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Klartext zu dem Thema Veränderung der Geschäftsmodelle der europäischen Reformländer

06.04.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.4255, nachdem im asiatischen Handel Höchstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4266 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 85.30. In der Folge notiert EUR/JPY bei 121.60, während EUR/CHF bei 1.3200 oszilliert.

In den letzten Tagen stehen einmal mehr die europäischen Reformländer im Fokus der Debatte an den Finanzmärkten. Eine gängige Argumentation der Euroskeptiker lautet, dass die Reformländer keine Möglichkeit haben, sich über Abwertungen in eine kompetitivere Lage zu versetzen. Wir reden hier über das Ziel einer erhöhten Exportfähigkeit.

Diese Argumentation hat auf ersten Blick Charme und lässt sich eloquent am Beispiel der Südländer während des EWS darstellen. In das Faktische übersetzt heißt das, dass die Geschäftsmodelle nicht nachhaltig angepasst werden, latente Abwertungen stellen ein kurzfristiges Gleichgewicht wieder her.

Herr Henkel (ex IBM, ex BDI) befleißigt sich dieser Sichtweise bei jeder Talkshow zu diesem Thema im deutschen Fernsehen. Eine Sichtweise, die durchaus einen aggressiven antiautoritären Charakter hat. Schlussendlich wird nicht reformiert und damit verlieren diese Länder latent Zukunftsfähigkeit. Diese Sichtweise ist metaphorisch mit der Situation eines Junkies vergleichbar, die Abwertung ersetzt dabei die Droge. Fakt ist jedoch, dass Junkies keine wirklich gute Zukunft haben, oder?

Der andere Weg, der beschritten werden kann, ist definiert durch markante Reformen.
  • Das beginnt bei dem eigenen ordnungspolitischen Rahmen (z.B. Deregulierung in Griechenland),

  • es setzt sich fort über eine Reform des öffentlichen Apparats, um verstärkte Durchsetzungsmacht zu etablieren (z.B. Finanzkontrollen Griechenland),

  • eine Reform unfinanzierbarer Anspruchsgrundlagen gehört dazu (Rentenalter, Rentenhöhe, andere Anspruchsgrundlagen), um nur einige Felder aufzuzeigen.

Diesen fraglos beschwerlichen Weg geht die Eurozone seit dem 4. Quartal 2009. Keine andere Region weltweit hat derartige Schritte zu einem so frühen Zeitpunkt begonnen, umzusetzen. Sachlich verdient dieser Weg Vorschusslorbeeren der Märkte, der Analysten und Volkswirte. Wie sieht aber die Realität aus?

Latent werden die erzielten Erfolge medial kleingeredet. Prozyklisch konterkarieren Ratingagenturen als auch "CDS-Märkte" die Erfolge und verzögern das sehr wohl verdiente Vertrauen in die erfolgten Maßnahmen und damit auch lindernde Kapitalströme!

Lamentieren wir nicht herum, sondern fragen uns, ob die Reformen die Exportfähigkeit der Reformländer beeinflusst haben? Nachfolgende Tabelle liefert die Größen für die Reformländer. Das Ergebnis muss als spektakulär bezeichnet werden. "Stante pede" - stehenden Fußes ergeben sich markante Veränderungen per 2010 und auf prognostizierter Basis auch 2011.

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Irland hat bereits 2010 den vorhergehenden Höchstwert per 2007 deutlich überboten. Für Spanien und Portugal steht dieses Ergebnis laut Eurostat per 2011 an. Ja, der Problemfall Griechenland erfordert etwas mehr Zeit. Die Tendenzen sind aber auch hier markant und dürfen als tragfähig bezeichnet werden.

Um das Bild abzurunden werfen wir einen Blick auf die Importentwicklung.

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Um zu einer Aussage über die Verbesserung der "Terms of Trade" der Reformländer zu gelangen, bedarf es nun einer Saldierung beider Entwicklungen.

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Was lässt sich aus dieser letzten Tabelle extrahieren?
  • 1. Die rückläufigen Defizite belegen für Spanien, Portugal und Griechenland eine erhöhte Kompetitivität.
  • a. Spanien reduzierte das Handelsbilanzdefizit von 2007 bis 2011 (p) voraussichtlich um 85%
  • b. Griechenland reduzierte das Handelsbilanzdefizit von 2008 (Hochpunkt) bis 2011 (p) voraussichtlich um 59%.
  • c. Portugal reduzierte das Handelsbilanzdefizit von 2008 bis 2011 (p) voraussichtlich um 58%.
  • 2. Die zunehmenden Überschüsse Irlands belegen, dass das Geschäftsmodell intakt ist und durch die Reformen noch kompetitiver wird. Irland erhöhte seinen Handelsbilanzüberschuss von 2008 bis 2011 (p) voraussichtlich um 117%.
  • 3. Alle Reformländer befinden sich realwirtschaftlich bezüglich der Konkurrenzfähigkeit auf einem guten Weg, die fiskalischen Probleme mittel- und langfristig erfolgreich zu überwinden.

Sie verdienen weder die aktuellen Niveaus der Kreditausfallversicherungen noch die Herabstufungen durch Ratingagenturen.

Der europäische Dienstleistungsindex setzte gestern in der finalen Fassung per Berichtsmonat März einen positiven Akzent. Der Index stellte sich auf 57,2 Zähler. Die Prognose war bei 56,9 Punkten angesiedelt. Deutschland stach mit einem Indexwert von 60,1 Punkten besonders positiv hervor.

Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone enttäuschten dagegen mit einem Rückgang auf Monatsbasis um -0,1% (Prognose bei 0,0%). Der Vormonatswert wurde von +0,4% auf +0,2% revidiert. Im Jahresvergleich kam es damit zu einem anstieg von nur 0,1% nach zuvor 0,4%.

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Der US ISM-Dienstleistungsindex verfehlte die Markterwartungen deutlich per März. Der Index sank unerwartet von zuvor 59,7 auf 57,3 Punkte. Erwartet war ein Rückgang auf 59,5 Zähler. Losgelöst von diesem Rückgang signalisiert ein Indexstand von gut 57 Punkten nachhaltige Expansion in diesem Sektor. Das gilt für die USA und das gilt auch für die Eurozone.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3720 - 1.3750 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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