Die Fahrt mit der "Hansa"
Man schrieb den Sommer 1923. Mit der Fürsprache und der finanziellen Unterstützung der Degussa und der Metallgesellschaft wurde auf dem Passagierschiff "Hansa" der Hapag (Hamburg-Amerikanische Paket AG) ein Labor eingerichtet und für Haber und seine Mitarbeiter Eisner, Lehrecke, Matthias und Zisch eine Passage nach New York und zurück gebucht 5. Nach einem kurzen Aufenthalt in Hamburg, bei dem auch das Labor auf dem Schiff eingerichtet wurde, verließ die "Hansa" mit 923 Passagieren, davon 522 Auswanderern, Hamburg. In seinem Schreiben aus dem Jahre 1967 erinnert Eisner an diese Fahrt 6. Dabei berichtet er von den Bemühungen, die Unternehmung geheimzuhalten:
"Um Passformalitäten zu vermeiden, waren Haber und seine Assistenten als Besatzungsmitglieder angemustert. Was man so nicht verbergen konnte, erschien in der Besatzungsliste als überzählige Zahlmeister. Bei der Landung in New York mußte die gesamte Mannschaft an Deck in Reih und Glied antreten. Unter einer Anzahl Studenten, die als Tellerwäscher die Reise machten, und Angehörigen der Hapag, die die gleichen Probleme hatten, stand Haber mit den überzähligen Zahlmeisterassistenten zusammen.Es machte ihm sichtlich Spaß, als der überzählige Zahlmeisterassistent Fritz Haber aufgerufen wurde und vom Emigration Officer seine Landungskarte in Empfang nahm. Als ihn später einer der Reporter fragte, warum die "Hansa" so viele Zahlmeister hätte, sagte er: "Der vielen Nullen wegen. Das war mitten in der Inflation."
Nach dem Erreichen des freien Meeres begannen sofort die Probeentnahmen, die durch eine zusätzliche Vorrichtung an Bord des Schiffes vorgenommen wurden. Diese Arbeit blieb von den Passagieren nicht unbemerkt, und es entstanden die wildesten Gerüchte, ja selbst die Offiziere verbreiteten seltsame Nachrichten, wohl zum Teil, um auf Wunsch von Haber von dem eigentlichen Zweck der Arbeiten abzulenken. So schrieb nach der Ankunft des Schiffes in New York eine Zeitung einen Artikel mit der Überschrift: "German Scientists see way to drive ships by using mysterious Force". Verschiedene Mannschaftsmitglieder waren befragt worden. So sagte ein Passagier, dass er gehört hätte, dass, wenn die Versuche erfolgreich wären, alle arbeitenden Maschinen, auch die "most-up-to-date" verschrottet werden könnten, und dass der Antrieb von Fahrzeugen dann nur noch halb so viel kosten würde. Die Irreführung schien vollkommen gelungen zu sein.
Unten im Schiff aber schufteten Haber und seine Mitarbeiter, um die Proben aufzuarbeiten und zu analysieren. Haber hat in einem seiner typischen "Gedichte" die Situation wie folgt in Versform geschildert:
Das Gedicht umfasst mehrere Seiten. In dem Bericht über die Arbeiten auf dieser Reise heißt es 7: "Die Erfahrungen der Reise liegen einerseits auf dem Gebiete der Gehaltsermittlung, andererseits auf dem der Filterentwicklung. Hinsichtlich der Gehaltsermittlung bestand eine Schwierigkeit solange wir nicht Salpetersäure vor der Fällung zugeben ... (dann) trat keine Störung ein und wir erhielten durchweg gute Perlen ... Eine zweite fatale Störung verursacht die Kupellation. Es ist auf dem Schiff selbst bei völlig glatter See kaum möglich, Perlen von der Kupelle aufzunehmen und rund zu schmelzen ... Die Anwendung einer Methode, die ohne Kupellation auskommt, würde erwünscht sein."
In diesem Bericht wird auf andere Verfahren eingegangen, die aber nicht sicher genug seien. So brachte diese Reise erste Erfahrungen hinsichtlich der Ausgestaltung des schwimmenden Labors und der Arbeitsweise. An einer weiteren Fahrt nach Nordamerika nahm Haber selbst nicht teil, ließ sich aber die verschlüsselten Analysendaten nach Berlin übermitteln.