Rodeo-Trading mit dem Goldenen Bullen
13.09.2003 | Stephan Bogner
Chart 1: Goldpreis April 2002 bis Anfang September 2003 (1)
Die allgemeine Auffassung, dass Börsenkurse kurzfristig willkürlich und zufällig verlaufen, und hauptsächlich von periodisch eintretenden, nicht vorhersehbaren Wirtschaftsdaten und -Nachrichten beeinflusst werden, läßt den herrlich rational-evolutionierten Menschenverstand daran glauben, nicht in die Zukunft schauen zu können, womit es auch unmöglich ist, Börsenkurse sowohl kurz- als auch langfristig zu prognostizieren. Manch einer versucht dem zu widersprechen. Der Grund ist einfach, aber keiner scheint ihm Interesse widmen zu wollen, oder noch schlimmer: es scheint, als wenn man ihn zu verdrängen versucht:
"Die menschliche Natur ändert sich in ihren Grundzügen nie!" (2)
Aber genau diese hat einen enormen Einfluss auf Kursbewegungen an der Börse! Es kann zwar behauptet werden, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, aber es sollte gleichzeitig tiefer darüber nachgedacht werden, ob sie sich vielleicht nicht reimen könnte. Börsenkurse verlaufen in Zyklen! Und nicht nur dort sind sie dominant, sondern überall beeinflussen uns Tag ein Tag aus viele Millionen verschiedenster Zyklen. Diese wirken auf uns mehr als wir (noch) denken und schon fast vollständig aus unserem Bewußtsein gestrichen haben. Darunter gibt es auch viele verschiedene Zyklen, die die Finanzmärkte beeinflussen. Davon sind die "dominanten Zyklen" die einzigen, die für Prognoseaufgaben einen realen Wert besitzen. Dominante Zyklen sind solche, die konsequent Börsenkurse beeinflussen und die klar identifiziert werden können.
Die obige Goldpreisentwicklung zeigt einen wechselhaften Kursverlauf, obwohl unweigerlich zu erkennen ist, dass sich der Goldmarkt in einer Aufwärtsbewegung befindet. Eine klassische Buy & Hold-Strategie wäre empfehlenswert gewesen. Ein Kauf von Gold zu Beginn der US-Börsenkursstürze Anfang 2001 für unter 300 US-Dollar pro Unze mit einem Verkauf nach Ende des gewonnenen Irakkriegs bei 360 USD hätte eine optimale Portfolio-Absicherung zur Folge gehabt. Seit Gold die wichtige psychologische Marke von 330 USD überwunden hat, nahm die Volatilität stark zu. Der Grund für den damaligen Goldpreisanstieg auf über 380 USD war nach Ansicht der Medien der drohende Irakkrieg mit samt der damit verbundenen politischen, und somit auch wirtschaftlichen "Ungewissheit". Dieser Anstieg wurde als "War-Premium" entlarvt. Der darauffolgende Kurseinbruch nach Kriegsende war für viele "vorhersehbar". Viele glaubten, dass die Goldhausse nun zuende sei und der Preis sich bei 360 USD einpendeln würde. Doch wie viele haben den darauffolgenden "Sofort-Anstieg" von 325 auf 370 nach Kriegsende für möglich gehalten? Warum ist der Goldpreis danach wieder stark angestiegen? Was sagten die Medien bzw. die "Experten" dazu? Sie schwiegen.
Wenn man den obigen Chart heute betrachtet und den Aufschwung an den weltweiten Börsen seit März 2003 im Hinterkopf hat - mit samt dem eindrucksvollen US-Dollar-Anstieg der letzten Monate -, dann müsste man eigentlich damit rechnen, dass sich der aktuelle Kursanstieg auf 370 wieder in Richtung 340 USD korrigieren könnte bzw. (aus fundamentaler Sicht) sollte. Es liegen allerdings auch fundamentale und technische Gründe vor, die einen Kurssprung auf über 400 rechtfertigen würden. Und zwar nicht bis Ende des Jahres und "gemächlich", sondern in den nächsten 2-10 Wochen!
Heute wollen wir uns jedoch auf eine technische Analyse beschränken und mittels dieser eine Preisprognose für die nächsten Wochen wagen. Der Goldpreisverlauf zwischen April und Dezember 2002 manifestierte sich aus charttechnischer Sich in einer sogenannten "Dreiecks-Formation". Es gibt 3 Typen von "Dreiecken" - das symmetrische, das aufsteigende und das absteigende Dreieck.
