Stimmung und Börse
Spät nachts kam ich in Paris an. Am nächsten Morgen wurde es etwas hektisch, da die Wegbeschreibung unzureichend gewesen war. Etwas außer Atem kam ich an. Unversehens fand ich mich auf dem Podium in einem Konferenzzentrum unter dem Louvre, inmitten von 1000 Finanzmanagern und ca. 10 Großbild-Videoschirmen wieder. Das Programm finden Sie hier:http://risque-pays.coface.fr/en/the-conference/themes
Nach dem OECD-Generalsekretär durfte ich meinen Vortrag präsentieren. Ich kratzte also meine paar Brocken Französisch zusammen, um wenigstens eine vernünftige Begrüßung hinzubekommen und fuhr dann in simultanübersetztem Englisch fort.
Mit meiner These, dass die angelsächsischen Ratingagenturen ein Kartell darstellen, das nachteilig für Europa agiert, fand ich bei den Franzosen - natürlich, sollte ich sagen - durchaus Zustimmung. Patrick Artus, der Chefökonom von Natixis, argumentierte in eine ähnliche Richtung: Amerika nutze die Zeit der "Euro-Schwäche“, um von den eigenen Problemen abzulenken und eine Reindustrialisierungsstrategie zu fahren. Bezeichnend war die Tatsache, dass am Donnerstag zuvor Spanien und Italien erfolgreich Anleihen platziert hatten und direkt am Freitag die Herabstufung durch S&P erfolgte.
Allerdings kam von meinen französischen Kollegen, insbesondere von Jean-Louis Bourlanges, Professor Sciences Po und François Heisbourg, Special Adviser, Foundation for Strategic Research, auch der Vorwurf, dass das deutsche Spardiktat Europa kaputtmache. Und sie haben recht. Sparen allein ist in der jetzigen Situation der direkte Weg in die Depression. Das hatten wir schon 1930 bis 1932 im Kabinett Brüning, und es ist Europa nicht gut bekommen. Dazu gehören Schuldenschnitte und das Vorhandensein eines letzten Kreditgebers, eines "Lenders of Last Resort“. Mangels eines besseren Konzepts wird diese Rolle wohl von der EZB eingenommen werden.
Immerhin: Vielleicht hat sich das Schadenpotential der amerikanischen Ratingagenturen erschöpft. „Die Märkte“ nahmen von den Herabstufungen kaum Notiz. In den Folgetagen stiegen die Aktienmärkte. Ja, es könnte sogar sein, dass dies die zwischenzeitliche Wende an den Aktienmärkten ist. Doch wie immer bin ich mir nicht sicher, denn es geht um die Zukunft. Aber die europäischen Aktienmärkte sind im Vergleich zu den USA so billig, dass sie irgendwann steigen müssen.
Man sieht also, dass die Bewegungen an den Börsen oft nicht mit den aktuellen Geschehnissen zusammenhängen. Vielleicht haben wir jetzt einfach genug Pessimismus bei europäischen Aktien gehabt, und die ersten Anleger merken, dass die europäischen Aktienmärkte attraktiv sind.
Und selbst die Bundesrepublik Deutschland hat registriert, dass es mit den Ratings nicht immer so ganz astrein zugeht. Man hat nun die Anforderungen an Investmentpapiere für die Pensionskassen gesenkt, so dass auch AA+ zugelassen sind. Ein richtiger Schritt.
Auf gute Investments, Ihr
© Prof. Dr. Max Otte