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Exponentielles Wachstum = Exponentielle Ignoranz!

26.01.2009  |  Peter Boehringer
- Seite 5 -
Der Block "Gesamtenergie" stellt alle vom Menschen nutzbaren Energiemengen dar - aus Öl, Kohle, Kernkraft, Solar, Wind usw. Der rote Teil muss verwendet werden, um neue Energiequellen zu finden (Exploration) sowie zur Aufrechterhaltung der Energieinfrastruktur (Reinvestitionen), und zur Förderung der Energie (Betrieb von Bohrtürmen, Kraftwerken oder Windgeneratoren). Der grüne Teil ist als Differenz dann die "Net Energy" - manchmal auch EroEi ("Energy returned over energy invested") genannt. Diese Net Energy muss zum einen Teil zur Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse eingesetzt werden (Wasser- und Essensbeschaffung, Herstellung von Kleidern, Bau von Unterkünften, …). Erst der verbleibende Teil kann für optionale, "diskretionäre" Zwecke verwendet werden; seien es Urlaubsreisen, Luxus-Importweine, Theaterbesuche, öffentliche Aufgaben oder sonstige "complexities" des modernen Lebens.


Ohne leicht und günstig förderbares Öl gibt es kein globales Wirtschaften

Es ist leicht erkennbar, dass sich eine Veränderung der roten Pfeile sofort zwingend auf die grünen auswirkt, weil die Bilanz natürlich immer ausgeglichen sein muss. Jahrtausendelang waren die roten Pfeile zusammen so groß, dass der grüne Pfeil gerade noch ausreichte, um die menschlichen Grundbedürfnisse abzudecken. Der Bereich "Discretionaries" war extrem schmal, was der Grund für die meist lokal-regional und hierarchisch-einfach organisierten Stammesgesellschaften war.

Grundlegend änderten sich die energetischen Voraussetzungen erst im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Kohlenutzung (Dampfmaschine) und vor allem im 20. Jahrhundert mit dem Ölzeitalter. Erst die plötzlich massenhaft und günstig verfügbare Zusatzenergie ermöglichte fast alle Erscheinungsformen unseres heutigen modernen Lebens - insbesondere die Nahrungsmittelverfügbarkeit und -vielfalt, die extrem hohe Mobilität von Menschen und Gütern, Hygienemaßnahmen und damit Massengesundheit und nicht zuletzt die gesamte Erscheinung der Globalisierung! Die überschüssige Net Energy insbesondere aufgrund der riesigen Ölfunde seit 1859 hat die westliche Lebensform seit 150 Jahren maßgeblich ermöglicht.

Umso besorgter muss es machen, wenn man sich die Energiebilanz bei Öl im langfristigen Zeitablauf ansieht (Abbildung 10):

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Quelle: Martenson, Darstellung PBVV


Der Mensch beutet immer die am leichtesten zugänglichen Ressourcen zuerst aus. Im Falle von Öl waren das Ölfelder, die unter hohem Druck direkt unter der Oberfläche zu finden waren und 1859 fast zeitgleich bei Celle (D) und in Pennsylvania gefunden wurden. Die NetEnergy dieser Bohrungen betrug 99% bzw. die EroEi-Ratio 100:1, weil es sprichwörtlich aus dem Boden sprudelte. Mit verbesserter Fördertechnologie und wegen Skaleneffekten nach den Funden von immer größeren Feldern (Ghawar in Saudi-Arabien: 1947) konnte diese Spitzenrate bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gehalten werden. Mit unglaublichen Wohlstandseffekten für die gesamte "zivilisierte" Welt! Auch noch nach dem Peak der US-Förderung um 1970 betrug der Energieüberschuss der Ölbohrungen noch immer weit über 90%, so dass die gewaltige Energiedichte von Öl/Benzin fast komplett für das menschliche Wirtschaften und Wohlergehen nutzbar war. Selbst noch in den 1980ern und 1990ern waren die wohlstandsförderlichen Raten zur NetEnergy absolut auskömmlich, wenn auch allmählich unter 90% sinkend.

Wie Abbildung 10 zeigt, deutet vieles darauf hin, dass wir uns seit einigen Jahren im "Knick" der umgekehrten Exponentialfunktion befinden. Die Gründe sind intuitiv verständlich: Wir bohren heute nach Tiefseeöl, Schweröl, in riesigen Tiefen und extremen Klimazonen, zudem nach nur aufwändig in Öl umwandelbare Ölsande, Ölschiefer usw. Dies ist sowohl energetisch verheerend als auch bzgl. der Investitionen und Förderkosten. Viele alte Einzelquellen haben bereits heute den Punkt 0% erreicht, obwohl sie vielleicht noch Restmengen an Öl enthalten. Deren Förderung lohnt sich aber rein energetisch nicht mehr. Auch die Welt insgesamt steuert zügig auf den Punkt zu, an dem sich die Ölförderung energetisch nur noch an ausgewählten Orten lohnt - zuletzt vermutlich um die Jahrhundertmitte im Nahen Osten. Aussagen wie "Es gibt noch Ölbestände für Jahrhunderte." oder "Just drill´em!" (G.W. Bush) sind daher bestenfalls irrelevant; schlimmstenfalls grob irreführend.

Übrigens ist die Energiebilanz bei Kohle (NetEnergy-Ratio zwischen 90% und 40%), bei Biodiesel (70%) oder gar Maisethanol (10%) z.T. noch schlechter als bei Öl. Ausnahmen mit sehr guten Ratios stellen Wind- und Solarenergie sowie Kernkraft dar. Allerdings kann damit nur Strom - und zumindest nicht direkt Treibstoff erzeugt werden. Dem Elektroauto kann in jedem Fall schon heute eine große Zukunft prognostiziert werden. Dem E-Fahrrad natürlich auch.


Beyond Oil: Gesellschaftliche Folgen von Peak Oil

Die einmaligen energetischen Eigenschaften von Öl hatten seit etwa 100 Jahren ganz enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sowohl unsere Realwirtschaft und damit unser Wohlstand als auch die Bevölkerungszahlen hätten ohne die supergünstig verfügbare Überschuss-Energie aus den Abermilliarden Barrels an Öl niemals derart exponentiell anwachsen können. Auch das mit der Fed-Gründung 1913 eingeführte fraktionale Zentralbank-Papiergeldsystem heutiger Prägung mit exponentiellem Geldmengenwachstum konnte ausschließlich parallel zum Ölzeitalter entstehen und bis heute überleben. Die Abhängigkeiten der Bereiche sind offensichtlich - alle Kurven weisen seit etwa 1900 exponentielles Wachstum aus.

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Quelle: Martenson





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