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Exponentielles Wachstum = Exponentielle Ignoranz!

26.01.2009  |  Peter Boehringer
- Seite 6 -
Kausal und treibend war dabei die Ölförderung. Nur die seit etwa 100 Jahren rasant anwachsende Bedeutung der Ölenergie hat das per definition zwingend auf immer schnelleres Wachstum angewiesene fraktionale Zinsgeldsystem (temporär…) möglich gemacht! "Temporär" deshalb, weil eine Geldmengenkurve ohne Goldanker zwar theoretisch unendlich weiterwachsen könnte. Die absolut Öl-abhängige Realwirtschaft kann dies jedoch nach Peak Oil nicht mehr. Ohne realwirtschaftliches Wachstum und damit verbundenen steigenden Einkommen sind die weiterhin exponentiell steigenden Zinslasten bald nicht mehr bedienbar. Das System ist somit mathematisch begrenzt - kollabieren wird es allerdings bereits früher durch den Verlust des Vertrauens der Menschen in die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldenberge und in das "weiter so". Politiker und Zentralbanker kooperieren in einem für sie machterhaltenden und hochprofitablen - aber fatalen Spiel:
"Die politische Siegesformel lautet: Allen alles versprechen. Das erste Gebot der Ökonomie aber ist die Knappheit.
Papiergeld ist die Brücke zwischen Politik und ökonomischer Realität."
Porter Stansberry, amerik. Wirtschaftspublizist

Diese Brücke wurde nun 100 Jahre lang begangen. Sie wird einstürzen, denn man kann nicht dauerhaft Realität und Illusion überbrücken. Eine nachhaltige Realwirtschaft braucht ein nachhaltiges Geldsystem. Vielleicht wird das nächste wieder Gold-verankert.

Peak Oil ist der begrenzende Faktor des Systems. Leider wird der Ölgipfel nicht nur das Zentralbanksystem beenden, sondern ist auch limitierender Faktor beim künftig möglichen Bevölkerungswachstum. Die seit ebenfalls etwa 100-150 Jahren exponentiell ansteigende demographische Entwicklung war ausschließlich über eine "energetische Verschuldung" der Menschheit durch die Nutzung der in Jahrmillionen entstandenen endlichen Energieträger Kohle und Öl möglich.

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Quelle: Martenson


Exponentielles Wachstum = Exponentielle Ignoranz

Eine Exponentialfunktion ist definiert als "gleicher prozentualer Anstieg pro Zeiteinheit". Dies ist zu Beginn völlig harmlos. Ab dem "Knick", den jede Exponentialfunktion einmal erreicht, wird jedoch offensichtlich, dass der absolute Anstieg pro Zeiteinheit nicht immer gleich ist, sondern ständig und beschleunigt immer weiter anwächst. Wenn der Knick erst erreicht ist, geht alles extrem schnell und die Unnatürlichkeit und Untragbarkeit der Funktion in einer endlichen Welt wird für den Menschen spürbar. Wir würden zwar nicht so weit gehen wie der Autor Richard Heinberg, der in einem Buch "the peak of everything" postuliert. Aber Peak Oil genügt in jedem Fall, um innerhalb weniger Jahre zumindest einige scheinbar nachhaltige Systeme ins Ungleichgewicht zu bringen bzw. sie - falls nicht rechtzeitig umgesteuert wird - zu zerstören!

Das realwirtschaftliche Wachstum stößt zunehmend an die Grenzen der Endlichkeit natürlicher Ressourcen. Mit Peak Oil werden diese Grenzen innerhalb weniger Jahre sichtbar und für alle Menschen spürbar. Aber es gab schon länger viele dramatische Warnzeichen: Wasserknappheit, Aussterben von Tierarten, Verlust von Wäldern und fruchtbaren Böden, Überfischung der Meere. Wir müssen erkennen, dass wir in einer Zeit leben, in der unser exponentiell wachsender Ressourcenbedarf in vielen kritischen und existenziellen Bereichen an harte, unausweichliche, physische Grenzen stößt! Und in einer exponentiellen Wachstumswelt hat man nur wenig Zeit, sich darauf einzustellen und umzusteuern.

Neben der exponentiell gewachsenen Energienutzung war seit fast 100 Jahren das exponentielle Geldmengenwachstum des fraktionalen Kreditgelds die Hauptursache für den Wachstumszwang und die Beschleunigung in allen Bereichen. Wenn es Ihnen also derzeit so vorkommt, als ob die Dinge sich überall beschleunigen, dann könnte es daran liegen, dass es einfach so ist und so sein muss, solange wir uns auf diesen Exponentialkurven "hinter dem Knick" bewegen.

Mit Peak Oil wird auch die Globalisierung ihr Peak erreichen. Energie ist die Quelle allen Wachstums. Die Globalisierung beruht auf sehr hohem Energieüberschuss und einem ölbedingt extrem niedrigen Verhältnis von Transportkosten zu Arbeitskosten. In den kommenden 2-15 Jahren wird sich dieses Verhältnis ändern und die Globalisierung damit zum Stillstand kommen oder sich umkehren. Re-Regionalisierung wird die Verstädterungstendenz umkehren und Ackerland wieder wertvoller machen. Der "Ressorcenkredit" aus fossilen und mineralischen Ressourcen, den die Welt seit 100 Jahren massiv in Anspruch nimmt, wird allmählich versiegen. Mit dem Gipfel der extrem hohen heute erreichten globalen Arbeitsteilung wird allerdings leider auch der dadurch generierte Wohlstand abnehmen!


"Anything that can´t go on forever will stop."

In einer endlichen Welt geht exponentielles Wachstum mit mathematischer Sicherheit an einem bestimmten Punkt nicht mehr gut, sobald sich die Exponentialkurve erst einmal der Vertikalen nähert. Die wegen Peak Oil abnehmende NetEnergy (Abb. 9) stellt die "physikalische Mauer" dar, an die sowohl die Globalisierung stoßen wird als auch unsere enorme gesellschaftliche Komplexität scheitern wird.

Wachstum wird schon bald offiziell in der Politik nicht mehr als Wohlstands-fördernd, sondern als (über)lebensgefährlich wahrgenommen werden! Dieser Paradigmenwechsel wird innerhalb der nächsten 5-15 Jahre stattfinden (müssen).


© 2008 Peter Boehringer
PBVV Vermögensberatung

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Dezember Ausgabe des "Smart Investor Magazin". Eine druckerfreundliche Version kann hier abgerufen werden.



(1) Ohne Bio-Treibstoffproduktion, ohne NGL, ohne verflüssigte Kohle bzw. Gase, ohne Tiefseeförderung, Ölsand, Ölschiefer und ohne Schweröl.



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