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Bankgeheimnis Geldschöpfung

17.12.2009  |  Bernd Senf
Weltfinanzkrise wirft viele Fragen auf

Bankgeheimnis Geldschöpfung April 2009 Weltfinanzkrise wirft viele Fragen auf Jahre lang war in den politischen Diskussionen immer wieder zu hören, zu lesen und zu sehen (dass einem schon fast Hören und Sehen vergingen), die öffentlichen Kassen seien leer. An allen Ecken und Enden fehlten die Mittel, um dringende öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Und nun auf einmal - seit Ausbruch der Weltfinanzkrise - überschlagen sich die Meldungen über staatliche Rettungsschirme für angeschlagene Banken und über Konjunkturpakete in Billionen‐Höhe (Dollar bzw. Euro). Eine Billion - das sind Millionen mal Millionen! Entsprechende Programme wurden in kürzester Zeit unter unglaublichem Zeitdruck und sonstigem Druck durch die Parlamente gepeitscht, und in den USA wurden Blankoschecks an den Finanzminister ausgestellt ohne jede weitere Kontrollmöglichkeit des Kongresses über die konkrete Verwendung der Mittel.

Dem voraus ging das Platzen riesiger Spekulationsblasen an den internationalen Finanzmärkten, beginnend mit der Immobilienkrise in den USA. Es kam zu dramatischen Kursverlusten, und vermeintliche Geldvermögen und Forderungen von Banken gegenüber Schuldnern lösten sich in Luft auf bzw. wurden zu "finanziellem Giftmüll", der viel zu lange mit üblen Bilanzfälschungen verschleiert wurde, bis er schließlich immer mehr zum Himmel stank - und der nun in so genannten "bad banks" mit öffentlichen Geldern entsorgt werden soll . Immer mehr Menschen beginnen sich zu fragen, wie das alles zusammen hängt. Die tieferen Ursachen der Weltfinanzkrise und die Fragwürdigkeit der Mittel zu ihrer Bekämpfung sind bisher allerdings viel zu wenig aufgezeigt und diskutiert worden.

Im Gegensatz zu den meisten Wirtschafts‐ und Finanzexperten, Politikern und Gewerkschaftlern, die von der Krise völlig überrascht wurden, kam sie für mich überhaut nicht unerwartet, im Gegenteil: Seit vielen Jahren habe ich auf die im bestehenden Geldsystem verankerten problematischen Strukturen und auf not‐wendige Veränderungen hingewiesen - wie schon auf dem Titelbild meines 1996 erschienen Buches "Der Nebel um das Geld" erkennbar wird. Zu den wesentlichen Problempunkten gehören
  • die Struktur und langfristig destruktive Dynamik des Zinssystems.
  • die bestehende Art der Geldschöpfung aus dem Nichts durch (zum Teil private) Zentralbanken und durch private Geschäftsbanken.


Zur Problematik des Zinssystems

Die Problematik des Zinssystems soll hier nur ganz kurz angedeutet werden. Der scheinbar selbstverständliche Zins und Zinseszins lässt die Geldvermögen exponentiell, das heißt in sich beschleunigendem Maße anwachsen. Bei 5% Zinseszins kommt es nach jeweils knapp 15 Jahren zu einer Verdoppelung. Nach ungefähr 15, 30, 45, 60, 75, 90, 105, 120, 135, 150. Jahren wächst demnach 1 Euro auf 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512, 1024 . Euro an. (Die genaue Zahl nach 150 Jahren liegt sogar bei 1.507 Euro.) Aus einer Milliarde würden entsprechend 1,507 Billionen. So schön das aus der Sicht der Geldanleger erscheinen mag, so problematisch ist dieses immer schneller werdende Wachstum aus der Sicht der Schuldner - und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Denn das Anwachsen der Geldvermögen hat zur Grundlage (und treibt hervor) ein entsprechendes Wachstum der Schulden irgend woanders im Gesamtsystem: bei privaten Unternehmen, privaten Haushalten und beim Staat innerhalb eines Landes oder im Ausland.

Die Schulden sind das Spiegelbild der Geldvermögen, und sie wachsen wie ein Tumor im menschlichen Körper. Der Zins wirkt demnach wie Krebs im sozialen Organismus. Exponentiell wachsende Zinslasten, die aus dem jährlichen Sozialprodukt aufgebracht werden müssen, können von den Schuldnern im Durchschnitt immer weniger erwirtschaftet werden, weil in ein Welt begrenzter Ressourcen und Absatzmärkte ein exponentielles Wachstum der Realwirtschaft auf Dauer nicht möglich ist. Es muss sich vielmehr - auch bei größten Anstrengungen - nach einigen Jahrzehnten abschwächen, und die Durchschnittsrenditen in der Realwirtschaft werden sinken.

