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Moody’s prozyklisch unterwegs... - China im Rahmen der Erwartungen

13.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.42 Uhr) bei 1.2206, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2244 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.30. In der Folge notiert EUR-JPY bei 96.80, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Diese Krise lehrt fraglos Demut. Ein Charaktermerkmal, das sich stereotyp wiederholt, ist das Reaktionsmuster diverser Ratingagenturen. Immer wenn die Finanzmärkte gegen die Eurozone ihre Aggressivität erhöhen, kommt es zu Flankenschutz seitens der Agenturen. So viel zunächst zum Thema anekdotischer Evidenz.

Die US-Ratingagentur Moody’s hat Italiens Bonität um zwei Stufen von A3 auf jetzt BAA2 herabgestuft. Der Ausblick bleibe negativ. Die Begründung Moody’s basiert auf einer schwachen ökonomischen Verfassung Italiens. Gut, gilt diese Abschwächung denn nicht global. Wieso wird dann gerade Italien, ein Land mit massivsten Staatsbesitz, der in der Betrachtung der Verschuldung vollkommen ausgeblendet wird, herabgestuft? Hat das nicht ein bösartiges Geschmäckle.

Wenn aggressiv reformiert wird, was in Italien der Fall ist, dann ergibt sich zunächst eine kurzfristige Belastung der Wirtschaft, um mittelfristig das Potentialwachstum zu heben. Vergleichbar ist dieser Prozess mit einer realwirtschaftlichen Investition. Zu Beginn der Investition kommt es zu negativen "Cash-Flows“, um dann Erträge zu generieren. Es ist verstörend, was Moody’s hier mit Italien und der Eurozone macht. Geht Moody’s in der Betrachtung realwirtschaftlicher Investitionen so vor, nein ... "Food for thought!“!

Wir fragen uns, warum die USA, als sie mit Kontraktion der Wirtschaft ohne Reformen und explodierenden Defiziten konfrontiert war, nicht herabgestuft wurden.

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Hat sich Moody’s einmal gefragt, was bei theoretisch möglichen, aber nicht absehbaren Reformen mit der Wirtschaft in den USA passieren wird? Steigen die Defizite in den USA, wenn Reformpolitik umgesetzt wird, da auch dort zu Beginn kontraktive Wirkungen in der Wirtschaft zu verzeichnen sein werden? Wird man dann, die Krise verschärfend, prozyklisch herabstufen?

Wie ist es möglich, von europäischen Ländern Reformen einzufordern und den Prozess wider besseren Wissens oder besserer Erfahrung (anekdotische Evidenz derartiger Reformen in der Finanzhistorie) mit aggressiven Herabstufungen zu begleiten, während Länder wie USA und Japan sportlich antiautoritäre Haushaltspolitiken ohne ernste Konsequenzen leben können? Wieso haben Wachstumsverfehlungen und Defizitreduktionsverfehlungen im Reformprozess in Großbritannien keine Konsequenzen, aber in Italien?

Viele Kollegen betonen, dass dort die Zentralbanken Staatsschuld im Zweifelsfall monetarisieren würden und damit ein nominaler Ausfall nicht auf der Agenda stünde. Hier ist die Frage zu stellen, ob Ratingagenturen für nominale oder reale Werterhaltung ihre Bonitätsnoten ausstellen. Wenn es nur um nominale Größen geht, war und ist Zimbabwe übrigens AAA, oder meine Damen und Herren in den Elfenbeintürmen der Agenturen?

Mehr noch, ist es den Protagonisten in den Elfenbeintürmen der Agenturen bewusst, dass sie damit eine Politik der Zentralbanken (Fed, BoJ, BoE - direkte Monetarisierung der Staatsschuld) gutheißen, die in allen Werken über Zentralbanken als Kardinalsünde thematisiert wird? Ist den Damen und Herren klar, dass sie damit die Zentralbank, die für Stabilitätspolitik steht, kasteien?

Werden hier nicht die Fehler der Ratingagenturen der letzten 15 Jahre wiederholt, gegenüber den Fehlleistungen aus London und NY vollständig blind zu sein?

Haben wir in der Eurozone nicht genügend Schmerz durch diese Politikansätze erfahren, ob "Cash-Burn Rate“, "Paradigmen Burn Rate a la Greenspan“ oder "MBS-Burn Rate“. Muss uns jetzt auch noch die "Kaufkraft-Burn Rate“ verkauft werden mit dem Extrabonus des möglichen Zerfalls der Eurozone und damit der Unterordnung unter die Machtachse NY/London.

Es sind so viele Brüche in der Politik der Agenturen zu Lasten der Eurozone erkennbar. Es ist erstaunlich, wie dick der Geduldsfaden der Eurozone diesbezüglich ist …


Werfen wir einen Blick nach China:

  • Chinas Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal 2012 um 7,6% nach zuvor 8,7% per 1. Quartal gewachsen.
  • "Fixed Asset Investment verzeichnete im Jahresvergleich einen Anstieg per Juni um 20,4% nach zuvor 20,1%.
  • Die Industrieproduktion nahm per Berichtsmonat Juni im Jahresvergleich um 10,5% nach zuvor 10,7% zu.
  • Einzelhandelsumsätze legten per Berichtsmonat Juni um 13.7% nach 13,8% im Jahresvergleich zu.

Die Daten entsprechen weitgehend den Erwartungen der Marktteilnehmer. Die Folgen der Defizitkrise der Eurozone sind weltweit spürbar.

Die Industrieproduktion der Eurozone setzte gestern per Berichtsmonat Mai positive Akzente. Es kam zu einem Anstieg um 0,6% im Monatsvergleich. Analysten hatten ein unverändertes Ergebnis unterstellt. Das Vormonatsergebnis wurde von -0,8% auf -1,1% revidiert. In der Folge kam es im Jahresvergleich zu einem Rückgang um -2,8% (Prognose -3,3%) nach zuvor -2,4%.

Auch die Arbeitslosenerstanträge in den USA konnten per Berichtswoche 7. Juli mit einem Rückgang von zuvor 376.000 auf 350.000 überzeugen. Die Prognose lag bei 372.000.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2620 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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