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2024 – das Jahr, in dem sich die gesellschaftlichen Spannungen weiter vertiefen werden: Anekdotische Evidenz dreier Weltbilder

12.01.2024  |  Ronald Peter Stöferle
In Europa brodelt es in vielen Staaten schon seit 2015, als die erste große Flüchtlingswelle insbesondere Deutschland und Österreich erreichte. In den USA war es spätestens die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November 2016, die die tiefe Spaltung in den USA zwischen Republikanern und Demokraten jedem vor Augen führte. Wenige Monate zuvor, hatte Großbritannien zur Überraschung vieler sich für den Brexit, den Austritt aus der EU, entschieden. Seither sind nur wenige Jahre vergangen, die Krisendichte ist jedoch nicht geringer geworden, sondern hat zugenommen: Corona, Klimakrise, Inflation, Ukraine-Krieg, Energiekrise und zuletzt der terroristische Angriff der Hamas auf Israel.

2024 stehen in dieser Zeiten dieser multiplen Krisen einige wichtige Wahlen an: die Präsidentschaftswahlen in den USA, die Wahlen zum Europäischen Parlament sowie drei Landtagswahlen in östlichen Bundesländern in Deutschland, in denen die AfD bei den Umfragen in Führung liegt, jeweils mit mehr als 30%. 2024 könnte das Jahr der großen gesellschaftlichen und politischen Erschütterungen werden.

Weil Wirtschaft und Anlage immer auch in einem konkreten politischen und gesellschaftlichen Umfeld stattfinden, wollen wir uns dieses Mal mit einem Anlagethema im weiteren Sinne beschäftigen. Im Rahmen dutzender Veranstaltungen und hunderter Kundenbesuche tauschten wir uns mit professionellen Marktteilnehmern wie z. B. Vermögensverwaltern, Fondsmanagern, Privatankern, aber natürlich auch mit Privatkunden sowie Vertretern unterschiedlichster Medien aus.

Im Laufe vieler Diskussionen konnten wir grob gesprochen drei unterschiedliche Weltbilder hinsichtlich der Einschätzung der wirtschaftlichen Gesamtsituation diagnostizieren. Diese wollen wir im Folgenden charakterisieren, und darauf aufbauend die jeweilige Affinität zu einem Goldinvestment:

Unter ihnen sind beispielsweise Finanzanalysten und Marktkommentatoren, welche die stark interventionistische keynesianische Wirtschaftspolitik, die in Folge der globalen Finanzkrise betrieben wurde, grundsätzlich für richtig und notwendig befinden. Dieser Sichtweise folgend befindet sich die Wirtschaft in einem Heilungsprozess, der sich aufgrund von nicht vorhersehbaren regionalen wirtschaftlichen Problemen – Eurokrise, Nachwehen der Corona-Krise, chinesischer Wachstumsrückgang, Zinsschock etc. – langsamer als erwartet gestaltet.

Alles in allem ist "der Patient" namens Weltwirtschaft jedoch auf dem Weg der Genesung und die Finanzmärkte geben langsam Entwarnung. Zudem haben die Aufsichtsbehörden die notwendigen Lehren aus der Krise gezogen und durch bessere Regulierungen systemische Risiken verringert.

Zunehmend kritisch gesehen wird von einigen Vertretern dieses Camps, dass die expansive Geldpolitik zuletzt "the only game in town“ war. "Säkulare Stagnation" oder "New Normal" sind gemäß der Systemgläubigen Paradigmen, welche den aktuellen Zustand des schwächeren Wachstums beschreiben. Dieser Zustand sollte durch mehr Stimuli wie zum Beispiel fiskalische Konjunkturmaßnahmen bzw. Helikoptergeld durchbrochen werden.

Die rasche und radikale Energiewende erachten sie ebenfalls für unabdingbar, koste es, was es wolle. Die Goldquote in den Portfolios, welche von diesen Personen strukturiert werden, war in den vergangenen Jahren niedrig bzw. null. Es könnte sogar passieren, dass Gold von dieser, in den staatlichen und öffentlichen Institutionen sehr einflussreichen Gruppe, ein Reputationsproblem bekommen könnte, indem Gold vermehrt als Vermögenswert der Potentaten und Schwurbler gebrandmarkt wird.

In diesem Camp befinden sich Personen, welche Misstrauen gegenüber der Nachhaltigkeit der extremen wirtschaftspolitischen Maßnahmen hegen, die zur Bewältigung der globalen Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise im Euroraum oder während der Corona-Pandemie notwendig waren. Viele von ihnen hat ihr Instinkt bereits nach der Krise gesagt, dass eine Schuldenkrise mit noch mehr Schulden und radikalen geldpolitischen Maßnahmen zu bekämpfen, wohl keine probate Therapie sein könne.

Zu dieser Gruppe zählen mitunter Fondsmanager und Vermögensverwalter, welche oftmals das Ausmaß ihrer kritischen Einschätzung nicht völlig frei kommunizieren können, wollen oder dürfen. Mitunter kommt es zu der schizophrenen Situation, dass Fondsmanager privat ihr Portfolio deutlich krisensicherer und goldlastiger positionieren.

Was die Goldallokationen innerhalb der von ihnen verwalteten Portfolios angeht, so haben viele von ihnen pragmatisch agiert: In den Jahren nach der Globalen Finanzkrise wurde viel Gold akkumuliert, jedoch wurden diese Positionen ab 2013 einige Jahr lang – oftmals aufgrund von Performancedruck – wieder reduziert und oftmals gänzlich abgebaut. Ab 2016 kehrten die Finanzinvestoren – vermutlich überwiegend aus dem Camp der Skeptiker – wieder in den Markt zurück. Die ETF-Bestände legten dann auf mehr als das Doppelte bis Oktober 2020 zu. Seither befindet sich das Interesse in Europa und in den USA auf dem Rückzug, während die Nachfrage aus Asien leicht zugelegt hat.

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Aufgrund des Anlagenotstands und des Drucks durch Reporting-Strukturen und Benchmarks sind viele Skeptiker in den vergangenen Jahren wieder verstärkt auf die klassischen "risk on"–Anlageklassen wie (Technologie-)Aktien, Private Equity, Immobilien, Hochzinsanleihen etc. aufgesprungen. Oftmals geschah dies jedoch nur halbherzig, um "die Welle zu reiten".

Es ist bemerkenswert, wie viele Marktteilnehmer hinter vorgehaltener Hand die Sinnhaftigkeit bzw. die Nachhaltigkeit der wirtschaftspolitischen und geldpolitischen Maßnahmen in Frage stellen. Spannend ist auch, dass unserer Einschätzung nach die Gruppe der Skeptiker in den vergangenen Jahren sukzessive angewachsen ist und mittlerweile vermutlich zur zahlenmäßig größten Gruppe avancierte.


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