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Je länger der Markt der Fundamentaldaten trotzt…

20.08.2009  |  Eugen Weinberg
"Der Markt kann länger irrational bleiben als Sie solvent" soll John Maynard Keynes einmal gesagt haben. Dem Rohstoffmarkt kann man aktuell zwar auch ein irrationales Verhalten nachsagen, dieser Zustand hält aber schon seit Wochen an. Der Wendepunkt ist immer sehr schwer vorauszusagen, wir denken aber, dass dieser sehr nah ist. Die Erfahrung aus dem letzten Jahr zeigt zudem, dass der Preisverfall danach umso stärker ausfallen wird, je länger die Marktteilnehmer die negativen fundamentalen Vorzeichen verkennen.


Energie

Der WTI-Ölpreis ist seit gestern um 6% auf knapp 73 USD je Barrel gestiegen. Auslöser hierfür war ein unerwartet deutlicher Rückgang der US-Rohöllagerbestände, welche nach Angaben des US-Energieministeriums in der vergangenen Woche um 8,4 Mio. Barrel gesunken sind. Die Rohöllagerbestände sind damit nicht nur markant unter den Schätzungen geblieben, sondern so stark zurückgegangen wie zuletzt im Mai 2008. Der Lagerabbau erklärt sich allein mit dem Rückgang der Rohölimporte um 1,4 Mio. auf 8,1 Mio. Barrel pro Tag, den niedrigsten Stand seit elf Monaten.

Diese Entwicklung dürfte nicht nachhaltig sein und könnte schon in der kommenden Woche zu einer Gegenbewegung führen. So ist es denkbar, dass die Löschung von Öltankern zurückgehalten wurde, um vom Anstieg der Terminkurve zu profitieren. Auch im vergangenen Jahr gab es im Spätsommer einen markanten Einbruch der Importe, welcher innerhalb weniger Wochen korrigiert wurde (siehe Grafik des Tages). Von daher scheint die Marktreaktion auf die Lagerdaten überzogen. Freundliche Aktienmärkte dürften den Ölpreisen dennoch auch heute Unterstützung geben.

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Der US-Erdgaspreis könnte heute erstmals seit 7 Jahren unter die Marke von 3 USD je mmBtu fallen, sollte sich der überdurchschnittliche Lageraufbau auch in der vergangenen Woche fortgesetzt haben und damit Sorgen vor dem Erreichen der Speicherkapazitäten schüren. Erwartet wird ein Anstieg der Lagerbestände um 57 Mrd. Kubikfuß.


Edelmetalle

Der schwächere US-Dollar und der gestiegene Ölpreis haben Gold wieder über die Marke von 940 USD je Feinunze verholfen. Andere Impulse für Gold gibt es derzeit nicht. Die Schmucknachfrage ist beim derzeitigen Preisniveau weiterhin schwach. Zudem drohen durch die Regenarmut in Indien den dortigen Bauern Einnahmeausfälle, was die Nachfrage für Goldschmuck in den anstehenden umsatzstarken Monaten zusätzlich beeinträchtigen könnte. Mittlerweile hat Indien den Spitzenplatz unter den Goldimporteuren an Dubai verloren. Während Indien im ersten Halbjahr nur noch 51,6 Tonnen Gold importierte, betrugen die Goldeinfuhren nach Dubai 300 Tonnen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass Dubai das importierte Gold im Gegensatz zu Indien größtenteils re-exportiert. Von der tatsächlichen Nachfrage her ist Indien mit 109 Tonnen im zweiten Quartal laut WGC noch immer die Nr. 1 in der Welt. Allerdings hat China den Abstand auf weniger als 20 Tonnen verkürzt.


Industriemetalle

Deutlicher können die Warnzeichen bei den Industriemetallen nicht sein. Das World Bureau of Metal Statistics (WBMS) schätzt, dass in der ersten Jahreshälfte alle Industriemetalle Angebotsüberschüsse aufwiesen. Am deutlichsten fiel der Überschuss mit gut 1,3 Mio. Tonnen bei Aluminium aus. Dies sind nochmals 500 Tsd. Tonnen mehr als im ersten Halbjahr 2008. Auch bei Zink und Nickel waren die Überschüsse mit 59 Tsd. bzw. 56 Tsd. Tonnen beträchtlich. Bei Kupfer belief sich der Überschuss zwar "nur" auf 15 Tsd. Tonnen. Allerdings wies der Kupfermarkt im ersten Halbjahr 2008 noch ein Defizit von 166 Tsd. Tonnen auf. Bei diesen Zahlen ist zu bedenken, dass China im ersten Halbjahr im großen Stil Industriemetalle aufgekauft hat. Ohne diese Kaufaktivitäten wären die Angebotsüberschüsse insbesondere bei Kupfer und Nickel noch wesentlich höher ausgefallen.

Laut International Nickel Study Group (INSG) betrug die weltweite Nickelproduktion im Juni 113,1 Tsd. Tonnen und übertraf die Nachfrage damit erneut um 5,4 Tsd. Tonnen. Ein ähnliches Bild zeichnet die International Lead and Zinc Study Group (ILZSG). Demzufolge hat sich zwar die Nachfrage nach Blei und Zink im Juni um 8% bzw. 2% im Vergleich zu Mai erholt. Gleichzeitig wurde aber auch die Produktion um 7% bzw. 2,5% ausgeweitet, so dass bei beiden Metallen weiterhin Überschüsse von 56 Tsd. bzw. 16 Tsd. Tonnen zu Buche standen. Bei Blei kontrolliert laut der LME-Lagerscheinstatistik ein einziger Marktteilnehmer über 90% alle LME-Lagerbestände. Das Korrekturpotenzial bei den Industriemetallen nimmt somit weiter zu.


Agrarrohstoffe

Die gerade laufende Ernte auf der Nordhalbkugel setzt die Weizenpreise derzeit unter Druck. Der an der CBOT in Chicago gehandelte US-Weizenfuture nähert sich dem Tief von Dezember 2008 von 4,57 USD je Scheffel. Europäischer Mahlweizen, welcher an der Euronext in Paris gehandelt wird, notiert mittlerweile bei 125 EUR je Tonne und damit auf einem Kontrakttief. Kurzfristig kann ein weiterer Preisrückgang nicht ausgeschlossen werden. Denn der Markt schaut derzeit ausschließlich auf die voranschreitende Feldarbeit und ignoriert dabei die Risiken. So dürfte die Weizenproduktion in wichtigen Exportländern deutlich hinter dem Vorjahresniveau zurückbleiben.

In Russland liegt die Weizenproduktion bislang mehr als 10% niedriger als im Vorjahr. In der Ukraine dürfte der Produktionsrückgang trotz leichter Aufwärtsrevision fast doppelt so stark ausfallen. Das größte Risiko betrifft aber die Ernte in Australien zu Beginn des kommenden Jahres. Diese dürfte durch die Dürre aufgrund von El Nino deutlich schlechter ausfallen als erwartet. Laut Weltwetterorganisation dürfte El Nino bis in das erste Quartal 2010 hinein andauern. Sobald die Ernte in der nördlichen Hemisphäre vorüber ist und sich der Fokus stärker auf diese Risiken richtet, dürften die Weizenpreise wieder zu steigen beginnen.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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