Weil die Geldvermögen trotzdem weiter wachsen wollen, suchen sie - vermittelt durch Banken, Investmentfonds oder Hedgefonds - ihr Glück an den spekulativen Finanzmärkten und treiben dort die Kurse immer mehr in die Höhe, mal an den Aktienbörsen, mal an den Anleihemärkten, mal an den Rohstoff‐ oder Agrarmärkten, mal an den Devisenmärkten und Hypothekenmärkten und mal bei den Finanzderivaten, dem globalen "Wetten dass" - wohin sie jeweils unter dem "monetären Stauungsdruck" auf ihrer Suche nach maximaler Rendite rund um den Globus vagabundieren.

Dies alles wurde seit Anfang der 80er Jahre möglich, seitdem der Neoliberalismus und die Fanatiker der Globalisierung begannen, alle traditionellen nationalen Beschränkungen spekulativen Kapitalverkehrs nieder zu reißen und dies als Weg zum weltweit wachsenden Wohlstand propagierten. Die spekulativ in die Höhe getriebenen Kurse entfernten sich auf diese Weise immer weiter von den realwirtschaftlichen Grundlagen und erzeugten die Spekulationsblasen. In völliger Verkennung des Gefahrenpotenzials wurden Jahre lang die Kurssteigerungen an den Börsen gefeiert, und wachsende Teile der Bevölkerung ließen sich in das Börsenfieber hinein ziehen, bis zum bösen Erwachen, als die Blasen mehr und mehr platzten - zunächst an der Peripherie des globalen Kapitalismus, dann zunehmend auch in den Metropolen.

Wo kamen die Unsummen von Geldern her, mit denen die Spekulationsblasen aufgepumpt wurden, wer hat sie wie geschöpft und in Umlauf gebracht? Und wo sind die Quellen für die ganzen Rettungsschirme und Konjunkturpakete in Billionen‐Höhe? Schon vor Jahren (2004) habe ich in meinem Buch "Der Tanz um den Gewinn" über "Börsenfieber und kollektiver Wahn" geschrieben - und über die im bestehenden Geldsystem angelegte Tendenz zum Super‐Gau des Weltfinanzsystems. Der Art und Weise der Geldschöpfung kommt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung als Krisenursache bzw. als verstärkender Faktor zu. Um so erstaunlicher ist es, dass die Geldschöpfung durch Jahrhunderte hindurch und bis heute eines der best gehüteten Bankgeheimnisse war und ist - und eines der folgenschwersten. Im Folgenden soll grob skizziert werden, wie und woraus sich die Geldschöpfung entwickelt hat und auf welche Weisen sie immer wieder verschleiert wurde.


Vom Goldgeld zum Papiergeld

Als das Geld noch aus vollwertigen Goldmünzen bestand, schien es seinen Wert aus dem jeweiligen Wert des Edelmetalls plus Prägekosten zu beziehen. Dabei schienen der Arbeitsaufwand oder die Förderkosten einerseits und die Knappheit andererseits eine wesentliche Rolle zu spielen. Es gab auch eine Theorie des Goldautomatismus, die zu dem Ergebnis kam, dass die als Geld in Umlauf befindliche Goldmenge sich automatisch immer wieder der Entwicklung des Sozialprodukts anpasst und dadurch sowohl eine größere Inflation als auch eine größere Deflation vermieden würden. Allerdings beruhte diese Theorie auf Annahmen, die mit der Realität immer weniger überein stimmten (zum Beispiel die unterstellte Flexibilität der Preise und Löhne nach oben und unten sowie die unbegrenzte Reproduzierbarkeit von Gold).

Gleichwohl wurde an diesem Goldmythos lange, viel zu lange festgehalten. Es bedurfte erst starker weltwirtschaftlicher Erschütterungen nach 1929, um sich von diesem Mythos zu verabschieden. Das zu lange Festhalten an der internationalen Goldkernwährung und ihren Spielregeln war nicht zuletzt ein Verstärker in der Übertragung der amerikanischen Wirtschaftskrise auf Europa, das in Folge der Goldabflüsse seine nationalen Geldmengen jeweils um das Dreifache der Goldabflüsse reduzieren musste - und dadurch den Geldfluss völlig abwürgte und die Wirtschaft in die Deflation trieb. (Um so erstaunlicher ist es, dass der Goldmythos in letzter Zeit eine gewisse Renaissance erlebt.)

Was in der Theorie unter anderem übersehen wurde, war die Tatsache, dass die Goldmenge aufgrund der besonderen Knappheit des Goldes mit dem Wachstum des Sozialprodukts im sich stürmisch entfaltenden Industriekapitalismus des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gar nicht mithalten konnte und insofern der "Goldmantel" für das heran wachsende Sozialprodukt zunehmend zu eng wurde - wie der Mantel aus der Kindheit für einen heran wachsenden Menschen zu eng wird. Wenn der Stoff des Kindermantels schließlich nur noch ausreicht, um 1/3 des Körpers des Erwachsenen zu bedecken, müsste ein Ersatzstoff her, der die Blößen hinreichend abdeckt. Ähnlich beim Goldmantel, der zunehmend durch einen Papiergeldmantel ergänzt und schließlich ganz durch ihn ersetzt wurde, um das wachsende Sozialprodukt abzudecken und so eine ausreichend mit wachsende Nachfrage nach Sozialprodukt zu ermöglichen.




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