Jeder Dreieckstyp hat eine leicht abweichende Form und unterschiedliche Bedeutung für die Kursprognose. Da symmetrische Dreiecke der häufigst vorkommende Dreieckstypus sind, und zur Zeit verstärkt beim Goldpreis auftauchen, kann auf eine Beschreibung der beiden anderen Typen (noch) verzichtet werden.
Die sich beim Goldpreis seit April 2002 gebildeten Dreiecksformationen haben jeweils zwei konvergierende Trendlinien, wobei die obere Linie fällt und die untere steigt. Diese Begrenzungslinien müssen entweder zusammen oder auseinander verlaufen, aber auf gar keinen Fall parallel. Jede Dreiecksformation hat das Potential, sowohl nach oben als auch nach unten auszubrechen, und wird vom Chartisten als "Fortsetzungsformation" oder "Korrekturmuster" gedeutet.
Generell sind Dreiecke typische Konsolidierungsformationen, die auch "Trendbestätigungsformationen" genannt werden. Solche Dreiecke bestätigen den bestehenden Haupttrend, wenn der aktuelle Kurs die Formation in Richtung des Haupttrends verlässt. Im Abwärtstrend verläuft die Bestätigung sinngemäß umgekehrt. Wird das Dreieck in umgekehrter Richtung verlassen, ist das ein Signal für die Trendumkehr. Die Umsätze sollten während der Konsolidierung innerhalb des Dreiecks zurückgehen.
Dreiecke sind im Grundsatz neutral, d.h. man kann während ihrer Entstehung nicht vorhersagen, wie sie ausgehen werden. Dennoch liegt schon in den verschiedenen Grundformen der Dreiecke ein gewisser Unterschied in der Prognose:
Das symmetrische Dreieck ist absolut neutral anzusehen. Das aufsteigende Dreieck hat eine leicht positive Prognose, weil sich die Kurse immer mehr der oberen Begrenzuntg annähern. Das absteigende Dreieck hat eine leicht negative Prognose, weil sich die Kurse immer mehr der unteren Begrenzung nähern. Die Prognose gilt nur tendenziell während der Entstehung dieser Formation. Erst der Ausbruch aus einer solchen Formation gibt es ein charttechnisches Kauf- oder Verkaufssignal. Es ist deshalb unbedingt notwendig, das Ausbruchssignal abzuwarten. Es gibt auch ein Zeitlimit für die Auflösung einer solchen Formation: Das ist der Punkt, an dem sich die beiden Linien treffen, kurz: die "Spitze". Eine allgemeine Regel besagt, dass die Kurse in Richtung des vorherigen Trends zwischen 2/3 und 3/4 der horizontalen Breite des Dreiecks ausbrechen sollten. Ein Ausbruch nach oben ergibt sich durch den Bruch der oberen Trendlinie. Wenn die Kurse jenseits der 3/4-Marke noch innerhalb des Dreiecks verharren, so verliert das Dreieck an Kraft, und die Kurse werden normalerweise in die Spitze und meist auch darüber hinaus driften.
Der Anfang 2001 einsetzende Aufwärtstrend von Gold ist noch relativ jung, wenn man bedenkt, dass der vorangegangene Abwärtstrend fast genau 20 Jahre zählte. Seit Gold den harten Widerstand bei 330 mit Hilfe einer 8-monatigen Dreiecksformation mit einer Schwankungsbreite von maximal 30 USD durchbrechen konnte, stieg Gold etwa 8 Wochen unaufhaltsam zum nächsten großen Widerstand: 370 USD. Obwohl charttechnisch gesehen der neue, langfristige Aufwärtstrend bei Gold schon nun mehr als 30 Monate intakt ist - und kein einziges Mal unterbrochen wurde - trauen sogar einige Goldfans, vor allem aber die Medien, dem Golde (noch) nicht "von den Toten auferstanden" zu sein. Das mag auch an der Tatsache liegen, dass die Goldpreisentwicklung verstärkt von symmetrischen Dreiecken beeinflusst wird - eine Kursnotierung, die (bei Gold momentan) 8 Monate lang zyklisch verläuft.
Chart 2: Breakout #1 aus dem 8-monatigen symmetrischen Dreieck April 2002 bis Februar 2003.
Grund für die Ausbildung einer solch bulligen Trendfortsetzungsformation war die widerständige,
psychologische Preismarke 370 US-Dollar pro Unze Gold.