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Exponentielles Wachstum = Exponentielle Ignoranz!

26.01.2009  |  Peter Boehringer
- Seite 2 -
c) Spekulation, Charttechnik und De-Leveraging

Laut Studien sind zwischen Januar und Juni 2008 mehr als 60 Milliarden Dollar in Ölfuture-Kontrakte investiert worden. Diese Zahl ist nicht alleine durch das o.g. Dollar-Hedging erklärbar. Hier sind spekulativ engagierte Fonds mit riesigen Summen long gegangen, nur um diese Mittel seit dem Preisgipfel bei 148 $/bl im Juli wieder abzuziehen. Auch eine Ermittlung der US-Rohstoffaufsicht CFTC und eine erhebliche Margin-Ausweitung auf Ölkontrakte haben die Wende mit ausgelöst. Wie üblich haben die trendfolgenden Charttechniker die Ausschläge nach oben und unten noch erheblich verstärkt. In dieser extremen Form jedoch waren die spekulativen Engagements im Ölmarkt neu.

Ganz entscheidend war auch das seit der Verschärfung der Bankenkrise ab August 2008 ganz erhebliche De-Leveraging praktisch aller Marktteilnehmer: In Zeiten extremer Unsicherheit und Liquiditätsknappheit müssen die Hedge-Fonds und auch die Banken ebenso wie die auf Kredit handelnden Privatanleger gezwungenermaßen alle ihre Positionen liquidieren! Nur durch diese Notverkäufe sind Ölpreise von unter 80 $/bl überhaupt noch einmal denkbar gewesen. Wir halten alle Bewegungen von weit über oder unter etwa 90 $/bl mittelfristig für Übertreibungen. Fast das ganze Jahr 2008 war daher von Übertreibungen im Ölmarkt gekennzeichnet - und diese hohe Vola wird sich wohl auch 2009 noch fortsetzen!


d) Realwirtschaftlicher Einbruch mit Verbrauchsrückgang

Nach Preissprüngen von 50% innerhalb von 6 Monaten trat Mitte 2008 etwas ein, was man im Ölmarkt seit 1982 trotz zwischenzeitlicher Vervielfachung des Preises nicht mehr beobachtet hatte: die Nachfrage sank - dies zumindest in den westlichen Industrieländern. Aber auch in Asien sind 2008 vielfach staatliche Benzinsubventionen abgeschafft worden, so dass sich z.B. die Chinesen erstmals mit wahren Marktpreisen konfrontiert sahen! Bei etwa 130 $/bl und damit einer Preisverdopplung innerhalb nur eines Jahres war bei den Konsumenten und wohl auch in der Industrie die Schmerzgrenze erreicht, oberhalb der begonnen wurde, Benzin und Öl einzusparen. Die Rückgänge erreichen im Westen mittlerweile mehr als 5% ggü. dem Vorjahr, was angesichts des derzeit depressionsartig zusammenbrechenden Welthandels mit um fast 95% gefallenen Schiffsfrachtraten auch nicht weiter überrascht.

Für die Long-Anleger war das zwar eine schmerzliche Erfahrung - im Prinzip ist dies aber eine angesichts von Peak Oil dringend erforderliche Nachricht, denn das absolute Weltangebot an konventionell gefördertem Öl hat schon vor vier Jahren sein Peak erreicht! Preisfindungen an Rohstoffmärkten folgen eigenen Regeln: Hier wird nicht wie bei Aktien eine künftige Gewinn- oder Cashflowreihe auf die Gegenwart abgezinst und so ein fair value ermittelt, sondern es werden (mangels Lagerungsmöglichkeiten) am Spotmarkt konsequent nur die kurzfristigen Angebots- und die Nachfragedaten abgeglichen. Da im Ölmarkt sowohl die Preiselastizität des Angebots als auch der Nachfrage extrem gering ist (Öl befriedigt Grundbedürfnisse des modernen Lebens und die Projektvorlaufzeiten und -kosten sind enorm), führt schon eine geringe Über- oder Unterdeckung der Nachfrage zu enormen Preisschwankungen.

Dies funktioniert in beide Richtungen, wie man 2007/8 eindrucksvoll sehen konnte: Bis Juli 2008 folgte die Nachfrage einer seit 1982 fast linear mit 1,5% steigenden Geraden. Die erreichten ca. 75mbpd konnten wegen Peak Oil zumindest über konventionelle Ölförderung nicht mehr befriedigt werden. Der Preis schoss daraufhin in kürzester Zeit bis an die 150$/bl.

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Der realwirtschaftliche Einbruch - ausgelöst und verstärkt durch die Finanzkrise - führte seitdem zum o.g. Rückgang der Nachfrage um (im Westen) etwa 5% und weltweit ca. 1%. Schon diese kleine Veränderung kehrte die Unterdeckungs-Situation an den Spotmärkten innerhalb von wenigen Wochen komplett um, ohne dass sich an der Angebotssituation viel verändert hätte. Das Resultat ist der derzeit zu beobachtende Preisverfall.


e) Peak Oil

Peak Oil ist keine Theorie - und erst recht keine Verschwörungstheorie! Peak Oil ist einfache Mathematik, Empirie und angewandte Logik auf Basis geologischer und energetischer Fakten! Man muss u.E. davon ausgehen, dass die Welt trotz gestiegener Ölpreise nicht in der Lage ist, das seit 2004 bei etwa 75 Millionen Barrel pro Tag erreichte Förderplateau der konventionellen Ölförderung (1) noch signifikant zu steigern! Peak Oil macht übrigens keine Prognosen zur Entwicklung der Nachfrage oder zu Möglichkeiten und Grenzen alternativer Energieformen.

Trotz riesiger Förderanstrengungen bei Ölpreisen über 100$/bl hat 2008 sogar der wichtigste nicht-OPEC-Produzent Russland ganz offiziell das Erreichen seines Förderhöhepunkts eingeräumt. Andere wichtige Staaten berichten mittlerweile von Rückgängen zwischen 5% und 16% per annum (!), so dass z.B. Mexiko als Exportstaat von Erdöl aus heutiger Sicht 2011 oder 2012 komplett ausfallen wird! Peak Oil Vertreter aggregieren lediglich die beobachtbaren Förderkurven einzelner Quellen, Regionen und Länder im Zeitablauf zu einem globalen Gesamtbild.

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