist weiterhin sehr geringSpeziell in Nordamerika und in Europa ist die Goldnachfrage unter privaten und professionellen Investoren weiterhin sehr zurückhaltend. Eine Umfrage der Bank of America unter Investmentberatern im Jahr 2023 ergab, dass 71% höchstens 1% ihres Portfolio in Gold veranlagt hatten. Weitere 27% hielten zwischen 1% und 5%. Die signifikante Untergewichtung von Gold zeigt sich auch in der Entwicklung der ETF-Bestände, allen voran in Nordamerika und in Europa.
Die weltweiten ETF-Bestände legen erst seit wenigen Monaten wieder zu und liegen mit insgesamt 3.200 t ungefähr auf demselben Niveau wie vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, aber deutlich unter den Spitzenwerten im Oktober 2020 während der Pandemie und im März 2022 unmittelbar im Anschluss an den Ukraine-Krieg von jeweils knapp 4.000 t.
Während die ETF-Nachfrage aus Asien in den vergangenen Quartalen jedes Monat leicht im Plus war, konnten die europäischen ETF-Bestände erst im Mai ihre lang anhaltenden Verluste wieder ins Plus drehen. Im September überwogen allerdings wieder die Ausflüsse. In den USA legten die ETF-Bestände im September das dritte Monate in Folge zu, nach einer Achterbahnfahrt in den vergangenen Quartalen, in denen die Monate mit Netto-Abflüssen dominierten. Somit besteht bei den ETF-Beständen ein enormer Aufholbedarf.
Angesichts der Goldpreisentwicklung in den vergangenen Quartalen wäre eine Aufstockung der ETF-Bestände in Nordamerika und Europa von etwas mehr als 3.200 Tonnen auf fast 6.000 Tonnen erwartbar gewesen, wenn man die Korrelation seit 2005 dieser Berechnung zugrunde legt. Es besteht in diesem Nachfragesegment also noch sehr viel Luft nach oben, zumal westeuropäische Anleger zu einem prozyklischen Verhalten neigen.
Es scheint also, als hätten westliche (Finanz-)Investoren zunächst die Einladung zur Goldparty ausgeschlagen. Nun, da die Party in Schwung kommt, wollen sie ihren Irrtum nicht eingestehen. Daher könnte es passieren, dass sie erst zu dieser Party kommen, wenn diese bereits voll im Gange ist, allerdings zu viel höheren „Eintrittspreisen“.
GeoDie geopolitischen Spannungen bleiben hoch
Seit mehr als 2½ Jahren tobt mittlerweile der Krieg in der Ukraine und auch die Lage im Nahen Osten hat sich Ende September infolge der massiven Angriffe Israels auf führende Kader der Hisbollah und des Einmarsches von Bodentruppen in den Libanon weiter verschärft. Die geopolitischen Spannungen bleiben weiterhin hoch. Die Gefahr eines größeren Flächenbrands hängt aber weiterhin wie ein Damoklesschwert über diesen beiden Konfliktregionen.
Die zunehmend fragile geopolitische Lage zeigt sich immer deutlicher in den Bilanzen der Zentralbanken. Die massiven Goldkäufe der Zentralbanken seit 2009 und der steigende Goldpreis haben dazu geführt, dass der Anteil des Edelmetalls an den weltweiten internationalen Reserven zum Nachteil der Fiat-Währungen gestiegen ist. Bis Ende 2023 hat Gold den Euro überholt. Damit nimmt Gold mittlerweile den zweiten Platz unter den Reserveassets der Zentralbanken ein.
Unangefochten auf dem ersten Platz liegt weiterhin der US-Dollar, allerdings ist der Anteil des US-Dollar unter den FX-Reserven mittlerweile deutlich unter die Marke von 60% gefallen. 2015 gingen noch zwei Drittel der Währungsreserven auf das Konto der Weltleitwährung. Der BRICS-Gipfel in Kasan (Russland) vom 22.–24. Oktober wird zeigen, ob die Abnabelung vom US-Dollar weiter Fahrt aufnehmen wird und ob Gold als neutrales Reserveasset einen zusätzlichen, geopolitisch motivierten Nachfrageschub erhalten wird.
Diese Entwicklung kommt nicht überraschend, wenn man die Ergebnisse des im Juni vom World Gold Council veröffentlichten 2024 Central Bank Gold Reserves Survey betrachtet. So gaben 66% der befragten Zentralbanken an, dass sie einen leicht höheren Anteil von Gold an den gesamten Währungsreserven in 5 Jahren erwarten. 2022 waren es bloß 46% gewesen. Der Anteil der Zentralbanken, die eine leicht oder deutlich geringere Rolle von Gold erwarten, ist von 24% auf 13% gesunken. Keine einzige Zentralbank geht mittlerweile davon aus, dass im kommenden Jahr die Goldbestände der Zentralbanken sinken werden. 81% gehen davon aus, dass sie zulegen werden. 2021 waren es nur 52% gewesen.
Bemerkenswerterweise sind geopolitische Überlegungen - zumindest gemäß dieser Befragung - hinsichtlich der Bedeutung von Gold als Reserveasset der Zentralbanken nahezu völlig unbedeutend. Fast ebenso unbedeutend sind die Sorgen vor Sanktionen. Stattdessen sind die Absicherung gegen Inflation, die Performance von Gold in Krisenzeiten, das fehlende Ausfallsrisiko und die hohe Liquidität von Gold unter den wichtigsten Gründen für Gold.
Sieht man sich die Goldnachfrage der Zentralbanken in den vergangenen Quartalen an, bestätigt sich die laut Central Bank Gold Reserves Survey relative Bedeutungslosigkeit geopolitischer Überlegungen und der Absicherung gegen Sanktionen jedoch nicht. Die Diskrepanz zwischen den Goldkäufen vor Ausbruch des Ukraine-Krieges mit im Schnitt 118 t und 279 t danach, ist einfach zu groß. Am Ende zählen Taten mehr als Worte.
Fazit
Der Fear and Greed Index für Gold liegt mit einem Wert von 61 per 10. Oktober knapp nicht im Bereich Greed. Eine spürbare Korrektur ist angesichts der enormen Preisrally in den vergangenen 12 Monaten daher nicht ausgeschlossen. Allerdings sprechen zahlreiche fundamentalen Gründe dafür, dass sich Gold selbst nach einem Rückschlag weiter nach oben bewegen wird. Schließlich ist Gold Anfang 2024 aus der Cup-and-Handle-Formation, die sich seit 2011 gebildet hatte, mittlerweile erfolgreich ausgebrochen.
Mit einem Goldpreis von zwischenzeitlich über 2.660 USD hat der Goldpreis die Jahresendprognose unseres Incrementum Goldpreisprognose-Modells für 2024 erreicht. Dieses Modell hatten wir im In Gold We Trust-Report 2020 erstmals vorgestellt und seither in jedem folgenden In Gold We Trust-Report aktualisiert. Angesichts der sich weiter eintrübenden ökonomischen und (geo-)politischen Rahmenbedingungen ist das Kursziel des Modells von etwas mehr als 4.800 USD per Ende 2030 auf der konservativen Seite. Vor diesem Hintergrund ist selbst das im vergangenen Jahr deutlich teurer gewordene Gold also immer noch günstig.
Wie sagte Michael Kosares einst so treffend: "In a bull market, the sideline is the worst place to be!"
© Ronald Peter Stöferle
Matterhorn Asset Management AG
Dieser Artikel wurde am 15. Oktober 2024 auf www.goldswitzerland.com veröffentlicht.